Interessante Berührungspunkte in der Gastronomie
Beim Bier sind alle gleich, pflegt man in Tschechien zu sagen. Schließlich kommt ein Bier in einer einfachen Kneipe bis heute kaum mehr zu stehen als in einem Supermarket, Gleich - und für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich - war jahrzehntelang auch die Küche der dicht gestreuten Kneipen. Doch auch die gastronomische Szene Tschechiens differenziert sich zunehmend. Dazu ein Beitrag von Silja Schultheis:
"Während des Sozialismus existierten hier sog. Rezepturen, alles war genormt, es gab keine freie Kreativität, die Gerichte mussten in allen Kneipen gleich sein - in Prag, in Brünn, überall musste es gleich schmecken."
Doch immer mehr Tschechen suchen Alternativen zur faden Einheitsküche, 14 Jahre nach der Wende ändern sich die Essgewohnheiten hierzulande mittlerweile spürbar. Italiener, Chinesen und Mexikaner haben Hochkonjunktur und in einheimischen Spitzenrestaurants ist ausländische Küche längst Normalität. Stanislava Markova, langjährige Chefköchin des Prager Lokals "V zatisi" - laut der Zeitschrift Gurman das drittbeste Restaurants des Landes - hat kürzlich einen italienischen Koch eingestellt - ohne ihre Küche jedoch damit auf eine einzige Richtung festlegen zu wollen:
"Ich sage immer: Heute Italien, morgen vielleicht Skandinavien. Jeder kann andere Dinge zubereiten, und man sollte aus jeder Region etwas lernen und dann daraus etwas Eigenes kreieren. Der Mensch lernt einfach das ganze Leben lang dazu. Und Konkurrenz zwingt einen, auf immer bessere Ergebnisse hinzuarbeiten. Wenn es hier keine Konkurrenz gäbe, würden wir vor uns hinschlummern und nirgendwo hingelangen."
Stanislava Markova ist stolz darauf, dass ihr Lokal neben Kürbissuppe und italienischem Risotto auch klassische tschechische Gerichte wie gebackene Ente oder Knoblauch-Kaninchen anbietet. Und auch Chefkoch Radek David wünscht sich, dass unter den zunehmenden ausländischen Einflüssen die tschechische Küche ihren Platz behaupten kann - allerdings nicht in ihrer bisherigen Form:
"Ich glaube daran, dass es uns gelingen wird, die tschechische Küche so zu modernisieren, dass sie auch für Ausländer akzeptabel sein wird. Schluss mit schweren Beilagen und Soßen und stattdessen leichtere Gerichte, überhaupt eine Verfeinerung der Küche. Versuche in diese Richtung gab es bereits, aber niemand hat diesen Gedanken erfolgreich in die Tat umgesetzt."
Ähnlich wie Stanislava Markova wünscht sich Radek David dringend ein besseres Angebot an Lebensmitteln auf dem tschechischen Markt, um sich künftig die oft aufwändigen Importe zu ersparen. Und er hofft auf ein verändertes Bewusstsein der Tschechen, die Spitzenlokale bislang vielfach nur als überflüssigen Luxus betrachten:
"Für einen Tschechen sind 1000 Kronen (etwa 32 Euro) für einen Abend im Restaurant immer noch viel Geld. Die Leute sagen sich: Für 1000 Kronen kaufe ich mir ein ganzes Huhn, das braten wir dann zuhause und werden auch satt. Aber wir leben heute in einer schnelllebigen, gehetzten und eiligen Zeit, arbeiten alle, möglichst gleich in 2-3 Jobs, und haben keine Zeit füreinander. Dazu sind jetzt die Restaurants und Weinstuben da, um die Bindungen zwischen den Menschen etwas zu festigen, dass sie essen gehen und sich einen schönen Abend machen können. Und dann fällt der ganze Stress von ihnen ab."