Jakub Schikaneder: Maler der melancholischen Stimmung Prags
Im folgenden Kultursalon wollen wir Sie ein wenig in die melancholische Stimmung Prags vor hundert Jahren zurückversetzen. Dabei helfen uns Bilder eines der beliebtesten Maler der Jahrhundertwende, Jakub Schikaneder. Verlassene Ecken des alten Prag, die durch das schwache Licht des Sonnenuntergangs beziehungsweise des Monds oder durch Gaslaternen beleuchtet werden, oder auch sparsam beleuchtete Innenräume mit Frauenfiguren - das sind seine typischen Motive. Radio Prag führt Sie nun durch eine große Schikaneder-Ausstellung in der Nationalgalerie in Prag.
Eine umfangreiche Ausstellung in der Waldstein-Reithalle auf der Prager Kleinseite zeigt bis Oktober Werke von Jakub Schikaneder. Vor 14 Jahren gab es in der Nationalgalerie bereits eine große Schikaneder-Ausstellung. Trotzdem gab es nun Gründe, seine Werke erneut zu präsentieren, sagt die Kuratorin der Ausstellung, Veronika Hulíková:
„Es ist die bisher größte Präsentation der Werke von Jakub Schikaneder. Seit der letzten Ausstellung sind 14 Jahre vergangen. Inzwischen sind zahlreiche Werke gefunden worden, die früher als verschollen galten. Wir haben nun die einzigartige Gelegenheit, dank dem Entgegenkommen der Privatbesitzer, diese Werke der Öffentlichkeit zu zeigen.“
Manchmal ist es Zufall, dass sich der Besitzer selbst meldet, er habe ein Schikaneder-Bild zu Hause und möchte es der Galerie leihen. Manchmal knüpft die Nationalgalerie Kontakt mit einer Privatgalerie an, die die Sammler vereinigt und die Anleihe vermittelt.
„Es kam zu einer Reihe von unerwarteten Entdeckungen. Eines der schönsten Bilder ist das frühe Werk ´Die Braut aus der Bretagne´ aus der ersten Hälfte der 1880er Jahre. Es wurde nach Schikaneders Reise nach Frankreich und Bretagne gemalt. Neu gefunden wurden auch zahlreiche typische Prager Nachtbilder sowie eine Porträtstudie, in der wir auf Grund eines Fotos Schikaneders Frau identifizieren konnten. Diese Entdeckung enthüllte, dass Schikaneders Frau auch für das Bild ’In der Einsamkeit’ Modell gestanden ist. Das Bild befindet sich in der Sammlung der Nationalgalerie.“ Jakub Schikaneders Bilder zählen heute zu den bekanntesten tschechischen Kunstwerken von der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert. Seine Werke sind bei der breiten Öffentlichkeit beliebt und die Ausstellungen sehr gut besucht.„Für uns als Fachleute war es eine große Überraschung, dass sich nach gründlichen Recherchen ergeben hat, wie gut sich Schikaneder in der zeitgenössischen europäischen Malerei auskannte. Er war Professor an der Prager Kunstgewerbeschule. Er hatte die Möglichkeit zu reisen und unternahm Dienstreisen durch Europa. Er war also gut informiert, und in seinen Werken lassen sich die einzelnen Einflüsse feststellen.“
Schikaneder sei einzigartig beim Schaffen von Atmosphäre, betont Veronika Hulíková. Seine Gemälde spiegeln die Stimmungen in der Stadt wider. Schikaneder liebte Prag und stellte seine Ecken zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten dar.
„Allerdings sind seine Prager Nachtbilder keine topographisch genauen Darstellungen Prags. Im Vergleich waren die Werke von Malern wie zum Beispiel Minařík oder Jansa wesentlich wahrheitsgetreuer. Schikaneder war aber ein Meister der Atmosphäre. Er schuf mit seinen Bilder eine Art Synthese seiner Erinnerungen an die Atmosphäre der Stadt.“
Veronika Hulíková macht bei der Führung durch die Ausstellung vor einem Gemälde halt. An diesem Beispiel erklärt sie, wie diese Synthese entsteht:
„Wir stehen vor dem Bild ´Früher Abend auf dem Hradschin´ aus der Sammlung der Nationalgalerie in Prag. Es ist eines der schönsten Bilder des Malers und wir haben es deswegen zum Hauptmotiv der Ausstellung gemacht. Dieses Bild wurde höchstwahrscheinlich im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gemalt und hat eine einzigartige Atmosphäre. Auf dem Bild kommt eine gebeugte Frauenfigur vor, die vom Hradschiner Platz auf Prag hinabschaut. Prag ist allerdings nicht zu sehen, nur zu erahnen. Auf Schikaneders Bildern kommt sehr oft eine Frauenfigur vor. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk: von den Anfängen bis zu den Meeresbildern am Ende seines Lebens.“
Die Kuratorin weist auch auf weitere zwei Werke hin, die die Nationalgalerie als Anleihe aus Privatsammlungen erworben hat. Die ´Schreckliche Gesellschaft´ und ´Die Meditation´ sind Bilder, die Jakub Schikaneder noch als Student der Prager Akademie ausstellte. Dies weckte große Aufmerksamkeit, sie wurden sogar von Jan Neruda in der Presse kommentiert. Nun gibt es nach mehr als 150 Jahren die Möglichkeit, sich diese Bilder erneut anzuschauen. Veronika Hulíková teilt Schikaneders Werk in Schaffensperioden ein:„Nachdem Schikaneder die Prager Akademie verlassen und seine Europa-Reisen unternommen hatte, das heißt seit der Hälfte der 1880er Jahre, kristallisiert sich eine erste Phase seines Schaffens heraus. Wir haben sie im Einklang mit einer zeitgenössischen Kritik ´Idyllen, Leiden und Not´ genannt. Typisch für diese Phase ist die Darstellung von alten Frauen, aber auch von jungen Müttern, die sich in Not befinden oder verlassen sind. Schikaneder hatte ein sehr starkes soziales Empfinden. Ihren Höhepunkt erreicht diese Phase im Bild ´Der Mord im Haus´. Anfang der 1890er Jahre kommt eine Zeit der Suche. Um 1900 beziehungsweise kurz davor beginnt eine weitere Schaffensphase: die Reihe der Prager Nachtbilder. Diese wird durch das nun neu entdeckte Bild ´Die Abenddämmerung´ aus dem Jahr 1899 eröffnet. Drei Jahre später schuf er ´Die Abenddämmerung im Winter´, die erste seiner typischen Nokturnen. Des Weiteren gelang es uns, noch einen Strang seines Werkes zu bündeln, der bisher weniger bekannt war, und zwar die Abbildung von Innenräumen. Dort kommt wieder häufig die Frauenfigur vor. Beziehungsweise der Raum ist leer, es lassen sich dort aber Spuren menschlicher Anwesenheit finden, als ob jemand das Zimmer kurz zuvor verlassen hätte. Man sieht dort einen angefangenen Brief, es liegt da ein Buch, die Tür ist offen. Diese Bilder sind wegen ihrer harmonischen Farbigkeit so besonders.“
Jakub Schikaneder ist heute bei den Galerien-Besuchern und Kunstsammlern einer der beliebtesten Maler des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Wie war seine Stellung zu seinen Lebzeiten?
„Schikaneder hat zu seinen Lebzeiten nie eine Gesamtausstellung veranstaltet. Im Laufe der 1890er Jahre stellte er in Prag ziemlich oft aus. Er versuchte, sich auch außer der Grenze Österreich-Ungarns durchzusetzen und beschickte internationale Ausstellungen in Berlin, München und natürlich auch in Wien. Aber ungefähr nach 1900 und insbesondere nach 1910 zog er sich völlig zurück. Beigetragen dazu hat wahrscheinlich, dass seine Ansichten im Widerspruch mit der antretenden modernen Generation tschechischer Künstler standen. Ab da hat er bis zu seinem Tod nie mehr wieder seine Bilder öffentlich ausgestellt.“
Jakub Schikaneder lebte in den Jahren 1855 bis 1924. Der Name Schikaneder ist im deutschsprachigen Raum nicht unbekannt. Emanuel Schikaneder war im 18. Jahrhundert ein bekannter Schauspieler, Sänger, Regisseur, Dichter und Theaterdirektor. In die Geschichte eingegangen ist er vor allem als Libretto-Autor für Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Die Zauberflöte“. Er selbst spielte den Vogelfänger Papageno bei der Premiere in Wien 1791. Wie Veronika Hulíková sagt, handelt es sich nicht nur um eine Namensgleichheit:
„Das ist kein Zufall. Obwohl Schikaneders Vater ein Zollbeamter war, stammte er aus einer Familie mit reicher kultureller Tradition. Die Familie wurde von Schikaneders Großvater, Karl Joseph Schikaneder, nach Prag geführt. Er war ein Schauspieler, Sänger und Theaterdirektor. Dieser hatte fünf Töchter und einen Sohn, eben den Vater von Jakub Schikaneder. Jakubs Tanten und Cousinen waren Schauspielerinnen. Und Emanuel Schikaneder, der berühmte Librettist, war der Onkel seines Großvaters. Die Verwandtschaft ist also nicht ganz nah, dennoch waren sie verwandt.“
Soweit die Kuratorin der Ausstellung, Veronika Hulíková. Auf der Website www.schikaneder.cz findet man auf Tschechisch und Englisch zahlreiche Informationen über den Maler und das aktuelle Begleitprogramm zur Ausstellung in der Waldstein-Reithalle. Sie dauert bis zum 21. Oktober und ist täglich außer montags zwischen 10 und 18 Uhr geöffnet.