„Irgendwie bin ich immer am Rand“ – die Bildhauerin Ludmila Seefried-Matějková

Ludmila Seefried-Matějková (Foto: Archiv von Ludmila Seefried-Matějková)

Die Bildhauerin Ludmila Seefried-Matějková lebt in Berlin. Die Tschechin wurde 1938 in Heřmanův Městec / Hermannstädtel in Böhmen geboren. Da sie aber in der Tschechoslowakei später aus politischen Gründen nicht studieren konnte, ging sie Ende der 1960er Jahre nach Deutschland. Dort fand sie ihre zweite Heimat. Sie kreiert überwiegend realistische Figuren aus Ton, Holz und Stein. Ihre Skulpturen konnte man bei Ausstellungen in Deutschland und Tschechien, aber auch in weiteren Ländern Europas bewundern. Außerdem hat sie mehrere Großplastiken in den Straßen Berlins realisiert.

Ludmila Seefried-Matějková  (Foto: Archiv von Ludmila Seefried-Matějková)
Frau Seefried-Matějková, Sie leben und arbeiten seit 45 Jahren in Deutschland, in Berlin. Ihre Wurzeln aber liegen in Tschechien?

„Ja, ich bin 1938 in der Tschechoslowakei geboren. Zuerst war ich an einer künstlerisch orientierten Mittelschule und habe anschließend Abitur gemacht. Leider durfte ich aus politischen Gründen nicht studieren und wurde von keiner Hochschule angenommen. In der Dubček-Zeit, während des Prager Frühlings, bekam ich dann die Möglichkeit, im Ausland zu studieren. So landete ich dann in Berlin. Ich hatte zuvor für die Bewerbung eine Mappe mit meinen gesammelten Arbeiten zusammengestellt, meinen Lebenslauf geschrieben und alles dorthin geschickt. Professor Joe Henry Lonas hat mich akzeptiert und in seinen Bildhauer-Kurs aufgenommen. Bei ihm habe ich mein Studium mit Bestnote abgeschlossen. Danach habe ich an mehreren Wettbewerben teilgenommen, von denen ich drei gewinnen konnte. Alle drei Kunstobjekte aus diesen Wettbewerben stehen in Berlin.“

Boxer  (Foto: Archiv von Ludmila Seefried-Matějková)
Haben Sie sich von Anfang an für die Bilderhauerei interessiert, oder war es Zufall, dass Sie sich für diese Kunstrichtung entschieden haben?

„Noch in der Mittelschule in Prag war ich für die Malerei angemeldet und wollte eigentlich dabei bleiben. Ein Lehrer hatte mir jedoch angeboten, in die Bildhauereiklasse zu wechseln, da die Malerkurse alle überbelegt waren. Dann hatte ich eine Eingebung, so als hätte ein Engel mir die Richtung gewiesen und habe mich sofort umgemeldet. Das ging so mechanisch, dass es mir selbst nicht bewusst wurde. Ich habe dann aber festgestellt, dass es genau das Richtige für mich war. Als ich mit dem Modellieren anfing, merkte ich schnell, dass mir die Arbeit mit dreidimensionalen Objekten viel mehr liegt. Es hat mich einfach fasziniert.“

Doppelgängeradmiral  (Foto: Archiv von Ludmila Seefried-Matějková)
Sie vertreten eine realistische Richtung in der Bildhauerkunst. Warum habe Sie gerade diese Strömung gewählt?

„Ich denke, mit realistischer Kunst kann man eigene Gedanken und Gefühle dem Publikum verständlicher vermitteln. Mich hat bereits der kritische Realismus während meines Studiums in Berlin begeistert. Dieser ermöglichte mir eine intensive Auseinandersetzung mit alltäglichen Situationen des Lebens, denn die Umgebung der Großstadt wirkte sehr stark auf mich. Es gab in den U-Bahnen die Bettler und dann wieder den Luxus, also ständig jene krassen Gegensätze von Armut und Reichtum. Dazu wollte ich mich mit meiner Kunst äußern.“

In ihren Werken und Skulpturen thematisieren sie häufig soziale Dinge: die Stadt, die Menschen, also das Umfeld, in dem Sie leben. Welchen Themen haben Sie sich darüber hinaus gewidmet?

Polizei-Maschine  (Foto: Archiv von Ludmila Seefried-Matějková)
„Sehr oft beispielsweise habe ich mich auch der Einsamkeit und der Sehnsucht nach Freiheit gewidmet. Eine meiner bekannten Figuren, `Schrei`, stellt einen Mann dar, der in einem Käfig eingesperrt ist. Es ging um die Menschen, die vom damaligen kommunistischen Regime politisch verfolgt wurden und im Gefängnis saßen. Das hat mich inspiriert, es geht dabei um Helden, die einfache Leute waren und oft am Rande der Gesellschaft lebten.“

Haben Sie sich im Ausland vielleicht auch einsam gefühlt?

„Zu Beginn habe ich mich einsam gefühlt, obwohl ich schnell geheiratet habe. In der Stadt und auf der Straße habe ich mich aber fremd gefühlt, das hat noch ein Weile gedauert. Inzwischen ist Berlin aber auch meine Heimat geworden.“

Tanz auf dem Vulkan  (Foto: Archiv von Ludmila Seefried-Matějková)
Fühlen Sie sich dort zu Hause?

„Ich fühle mich in Berlin zu Hause, aber auch in Tschechien und sogar in Italien. Irgendwie bin ich schon ein Europäer, der sich ständig zwischen diesen drei Ländern bewegt. Die künstlerische Arbeit mit Stein und Holz mache ich eben in Italien.“

Danach wollte ich gerade Fragen - hier in der Ausstellung sind Skulpturen aus Stein und Holz, aber auch aus Ton - welches Material bevorzugen Sie?

„Ich liebe eben den Wechsel von Materialien. Das ist das Spannende daran. Ich arbeite sehr gern mit dem Brennen von Ton, dadurch kann man sehr große Figuren aufbauen - wenn man die Technik richtig beherrscht. Im Freien dagegen ist es wunderbar, am Stein oder mit Holz zu arbeiten. Diese Abwechselung mag ich sehr.“

Carl von Ossietzky  (Foto: Archiv von Ludmila Seefried-Matějková)
Sie haben mehrere Werke auch für die Stadt Berlin geschaffen, sie sind dort auf den Straßen zu sehen. Wie schafft man eine Skulptur für einen konkreten Ort? Ist es anders, als dies für ein Atelier oder eine Ausstellung zu machen?

„Das ist etwas völlig anderes, man muss dort das gesamte Umfeld mit einbeziehen und bedenken. Ich fand es unheimlich spannend, mein Werk in diese Vorgabe einzufügen und es mit der Umgebung zu harmonisieren. Das war fantastisch. Ich glaube, ich habe auch drei Wettbewerbe gewonnen, weil sich die Arbeiten so gut eingefügt haben. Im Nachhinein mag ich es sehr, wie die Menschen und Kinder sich beispielsweise um meinen Brunnen bewegen oder darin spielen und zu den Figuren klettern oder diese anfassen. Das macht mich glücklich.“

Können Sie kurz sagen, wo Ihre Installationen in Berlin zu sehen sind?

Justitia  (Foto: Archiv von Ludmila Seefried-Matějková)
„Die Justitia steht in der Alt-Moabit-Strasse, am Eingang zum Parkplatz des Gerichtshofs. Es war mein erster gewonnener Wettbewerb. Dann gibt es noch den Admiral in der Admiralstraße, Ecke Kohlfurter Straße in Berlin-Kreuzberg. Die dritte Installation ist der Brunnen am Nettelbecklatz im Wedding. Daneben gibt es noch weitere, kleinere Objekten in ganz Berlin.“

Standen Sie während der Berliner Jahre mit der tschechischen Kunstszene in Kontakt, noch vor 1989 oder eventuell auch erst danach?

„Leider ging das nicht, weil ich Probleme mit der Einreise hatte. Es gab eine Militärkommission in Berlin, dort musste man die Einreise beantragen und nur wenn die wollten, haben sie mich gelassen. Dadurch konnte ich nicht soviel Kontakt halten. Ich wollte meine Familie und Eltern sehen, solange diese noch lebten und habe auch meine Schwester und Tochter aus erster Ehe besucht. Hauptsächlich bin ich zu meiner Familie gefahren, Kontakte darüber hinaus sind mir verwehrt geblieben, denn ausstellen durfte ich in Tschechien damals nicht. Im Jahr 1992 hatte ich meine erste Ausstellung in Brno / Brünn, und dann auch in Prag.“

Primadonna  (Foto: Archiv von Ludmila Seefried-Matějková)
Glauben Sie, dass Ihre künstlerische Laufbahn sich hierzulande anders entwickelt hätte als in Berlin?

„Das kann sein. Es beeinflusst einen, wenn man in einer völlig anderen Umgebung lebt.“

Sie haben Ihre erste Ausstellung im Jahr 1992 erwähnt. Seitdem kehren Sie aber regelmäßig nach Tschechien zurück?

„Ja, ich fahre sehr regelmäßig hierher und habe seitdem mehrere Ausstellungen gehabt: Gerade erst in Mähren, in Uherské Hradiště / Ungarisch Hradisch und in Třebíč / Trebitsch, und auch in Pilsen.“

Sie haben in Berlin auch einen Verein gegründet, „pro arte vivendi“. Wofür setzt sich dieser Verein ein?

Hiob  (Foto: Archiv von Ludmila Seefried-Matějková)
„Dieser Verein versucht, den Kulturaustausch zwischen deutschen und tschechischen Künstlern zu vermitteln. Es ist nicht einfach, aber wir bekommen Unterstützung von der tschechischen Botschaft und deren Mitarbeitern, sowie vom Tschechischen Zentrum in Berlin. Wir organisieren Ausstellungen und Konzerte, darunter besonders häufig ein Jazzfestival. Das ist eine interessante Sache. Meistens haben wir jedoch mit finanziellen Problemen zu kämpfen, trotzdem bemühen wir uns, etwas auf die Beine zu stellen.“

Zum Schluss komme ich noch mal auf Ihre Retrospektive zurück. Sie trägt den Namen “Na pokraji – am Rand“. Worauf genau bezieht sich dieser Titel?

„Eigentlich bezieht es sich auf eine Figur, die ‚Am Rand’ heißt. Auf eine persönliche Art bin ich auch am Rand, weil ich hier, in Tschechien, vergessen worden bin, obwohl ich bereits einige Ausstellungen gemacht habe. Durch große Pausen zwischen den Ausstellungen und meine geographische Abwesenheit habe ich keine Kontakte zu tschechischen Künstlern aufbauen können. Somit bin ich doch ‚am Rand’ geblieben.“


Dieser Beitrag wurde am 5. November 2013 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.