Jan Zrzavý: Zwischen der Bretagne und Böhmen
Eine Ausstellung im Museum Kampa zeigt Werke von einem der führenden tschechischen Maler der Moderne.
Viele Tschechen lieben die Bilder von Jan Zrzavý. Selbst zu kommunistischen Zeiten hingen Drucke seiner Bilder in Schulgebäuden: die verlassenen Boote auf grünblauem Meer in menschenleeren Häfen sowie traurig wirkende Frauenköpfe. Dabei unterschieden sie sich stark von den realistischen Bildern anderer Maler, die sonst oft in den Klassenräumen zu sehen waren.
Jan Zrzavý wurde 1890 in eine Lehrerfamilie in Okrouhlice auf der Böhmisch-Mährischen Höhe geboren. Als seine wahre Heimatstadt betrachtete er aber das nicht weit entfernte Krucemburk / Kreuzberg. Einige Jahre studierte Zrzavý an der Kunstgewerbeschule in Prag, dann versuchte er erfolglos, an die Kunstakademie der Stadt aufgenommen zu werden. In den Jahren 1910 bis 1912 war er Mitglied der Künstlergruppe Sursum. Zu dieser Zeit lernte er den Maler Bohumil Kubišta kennen, mit dem er viel über Kunst diskutierte. In den Jahren 1918 bis 1924 gehörte Zrzavý zur Künstlergruppe Tvrdošíjní – gemeinsam mit anderen Größen wie Josef Čapek oder Václav Špála.Zwischen den Weltkriegen schuf er Bilder in seinem einzigartigen Stil und gehörte keiner der damaligen Strömungen an. Er lebte auch in Paris, und immer wieder reiste er in die Bretagne sowie nach Venedig. Jan Zrzavý hatte aber regelmäßig Ausstellungen in Prag. In den letzten Jahren seines Lebens wurde der Künstler zur Legende. Wenn er mit einem Stock die Schlosstreppe auf dem Weg zu seinem Atelier hinaufging, erkannten ihn die Menschen und sprachen ihn an. Zrzavý starb 1977 und wurde in seiner Lieblingsstadt Krucemburk bestattet.
Martina Vítková ist Kuratorin der neuesten Ausstellung aus dem Werk von Jan Zrzavý. Die Bilder würden ausschließlich aus Privatsammlungen stammen, betont die Kunsthistorikerin:„Ich muss zugeben, dass es nicht ganz einfach war, eine Auswahl von Gemälden und Graphiken zusammenzutragen, die alle für Zrzavý typischen Themen abdeckt. Wir mussten nach den Bildern geradezu fahnden. Da sich die Mehrheit seiner Gemälde in den Sammlungen der Prager Nationalgalerie befindet, suchten wir nach Parallelen zu Bildern, die der Maler noch während seines Lebens verkauft hat und die in die Hände von Privatpersonen gelangt sind. Dabei mussten wir alle Werke überprüfen, denn es gibt viele Fälschungen von Zrzavýs Bildern. Alles, was zu sehen ist, wurde gründlich durchgecheckt, es werden wirklich nur Originalwerke gezeigt.“
Renaissance-Kunst und Goldener Schnitt
Jan Zrzavý begann seine künstlerische Karriere als Avantgardist. Am ehesten lässt er sich zu jenen Malern zählen, die den Neoklassizismus, die Neue Sachlichkeit und den magischen Realismus bevorzugt haben. Die erfolgreichsten Bilder Zrzavýs sind nicht spontan entstanden, wie man annehmen könnte. Er hat sie sehr sorgfältig entworfen. Gemalt hat er überwiegend in der Nacht. Über ihn war bekannt, dass er erst um die Mittagszeit aufstand und gegen vier Uhr nachts schlafen ging. Er brauchte kein Tageslicht und kein Objekt vor sich. Zrzavý war kein realistischer Maler, er malte nach eigenen Skizzen oder nach dem Gedächtnis. Zu jedem seiner Gemälde gibt es zahlreiche Zeichnungen, mit denen er das endgültige Werk entworfen hat. Die Ausstellung zeigt Gemälde aus unterschiedlichen Etappen von Zrzavý. Auch sein Karrierestart ist vertreten. Martina Vítková:„Wir haben einige Beispiele aus seiner frühen expressiven Phase, als er Bohumil Kubišta kennenlernte. Kubišta hat Zrzavýs Ansichten über die Kunst stark geprägt. In den Bildern sind Einflüsse von Kubismus und vor allem des Goldenen Schnitts sowie der Renaissance-Kunst zu erkennen. Zudem werden in diesem Teil der Schau seine Landschaften mit Frauenfiguren gezeigt. Damals war Zrzavý auch etwas von Jan Preisler beeinflusst. Es gibt da sehr schöne Bilder von Frauen, die sich in der Natur ausruhen, sowie Gemälde mit exotischen Landschaften. Diese stellten den hedonistischen Pol in Zrzavýs Werk dar, als der Maler das Leben genießen wollte.“ Es sei jedoch bemerkenswert, dass dies nur für die Anfänge und die letzten Jahre des Künstlers gelte, sagt die Kuratorin.
Bei den Karmelitern in Venedig
In der Ausstellung finden sich auch Bilder mit religiösen Themen. Dennoch habe sie überrascht, dass Zrzavý in der Zwischenkriegszeit für einen religiösen Maler gehalten wurde, sagt die Kuratorin.„Dies gilt heutzutage nicht mehr. Wir fühlen dort eher Melancholie und Traurigkeit. Zrzavýs Beziehung zur Religion ist beachtenswert. Für ihn stellte die Religion nichts dar, was den Menschen irgendwie belasten würde. Wir zeigen hier eine Zeichnung, die einst dem Literaturkritiker F.X. Šalda gehört haben soll. Er kaufte sie im Entstehungsjahr 1918. Die Zeichnung ist wirklich bezaubernd. 1928 malte Zrzavý ein Gemälde nach dieser Vorlage. Das Bild zeigt Johannes, den Lieblingsjünger Jesu. Und das Gemälde lässt wirklich etwas von dieser nahen Beziehung des Apostels zu Jesus spüren.“
Jan Zrzavý hat viele seiner Werke in der Bretagne gemalt. Ebenfalls liebte er Venedig, wo er auch häufig war. Bilder aus Venedig sind auch in der Ausstellung zu sehen:
„Zrzavý reiste sehr gern nach Venedig. Es war ein Ort, an dem er nach Stille und Ruhe gesucht hat. In den 1960er Jahren hat er dort sogar einige Wochen in einem Karmeliterkloster zur Meditation verbracht. Als die Karmeliter nach ihren Spuren in Böhmen suchten, hat Zrzavý ihnen dabei geholfen. Und das war zu kommunistischen Zeiten nicht ganz einfach. Wenn er nach Italien reiste, machte er immer auch Zwischenstation in Vinci. Zrzavý konnte dort sämtliche Depressionen loswerden, denn das war der Geburtsort seines sehr geliebten Leonardo da Vinci.“In Italien hatte Zrzavý im Übrigen auch internationalen Erfolg:
„Zrzavýs Gemälde haben die Tschechoslowakei zweimal bei der Biennale in Venedig repräsentiert. Das zweite Mal war das in den 1960er Jahren. Das erste Mal geschah dies aber schon in den 1930er Jahren. Damals wurde die Biennale jedoch vom faschistischen italienischen Staat organisiert. Über die Teilnahme Zrzavýs an dieser Biennale haben wir aber kaum Informationen. Dieser Bereich im Werk des Malers muss noch erforscht werden.“
Die breite Auswahl von Zeichnungen und Gemälden aus den tschechischen Privatsammlungen beweist der Kuratorin zufolge, dass das Werk von Jan Zrzavý auch heute bewundert wird und sehr gefragt ist.
Die Ausstellung aus dem Werk von Jan Zrzavý ist im Museum Kampa noch bis 1. Juli zu sehen. Das Museum ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Mehr erfahren Sie unter www.museumkampa.cz.