Jüdisches Museum Prag hilft bei Vernetzung der Holocaust-Archive
Wer 65 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs über den Holocaust forscht, muss immer noch häufig etliche Hindernisse überwinden. Ein Beispiel: Wichtiges historisches Material zum KZ Theresienstadt befindet sich an vier Orten in Tschechien und Israel. Ein von der EU gefördertes Projekt soll nun die Zusammenarbeit der Archive und anderer Institutionen verbessern. So könnte der Archivbestand zu Theresienstadt dann im Internet einsehrbar und teils auch digitalisiert werden.
„Europäische Infrastruktur für die Holocaust-Forschung“ heißt das Projekt, das vorige Woche in Brüssel gestartet wurde. Beteiligt daran sind etwa 20 Institute, Archive und Museen aus Europa und Israel. Da sich der Holocaust in ganz Europa abgespielt hatte, soll eine gesamteuropäische Methode für die Vernetzung der Archive ausgearbeitet werden. Michal Frankl leitet die Abteilung „Geschichte der Shoah“ im Prager Jüdischen Museum. Er war bei der Eröffnung des Projekts in Brüssel mit dabei:„Das Jüdische Museum Prag hat von Anfang zu einer kleinen Gruppe von etwa sechs Institutionen gehört, die das Projekt ins Leben gerufen haben. Die Holocaust-Akten sind viel stärker in der ganzen Welt zerstreut als Dokumente zu anderen Themen. Jeder Forscher, der an einem Holocaust-Thema arbeitet, muss in der Regel viele Archive besuchen. Dies ist teuer und nimmt zudem viel Zeit in Anspruch. Wir bereiten bestimmte archivarische Findmittel vor, die Dokumente zusammenfügen werden, die in verschiedenen Archiven aufbewahrt werden. Als ein Beispiel können die Dokumente über das Ghetto Theresienstadt dienen. Dokumente zu Theresienstadt befinden sich heutzutage in Prag, in Theresienstadt, in Yad Vashem in Jerusalem, aber auch in Beit Theresienstadt in Israel. Zudem gibt es Dokumente aus Theresienstadt in zahlreichen kleineren Sammlungen.“Über das Archivmaterial entsteht nun laut Frankl eine einzigartige digitale Datensammlung. Sie soll nicht nur über den Inhalt der einzelnen Archivsammlungen informieren, sondern auch die Dokumente mit Informationen über die Opfer der Shoah verbinden. Die Dokumente sollen digitalisiert werden und dann online zugänglich sein. Das Jüdische Museum Prag leitet die Arbeitsgruppe, die den Internet-Führer durch die Archive und Sammlungen ausarbeiten wird. Kann künftig jeder Interessent diese internationale Infrastruktur nutzen?„Wir arbeiten mit einem sehr demokratischen Begriff des Forschers. Für uns ist ein Forscher auch ein Schüler, der eine Schularbeit vorbereitet, oder ein Genealoge, der nach dem Schicksal einer Familie sucht. Das Projekt wird jetzt vier Jahre lang laufen. Ich hoffe jedoch, dass eine bleibende Struktur entsteht und dass wir auch nach dem Ende der Finanzierung von der EU weitere Möglichkeiten finden, um zusammenzuarbeiten.“
Der virtuelle Führer durch die Archive zu Theresienstadt soll als Muster dienen für weitere Archivführer durch andere Sammlungen.