„Jedna, zwei, tři…“ - tschechische und österreichische Kinder kennen in Drasenhofen keine Grenze

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Im niederösterreichischen Drasenhofen, ganz nah an der tschechischen Grenze, da gibt es einen Kindergarten, in dem die Grenzen schon völlig verschwunden sind. Dort üben sich tschechische und österreichische Kinder schon in ganz jungen Jahren in Internationalität und lernen die Sprache des anderen. Noch leichter ist das geworden, seit Tschechien Teil des Schengenraumes ist.

Drasenhofen  (Foto: Autor)
„Ich hab mir das früher auch nicht so vorstellen können, wie das geht und wie das ablaufen soll – aber es läuft sehr gut“, sagt Kindergartenleiterin Maria Madner. Sie selbst kann kein Tschechisch. Ein bisschen zählen vielleicht. Aber in ihrem Kindergarten im niederösterreichischen Drasenhofen, nur wenige Kilometer von der Grenze zu Tschechien entfernt, da lernen die österreichischen Kinder Tschechisch. Aber nicht nur das: Den Kindergarten besuchen auch täglich bis zu 16 Kinder aus Tschechien, aus der benachbarten Region um Mikulov / Nikolsburg. Und die lernen dann Deutsch. Und alle zusammen bekommen – damit es nicht zu einfach wird – auch noch Englischunterricht.

Das Land Niederösterreich bezahlt eine englische Muttersprachlerin und eine so genannte interkulturelle Mitarbeiterin aus Tschechien. Unter dem Unterricht mit den drei bis sechs Jahre alten Kindern darf man sich allerdings keine Büffelei vorstellen, wie Kindergartenleiterin Madner erklärt:

„Wir arbeiten mit Kleingruppen und die interkulturelle Mitarbeiterin Jitka, die fragt dann die Kinder, wer mit ihr in den Bewegungsraum gehen möchte. Und da macht sie mit den Kindern, die wollen, dann das auf Tschechisch, was wir auf Deutsch machen.“

Mikulov / Nikolausburg
Spielerisch wird hier gelernt. Da werden Bilderbücher beschrieben, da wird gesungen, da wird rauf und runter gezählt. Trotzdem ist gerade der Anfang für die tschechischen Kinder nicht leicht, wenn sie mit zweieinhalb oder drei Jahren zum ersten Mal in den österreichischen Kindergarten kommen.

„Der Anfang ist sicherlich sehr hart für die Kinder. Aber da haben wir die interkulturelle Mitarbeiterin, und es sind ja auch andere tschechische Kinder da, die sie immer verstehen. Also, sie können sich schon ausdrücken. Und das ist auch für die Kinder super: Sie lernen sich ohne Sprache zu verständigen. Das ist eine ganz große Erfahrung. Und sie haben vor nichts Angst.“

Aber schüchtern sind sie, die tschechischen Kinder. Der österreichische Lukas aber zeigt Stolz, dass er schon auf Tschechisch zählen kann.

Die Initiative zur Gründung des Kindergartens ging 1991 vom früheren Bürgermeister in Drasenhofen aus, als man mit dem tschechischen Mikulov eine Partnerschaft schloss. Die tschechische Seite fand den Gedanken eines österreichisch-tschechischen Kindergartens mit Englischunterricht gut. Und der niederösterreichische Landeshauptmann befand das Projekt für förderungswürdig:

„Und deshalb zahlen auch die tschechischen Kinder für die Vormittagsbetreuung im Kindergarten keinen Euro. Das ist also ein Entgegenkommen des Landes Niederösterreich für unsere Kinder. Wenn die gemeinsam in die Schule geht, dann haben die auch gemeinsame Interessen grenzüberschreitend in die Zukunft. Das finde ich eine tolle Sache“, sagt Josef Studeny, der Bürgermeister der Gemeinde Drasenhofen.

Kindergarten und Schule auf der anderen Seite der Grenze - eine lohnende Investition in die Zukunft. Vor allem was die späteren Sprachenkenntnisse der Kleinen betrifft. Das meinen auch die tschechischen Eltern. Denn in die Tasche greifen müssen sie schon, damit ihre Kinder täglich über die Grenze nach Österreich kommen. Sie haben selber einen kleinen Schulbus gechartert, der die bis zu 16 tschechischen Kinder alle der Reihe nach abholt und nach Drasenhofen bringt. Früher, bevor Tschechien dem Schengenraum beigetreten ist, war das mit der täglichen Grenzfahrt gar nicht unkompliziert, wie Bürgermeister Studeny erzählt:

„Früher – vor der Schengen-Erweiterung – hatten wir eine Sammelliste bei den Zollämtern in Drasenhofen und Nikolsburg hinterlegt. Wenn der Busfahrer mit der und der Nummer kam, mit dem und dem Ausweis und mit den und den Kindern - zack konnte er weiterfahren, ohne dass die einzelnen Kinder kontrolliert wurden. Das hatte ich als Bürgermeister ausgestellt. Eine so genannte Sammelbestätigung, dass die Kinder täglich den Kindergarten besuchen und wieder nach Hause fahren.“

Die Kindergartenplätze sind unter tschechischen Familien aus der Grenzregion heiß begehrt, meint Bürgermeister Studeny. Er merke das vor allem dann, wenn er drei Mal im Jahr eine Besprechung mit den Eltern einberufe.

„Einen so genannten Elternabend, wo also die Eltern schon den anderen Familien oder Müttern sagen: ´Ja, wenn mein Platz nächstes Jahr frei wird, dann hast Du die Möglichkeit´. Also ich kann die vielen Kinder, die kommen würden, gar nicht in den Kindergarten aufnehmen. Da wäre der Kindergarten zu klein.“

Und deshalb plant man in Drasenhofen und Nikolsburg eine Schul- bzw. eine Kinderlandwoche. Die komplette „Kindergartenbesatzung“ aus Drasenhofen geht für eine Woche auf die tschechische Seite nach Mikulov und die tschechischen Kinder werden eine Woche in Drasenhofen sein – Sprachaustausch nennt sich das.

Bürgermeister Studeny kann selbst manchmal kaum glauben, wie schnell die österreichischen Kinder Tschechisch lernen, wenn sie - früher mit drei und jetzt schon mit zweieinhalb Jahren - in den Kindergarten kommen.

Josef Studeny  (Foto: Autor)
„Die Kinder kommen in den Kindergarten und können kein Wort tschechisch und nach drei Monaten reden die perfekt. Nach drei Monaten! Das ist unglaublich! Was können wir den Kindern Besseres geben als diese grenzüberschreitende Verbindung.“

Kindergartenleiterin Maria Madner sieht das ganz ähnlich:

„Die Kinder schließen schon Freundschaften und das ist ja unser Ziel, dass die Kinder von klein auf über die Grenzen hinweg schauen, dass es überhaupt keine Grenzen gibt. Die besuchen sich schon, bleiben über Nacht bei den Freunden, feiern Feste gemeinsam, typisch tschechische Feste. Und diese Freundschaften halten sicher das ganze Leben.“

Das muss sich allerdings erst noch zeigen. Der Grundstein dafür, der ist in Drasenhofen und Mikulov / Nikolsburg immerhin gelegt worden.