Jana Lehmannova - eine Frau, die dem Ruf der See folgte

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Eine ausgeprägte Vorliebe für das Element Wasser, für weite Seefahrten und das Abenteuer in verschiedenen Positionen: Schiffsgehilfe, Hilfsoffizier, hier und da auch Schiffskapitän, je nach dem! Aufgepasst, hinter dieser kurzen Charakteristik verbirgt sich eine Frau. Obwohl immer noch jung, hat sie bereits vieles erlebt. Auf dem Meer, versteht sich.

Jana Lehmannova war ursprünglich eine Festlandbewohnerin, bevor sie dem Meeresruf folgte. Geboren wurde sie vor 29 Jahren in Prag und nach dem Abitur fing sie an, an der pädagogischen Fakultät zu studieren - mit der Vision, Lehrerin zu werden. Lassen wir sie selbst erzählen, was zu ihrer Entscheidung beigetragen hat, auf ein anderes Metiers umzusatteln:

"Es war eine Kombination von glücklichen Zufällen. Ein guter Freund unserer Familie war Schiffskapitän. Nach seiner Emigration aus der Tschechoslowakei reiste er auf seinem Segelschiff kreuz und quer durch die Welt. Die Haufen von Fotos mit denen er uns versorgte waren für mich faszinierend. Immer wieder habe ich mir gesagt, wie schön es wäre, wenn ich auch irgendwohin in die Welt aufbrechen könnte."

Das war Janas Kindertraum. Genährt wurde er zusätzlich noch durch die Information, dass ihr Großvater als Arzt mit der 30köpfigen Crew des tschechoslowakischen Seeschiffes "Mir" zwei Jahre lang über die Weltmeere fuhr. Der erste Kontakt der künftigen Seefahrerin mit dem Element Wasser spielte sich aber nicht auf der See ab, sondern ...

"Als Kind in abgetragener Turnhose und den um den Hals umgehängten Wohnungsschlüssel spielte ich eine Seefahrerin auf meinem halbzerfallenen Floß, das ich auf dem Bach Botic hinter unserem Haus steuerte. Meine Sehnsucht nach Abenteuer war sehr groß. Wie jedes Kind las ich natürlich als "Pflichtlektüre" das Buch über Robinson Crusoe und verschiedene Reiseromane."

Von Kindheit an wuchs sie mit dem Gedanken, das Reisen sei die beste Art und Weise, wie man die Welt erleben und kennen lernen kann. Nach dem 3. Studienjahr brach sie im Sommer nach Spanien auf, um Spanisch sozusagen vor Ort zu lernen. Werktags besuchte sie eine Sprachschule. An einem Wochenende trat wieder ein Zufall in ihr Leben ein:

"Bei einer Bergtour an einem Wochenende hatte ich mich verlaufen und stieß auf zwei Männer. Der eine war aus Neuseeland, der andere aus England. Sie erzählten, dass sie als Matrosen in der Welt so rumfahren, indem sie sich für Regatten anheuern lassen. Das wäre nicht schlecht, dachte ich mir, und schon am nächsten Tag unternahm ich eine Radtour durch ein paar spanische Seehäfen auf Mallorca. Bei Kapitänen von kleineren Schiffen bot ich mich an, zum Beispiel den Fußboden an Deck zu schrubben oder die Segel zu reinigen oder etwas zu nähen usw."

Letztlich hat man Aufgaben für Jana Lehmanova gefunden. Sie fungierte zum Beispiel als Hilfskraft, die reparierte oder neue Schiffsteile von einer Werft in den Hafen transportierte, oder mit einem Meißel dicke Krustentierschichten von der Schiffsschraube (Schiffspropeller) entfernte. Sie scheute offenbar vor keiner Hilfsarbeit, bis sie endlich den ersten Job auf einem Schiff bekam. Es war vor sieben Jahren in Palma de Mallorca. Und auch dann galt für sie: Aller Anfang sei schwer.

"Ich musste den Deckfußboden schrubben genauso, wie man darüber in Büchern schreibt oder in Filmen sehen kann. Im Prinzip machte ich alles Mögliche: reinigte die Segel, kochte, arbeitete als Stewardess und später als erster Schiffssoffizier. Praktisch mit fast jeder Arbeit, die man auf einem Schiff machen kann, schlug ich mich durch."

Ihre Jobs änderten sich mit fast jedem Schiff auf dem Jana Lehmanova arbeitete. Gemeinsam mit ihrem ehemaligen australischen Freund war sie auch Ko-Schiffskapitän. Derzeit ist sie wiederum als Stewardess auf einem privaten Schiff tätig. Mit 60 m Länge ist es das längste Schiff, mit dem sie je beruflich verbunden war. Nach sieben Jahren Seeerfahrung kann sie gewissermaßen auch selbst entscheiden, auf welchem Seetransportmittel sie arbeiten wird.

"Bei der Wahl eines Schiffes entscheide ich auch ein bisschen nach meiner Lust, wohin ich fahren möchte und wo ich noch nie war. Ich schaue mir das Programm an, und wenn es mir zusagt, suche ich auch nach einer passenden Position und sage mir, O.K., das kann ich jetzt eine Weile machen und später wieder etwas anderes.".

Die Suche nach einem neuen Job sei heutzutage viel leichter, sagt Lehmanova. Dank dem Internet und schließlich auch dadurch, dass man nach mehreren Jahren in dem Metiers auch viele Leute kenne und Freunde habe, die einem gute Tipps geben. Sie hat aber von Anfang an auch über etwas sehr Wichtiges verfügt - die Sprachkenntnisse:

"Ich muss sagen, dass ich in dieser Richtung Glück hatte. Ein Teil unserer Familie ging schon vor vielen Jahren in die Emigration. Meine Kusinen und Cousins sind englischsprachig und leben in Übersee. Wenn sie uns wiederholt besucht haben, konnte ich mit ihnen auch Englisch sprechen. Besonders wichtig war für meine Sprachkenntnisse, dass ich mit 14 Jahren für ein Jahr nach Kanada und in die USA fuhr. Dort besuchte ich auch die Schule, und das hat mir, glaube ich, besonders geholfen."

Englisch und Spanisch sind außer Tschechisch ihre liebsten Fremdsprachen. Eine gute Voraussetzung, wenn man in die weite Welt zieht. Jana Lehmanova war aber auch ansonsten gut ausgestattet:

"Ich hatte vor nichts Angst. Ich bin von Natur her ein bisschen dickköpfig und zudem, was ich mir in den Kopf setze, finde ich schon irgendwie den Weg. Wissen Sie, ich hatte nichts zu verlieren. Ich war 21 Jahre alt, ohne Bindung, ledig, und habe mir damals gesagt: Jetzt brauche ich nur einen Ranzen voll Kuchen auf den Weg und ab die Post. Ich habe es gewagt und glaube, dass es absolut richtig war."

Dabei habe sie kaum gewusst, ob sie auch seekrank werden kann oder nicht. Wo hätte sie es ausprobieren können, auf der Moldau vielleicht? Es zeigte sich aber, dass Jana Lehmanova auch aus dieser Sicht Seefahrten ziemlich gut vertragen kann. Bis auf ein bisher wohl einziges absolut negatives Erlebnis:

"Das war bei einer Fahrt über den Indischen Ozean vor ungefähr drei Jahren. Als Crew wurden wir von einem englischen Schiffskapitän angeheuert und unser Auftrag war, ein funkelnagelneues Schiff, gebaut in einer holländischen Werft, von Athen nach Malaysien zu transportieren. Unsere Route führte über den Suez-Kanal und das Rote Meer. Unterwegs entlang der Küste von Somalia, Eritrea, Jemen oder weiter an den Malediven-Inseln haben wir an verschiedenen interessanten Orten Halt gemacht. Und dann gelangten wir in ein derart starkes Sturmgewitter, so dass wir den Militärhafen Gale auf Sri Lanka anlaufen mussten. Doch erst nach zwei schrecklichen Tagen auf hoher See entweder am Steuer oder am Fussboden, ohne zu trinken und zu essen. Man hat gebetet, dass alles gut geht. Dabei bekommt man schon Respekt vor dem Wasserelement."

Ja, in diesen Momenten denke man nur an eines: das bloße Leben zu retten. Doch dann sagt man sich: Ende gute alles gut. Das Leben geht weiter. Jana Lehmanova hat ein gutes Stück der Welt gesehen, möchte aber gerne noch China, Island und ein paar andere Ecken unseres Planeten entdecken:

"Je mehr man gesehen hat, umso stärker wird der Trieb, noch mehr zu sehen, noch mehr schöne Landschaften zu entdecken."

Eines schönen Tages, wird sie ihren Job an den Nagel hängen, sagt sie. Es werde dann passieren, sagt Jana, wenn ihr die Kreuzfahrten durch Weltmeere keinen Spaß mehr machen. Das kann man sich bei ihr kaum vorstellen. Für alle Fälle weiß sie aber schon jetzt ganz genau, was sie gerne machen möchte. Weiter reisen nämlich, auch auf dem Festland. Und außerdem:

"Ich möchte fotografieren und Filmdokumente drehen. Kurzfilme drehe ich schon jetzt mit meinem amerikanischen Freund. Schon jetzt, wenn ich nicht auf dem Schiff bin, nutze ich meine Freizeit zum Reisen und Fotografieren. Ich mache mir auch viele Reisenotizen, um irgendwann später ein Reisebuch zu schreiben."

Die Gründung einer Familie kann sich Jana Lehmanova durchaus vorstellen, unter einer Bedingung allerdings: Sie müsste einen Narren finden, der zu ihr passt. Dann könnte man sogar auch mit einem Kind durch die Meere fahren. Sie will auch ihr Heimatland, wenn möglich, mindestens einmal im Jahr besuchen. Ihre Zukunft verbindet sie jedoch nicht mit Tschechien. Für sie hat es einen ausschlaggebenden Nachteil: Es hat kein Meer. Und das Leben ohne Meer?

"Ein Leben ohne das Meer könnte ich mir kaum noch vorstellen. Reisen werde ich wahrscheinlich bis ans Ende meiner Lebenstage. Ich bin einfach ein Nomade und Globetrotter, den es immer wieder in die Welt treibt."