Joschka Fischer in Prag - Absage an erneute Benes-Diskussion
Am Beginn unseres heutigen Tagesechos kommen wir noch einmal zurück zum Prag Besuch des deutschen Außenministers Joschka Fischer am vergangenen Freitag. Gerald Schubert war dabei und fasst die wichtigsten Aspekte der Arbeitsvisite nochmals zusammen:
"Nicht das Vergessen, nicht das Sich-gefangen-nehmen-Lassen, sondern dieser - wie ich finde - sehr weise Weg, den beide Seiten mit der Deutsch-tschechischen Erklärung eingeschlagen haben: das ist das, woran wir uns orientieren."
Die genannte Erklärung, die eben genau dies zum Inhalt hat - nämlich die Vergangenheit nicht zu vergessen und dennoch gemeinsam in die Zukunft zu blicken - diese Erklärung hat in der Tat schon des Öfteren einen sicheren Haltegriff für diplomatische Rhetorik bedeutet. Das Problem dabei: Wenn dieser Haltegriff öfter als sonst bemüht wird, dann liegt die Vermutung nahe, dass es auf der Fahrt ins gemeinsame Europa gerade wieder mal ein wenig ruckelt. Derzeit ist dafür in erster Linie ein Gesetz verantwortlich, das vorige Woche vom tschechischen Abgeordnetenhaus verabschiedet wurde, und das die Verdienste des ehemaligen Präsidenten Edvard Benes hervorhebt. Jenes Benes also, mit dem die Meisten vor allem die gleichnamigen Dekrete und die Behandlung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg in Verbindung bringen.Kann dieses Gesetz also die tschechisch-deutschen Beziehungen belasten? Auf Regierungsebene will man davon nichts wissen. Joschka Fischer verweist wie gesagt auf die Deutsch-tschechische Erklärung, und auch sein tschechischer Amtskollege Cyril Svoboda meint:
"Da müssten die Beziehungen schon in einem erbärmlichen Zustand sein, wenn der Beschluss dieses Gesetzes sie gefährden sollte", so Svoboda. Was den Blick in die Zukunft betrifft, jene Richtung also, in die beide Regierungen viel lieber schauen als in die Vergangenheit, so hatte man am Freitag jedoch noch ein anderes Argument parat. Eines, das nicht aus der trockenen Materie einer bilateralen Erklärung kommt, sondern aus dem unmittelbar erfahrbaren Leben. Denn wie Radio Prag bereits berichtet hat, haben ja beide Minister am Vormittag den Neubau der Deutschen Schule in Prag feierlich eröffnet. Joschka Fischer:
"Nie war ich über die deutsch-tschechischen Beziehungen optimistischer, als heute morgen in der Schule."
Und auch Premierminister Vladimir Spidla, mit dem Fischer vor seiner Abreise noch zu Gesprächen zusammentraf, meinte:
"Wir haben uns heute mit Fragen der Zukunft Europas befasst, mit Fragen der internationalen Politik. Der Besuch in der Schule hat gezeigt: Wichtig ist die Zukunft. Und ich würde sagen: Sowohl für die Politik als auch für das Leben überhaupt ist sie das wichtigste."