Janine Reinhard und Jan Ryjácek vom Deutsch-tschechischen Jugendforum

Janine Reinhard und Jan Ryjacek (Foto: Bara Prochazkova)
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In unserem Tagesecho haben wir bereits von der Bilanzkonferenz des Deutsch-tschechischen Jugendforums berichtet, die am Montagvormittag im Prager Goethe-Institut abgehalten wurde. Kurz vor dieser Veranstaltung hat Gerald Schubert die Sprecherin und den Sprecher des Jugendforums, Janine Reinhard und Jan Ryjácek, ins Studio von Radio Prag gebeten, um sich mit ihnen etwas ausführlicher über die Institution "Deutsch-tschechisches Jugendforum" und die Projekte der vergangenen Monate zu unterhalten. Hören Sie dazu die nun folgende Ausgabe unserer Sendereihe "Heute am Mikrophon":

Janine Reinhard und Jan Ryjacek  (Foto: Bara Prochazkova)
Was ist denn eigentlich das Deutsch-tschechische Jugendforum?

Jan Ryjácek: "Die Geschichte geht bis zur Deutsch-tschechischen Erklärung des Jahres 1997 zurück. Darin haben sich beide Staaten darauf geeinigt, dass ein bilaterales Diskussionsgremium entstehen soll - das Deutsch-tschechische Gesprächsforum. Vor ein paar Jahren hatten dann einige Leute das Gefühl, dass auch junge Menschen in diesen offiziellen Dialog einbezogen werden sollen. Und so hatten sie die Idee, ein Deutsch-tschechisches Jugendforum zu gründen."

Aus wie vielen Leuten besteht denn das Jugendforum? Kann sich da jeder einfach melden und mitmachen?

Janine Reinhard: "Mitmachen kann an sich jeder. Allerdings ist die Zahl auf zwanzig Deutsche und zwanzig Tschechen begrenzt, die alle zwei Jahre neu gewählt werden. Da kann sich dann wieder jeder zwischen 16 und 26 Jahren bewerben."

Und dann werden Ämter vergeben, es gibt einen Koordinator, und es gibt eben auch zwei Sprecher - einen auf der deutschen und einen auf der tschechischen Seite.

Jan Ryjácek: "Ganz genau."

Um die eher technischen Aspekte abzuschließen: Wie sieht es mit der Finanzierung aus? Ich nehme an, dass eure Projekte schon einen gewissen Finanzbedarf haben.

Jan Ryjácek: "Wir sind jetzt zwei unabhängige Vereine - einer auf der deutschen, einer auf der tschechischen Seite - und wir suchen als normale Bürgerinitiativen Unterstützung. Zu 50 Prozent werden wir aus dem Budget des Deutsch-tschechischen Zukunftsfonds finanziert. Die andere Hälfte teilen sich das deutsche Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das tschechische Schul- und Jugendministerium. Zu verschiedenen Projekten suchen wir natürlich auch projektorientierte Finanzierungsmöglichkeiten."

Auch von Privaten?

Jan Ryjácek: "Von Privaten, oder auch von parteinahen Stiftungen usw."

Sprechen wir doch über ein paar konkrete Projekte! Ich habe mir im Vorfeld drei ausgewählt, über die ich gerne reden würde. Zwei davon sind vielleicht gerade für junge Leute besonders interessant. Das eine ist ein Schulprojekt, wo es um die Förderung der Mobilität von Jugendlichen geht, das andere ist ein Aufruf gegen Studiengebühren.

Janine Reinhard: "Dem ersten Projekt liegt der Gedanke zugrunde, dass immer noch zu wenige Tschechen nach Deutschland gehen, um dort zu studieren oder ein Auslandsschuljahr zu absolvieren. Also sind einige unserer Mitglieder in über hundert tschechische Schulen gegangen und haben dort für den Schulbesuch oder das Studium in Deutschland geworben, haben versucht Ängste abzubauen und eine gewisse Organisationshilfe zu geben."

Und die Sache mit den Studiengebühren?

Janine Reinhard: "Ja, da muss ich gleich sagen: Es ist kein Aufruf gegen Studiengebühren. Aber: Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, dass Studiengebühren eingehoben werden dürfen, war es ein Aufruf an die Ministerpräsidenten jener Länder, die Studiengebühren einführen wollen, zu berücksichtigen, dass Studierende aus Mittel- und Osteuropa, besonders aus Tschechien, weniger finanzielle Mittel haben, diese Studiengebühren zu bezahlen, und daher in ein mögliches Kreditsystem mit aufgenommen werden sollten."

Also auch das steht im Zeichen der Förderung von Mobilität von Jugendlichen.

Janine Reinhard: "Genau. Damit das, was die Europäische Union zum Ziel hat, nämlich die Förderung des Austausches zwischen Jugendlichen, sich auch realisieren lässt und nicht an finanziellen Barrieren scheitert."

Jan Ryjácek: "Ich möchte noch zu dem ersten Projekt, zu den Veranstaltungen an den Schulen, etwas sagen: Ich habe selbst als Referent an drei solchen Veranstaltungen teilgenommen, und ich kann wirklich bestätigen: Das größte Hindernis für die Mobilität von Jugendlichen besteht in der Ungewissheit darüber, was wo wie abläuft, wo man sich informieren kann, wie die Umstände sind, etc. Man muss daher persönliche Erfahrungen nutzen, indem jemand in die Schule kommt, und sagt: Es ist gar nicht so kompliziert, wie man sich das vorstellt. Man kann das alles schaffen. Ich habe es geschafft, und meine Kollegen haben es auch geschafft! Das ist für die Leute an den Gymnasien ziemlich wichtig."

Mich würde noch das Projekt interessieren, das ihr "Deutsch-tschechischer Grenzraum" genannt habt. Da geht es um grenzüberschreitende Kontakte direkt in den grenznahen Regionen?

Janine Reinhard: "Ja, wir haben auch einige Mitglieder, die direkt aus dem Grenzgebiet kommen, und von denen ging die Initiative aus. Sie stellen die Frage: Wie sieht konkret die Kooperation im Grenzraum aus, was läuft zwischen den Nachbargemeinden in Deutschland und Tschechien ab? Dazu haben wir alle Bürgermeister im tschechisch-deutschen Grenzgebiet, es waren über tausend, befragt, welche Initiativen es gibt, welche Formen von Austausch stattfinden und was dabei die Probleme sind. 40 Prozent der Briefe sind zurückgekommen. Die größten Schwierigkeiten bestehen demnach in Sprachbarrieren und in finanziellen Problemen."

Beim Organisieren von gemeinsamen Projekten.

Janine Reinhard: "Genau. Also das heißt konkret, dass zum Beispiel die Fußballvereine von zwei Dörfern, die an der Grenze zehn Kilometer auseinander liegen, sich einmal treffen und gegeneinander spielen. Solche Initiativen gibt es, wie wir festgestellt haben, immer noch zu wenige."

Zum Abschluss noch zu euch persönlich: Jan, man kann hören, dass du sehr gut deutsch sprichst. Woher kommt denn deine Affinität zur deutschen Sprache, zu den deutschsprachigen Nachbarn? Woher kommt letztlich dein Engagement in diesem Bereich?

Jan Ryjácek: "Eigentlich entstand das Mitte der neunziger Jahre mehr durch Zufall. Ich bin für ein Auslandsjahr nach Deutschland, nach Bayern, gekommen und habe dort die zehnte Klasse absolviert. Dabei habe ich natürlich eine Beziehung zu dem Land, zur Sprache, zur Kultur aufgebaut. Nach dem Abitur habe ich dann internationale Studien studiert, natürlich in der Fachrichtung 'Deutsche und Österreichische Studien'."

Janine, wie sieht das bei dir aus? Welcher Weg hat dich zu den tschechischen Nachbarn geführt? Wie bist du hier im Deutsch-tschechischen Jugendforum gelandet?

Janine Reinhard: "Eigentlich ist es ein ziemlich weiter Weg. Ich komme ursprünglich aus Düsseldorf, also nicht aus dem Grenzraum. Und ich habe mit Tschechien auch keine familiären Beziehungen. Ich habe mich auf einer Klassenfahrt nach Prag in die Stadt verliebt, wenn man das so pathetisch sagen kann. Nach dem Abitur habe ich mich entschlossen, für einige Monate nach Prag zu gehen und habe dann sechs Monate bei der deutschsprachigen 'Prager Zeitung' ein Praktikum gemacht. Damit fing es an. Seitdem beschäftige ich mich im Verlauf meines ganzen Studiums mit Tschechien - und auch jetzt, im Rahmen meines Engagements."