Jiraseks Hronov

Bronzestatue von Alois Jirasek im Stadtpark, foto: Martint,  GNU Free Documentation License, Version 1.2

"Jiraseks Hronov". Seit 70 Jahren trägt ein Festival des Laientheaters diesen Namen, der an den bekannten Schriftsteller des 19. Jahrhunderts erinnert. Dieser Veranstaltung, die in diesem Jahr bereits zum 70. Male stattfand und an diesem Wochenende beendet wurde, wird die Kultursendung am 3. September gewidmet. Auch wir besuchen aber heute Jiraseks Hronov, nämlich die eigentliche Stadt in Ostböhmen, in der der tschechische Schriftsteller Alois Jirasek geboren wurde und die er in seinem literarischen Werk belebte. Alles Mögliche erinnert dort an diesen Dichter, der die beiden anderen Literaten, die ebenso aus Hronov stammen, nämlich Josef Capek und Egon Hostovsky, in den Schatten stellen. Man findet dort Jiraseks Theater, Jiraseks Geburtshaus, Jiraseks Statue, Jiraseks Grab und vieles mehr. Kein Wunder also, dass auch das traditionsreiche Theaterfestival in Hronov Jiraseks Namen trägt. Nun aber zur Besichtigung des Städtchens. Am Mirkophon begrüßen Sie Dagmar Keberlová und Markéta Maurová.

Die größte Dominante der Stadt bildet ohne Zweifel ihr Theater, das auf dem Stadtring in der Zwischenkriegszeit gebaut wurde. Auf dieses Gebäude sowie auf die Theatertradition werden wir aber später eingehen. Schauen wir uns nun auf dem Stadtring weiter um. Im Februar 1999 wurde neben dem Theater ein Gebäude eröffnet, in dem wir einen neuen Josef-Capek-Saal sowie ein Jirasek-Museum finden. Es widmet sich der Geschichte und Volkskunde der Hronov-Region sowie dem Leben und Werk von Alois Jirasek. Was kann man dort sehen? Interessante Sachen, die an Gestalten aus Jiraseks Romanen erinnern, ostböhmische Trachten, Weber- und landwirtschaftliche Geräte, die für das Leben in dieser Region von großer Bedeutung waren, oder eine Ausstellung, die an die Geschichte des lokalen Laientheaters erinnert.

Wenn man das Theater verlässt, kann man die barocke Marien-Säule in der Mitte des Stadtrings nicht übersehen. Sie stammt aus dem Jahre 1725 und wurde auf Kosten zweier Pfarrer aus dem nahen Skalice und Ponikla, Vaclav Klugar und Bedrich Korda errichtet. In jener Zeit war Hronov eher ein größeres Dorf. Der Ring war mit Unkraut bewachsen und von niedrigen Holzhäusern, oft mit einer Laube, gesäumt, vor der sich häufig Misthaufen oder Pfützen befanden, auf denen Kinder im Winter schlitterten. Als man jedoch mit der Idee kam, die Skulpturengruppe in der Mitte des Platzes zu errichten, versammelten sich alle Nachbarn und reinigten den Platz. Die Mariensäule stellte einen Stolz der Gemeinde dar, und so kann man sich nicht wundern, dass sie später auch auf dem Stadtwappen dargestellt wurde.

Nur sehr wenige Bauten erinnern heute an die ursprüngliche Gestalt der Stadt. Ein Gebäude davon ist das alte Knahl-Haus. Dort wohnte Antonin Knahl, ein Uhrenmeister, Musiker und vor allem Begründer des Theater-Vereins von Hronov.

Wenn wir die Straße überqueren, stehen wir gleich vor dem Geburtshaus des Schriftstellers Alois Jirasek. Das Häuschen stammt vom Ende des 18. Jahrhunderts und stellt ein schönes Beispiel der Volksarchitektur dar. Dort wirtschafteten seit 1778 Jiraseks Großvater, ein Schmied, sowie Jiraseks Vater, der Bäcker von Beruf war. In der Stube wurde am 23. 8. 1851 Alois Jirasek geboren, der dort seine Kinder- und Jugendjahre verbrachte. Das Haus hatte nur ein einziges Zimmer, eine Kammer und einen kleinen Anbau. In der großen Stube lebte und arbeitete man, dort befand sich auch das Bäckerwirkbrett. Im kleinen Nebenraum sieht man das Bäckergeschäft und die sog. schwarze Küche. Den kleinen Anbau bewohnte der junge Alois Jirasek, der dort auch seinen ersten Roman schrieb.

Bronzestatue von Alois Jirasek im Stadtpark,  foto: Martint,   GNU Free Documentation License,  Version 1.2
An das Haus schloss sich früher ein großer Obstgarten an, der heute als Park dient. Eine Rarität des Parks bilden zwei Mineralquellen - die Hronov-Quelle und die Regner-Quelle. Ihre Geschichte ist mehr als 130 Jahre alt. 1869 grub Jiraseks Vater dort, wo das Wasser entsprang. Daneben baute er einen Schuppen mit zwei Badewannen. Die Leute kamen, um dort zu baden, weil man bald erkannte, dass das Wasser eine Heilwirkung hat. Der spätere Besitzer baute ein einfaches Kurgebäude drum. Er besorgte sich ein Kessel, in dem das Wasser erwärmt wurde und errichtete fünf selbständige Kabinen. Im Laufe der Zeit zerfiel jedoch der Brunnen und das Bad verschwand. Erst im Zweiten Weltkrieg wurden die Quellen wiederentdeckt. Im August 1951 wurde anlässlich des 100. Geburtstages Alois Jirasek eine Bronzestatue im Park enthüllt.

Von dem Jirasek-Haus sieht man einen Glockenturm auf einem kleinen Hügel sowie die Aller-Heiligen-Kirche. Diese ursprünglich gotische Kirche stammt aus dem Jahre 1359, im 18. Jahrhundert wurde sie jedoch im Barockstil umgebaut. Hinter der nördlichen Mauer des alten Friedhofes in der Nähe der Kirche wurde 1970 der sog. Laientheater-Hain errichtet. Jedes Ensemble, das auf dem Festival auftrat, pflanzte dort einen symbolischen Baum.


Die Geschichte Hronovs ist in den letzten beiden Jahrhunderten mit der Geschichte des Theaters eng verbunden. Die erste historisch belegte Theatervorstellung in der Hronover Region fand im Jahre 1797 statt. Unter Herzog Petr von Kuron, einem großen Kunstliebhaber und Mäzen, wurde im Schlosstheater in Nachod die Oper Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart aufgeführt. In der Gegend gab es schon damals keinen Mangel an Leuten, die bereit waren, Theater zu spielen.

Die erste Laienvorstellung, die dank der Begeisterung des Hronover Bürgers Antonin Knahl und dessen Freunde realisiert wurde, war eine Komödie des böhmischen Dramatikers Jan Nepomuk Stepanek. Das Stück "Berauner Kolatschen" wurde 1826 in der alten Schule gespielt. Knahl und Stepanek waren während ihrer Studien in Prag dem Theater begegnet und später - ohne es zu ahnen - Begründer der Theatertradition geworden, die in Hronov bis heute gepflegt wird. Man spielte in Gaststätten, in Schulen, Tanzsälen aber auch unter freiem Himmel. Ende des 19. Jahrhunderts war die Zeit der Gründung verschiedener Vereine, die sich u.a. auch dem Theater widmeten.

Eine weitere Blütezeit des Theaters in Hronov brachte das Ende des Ersten Weltkriegs, mit dem die Begeisterung über die neuerworbene Freiheit Hand in Hand ging. Ende 1921 wurde auf einer Generalversammlung des Hronover Vereins der Entwurf behandelt, ein eigenes Theater zu bauen. Einige Tausend Anträge auf finanzielle Unterstützung wurden verschickt, eine Geldsammlung in der ganzen Tschechoslowakei organisiert, bei der symbolische Ziegel verkauft wurden. Jeder machte, was in seinen Kräften stand und was seine Möglichkeiten boten. Der Architekt Jindrich Freiwald hat zugesagt, ein Projekt ohne Anspruch auf Entlohnung zu erarbeiten. Im August 1924 wurde das Grundstück gekauft und im Mai 1925 eine Genossenschaft für den Aufbau des Jirasek-Theaters gegründet. Am 26. August 1928 wurde in der Anwesenheit von Alois Jirasek, Repräsentanten der Regierung, der Armee, der Hauptstadt Prag und weiterer Gäste der Grundstein feierlich gelegt. Die erste Vorstellung, nämlich die Inszenierung des berühmten dramatischen Märchens Lucerna (Die Laterne) von Alois Jirasek, fand im neuen Theater zwei Jahre später, am 23. 1930, statt.

Jirasek-Theater in Hronov
Bald zeigte sich, dass Hronov für ein so großes Theater eine zu kleine Stadt ist. Deswegen kam man auf die Idee, daraus ein "Nationaltheater" der böhmischen, mährischen und slowakischen Laientheaterspieler zu machen. Mehrere Fachleute beteiligten sich an der Verwirklichung der Idee, Hronov für eine Woche im Jahr in einen Treffpunkt der Laientheatermacher zu verwandeln. Die wichtigsten unter ihnen waren der Projektant des Jirasek-Theaters, der Architekt Jindrich Freiwald, der Hronover Arzt Rudolf Kudrnac und der Obmann des Jirasek-Gaus und der Laienregisseur Max Lederer. Das erste Festival "Jiraseks Hronov" wurde gleich im darauffolgenden Jahr 1931 veranstaltet und hatte gleich mehrere Stücke von Jirasek im Repertoir. Max Lederer schrieb nach dem Ende des Festivals die Worte, die als Leitfaden für die darauffolgenden Jahrgänge dienten:

"Wir sollen uns in der Zukunft weder auf das Werk von Jirasek, noch ausschließlich auf die dramatische Kunst binden. Alle tschechischen Dramatiker können hier zu Wort kommen, und alle Kunstbereiche können hier die Kulturkraft, die Nationalkraft schmieden. Die Musik, Malerei, Bildhauerkunst, das bürgerliche Trauerspiel und das Lustspiel können und sollen hier alljährlich vortreten und sich in ihrer Gipfeläußerung zeigen. Diese Tat ist ein Anfang dieses Versuchs. Von ihrem Ergebnis wird es abhängen, wie und von wem weitere "Jiraseks Hronovs" veranstaltet werden."


Die Tatsache, dass "Jiraseks Hronov" in diesem Jahr zum 70. Male stattfand, zeigt, dass die Tradition ihre Wurzeln wirklich geschlagen hat und hoffentlich auch weiter gepflegt wird.