Jugend als Opfer: Aufklärung gegen Gefahr im Netz
Eine neue Studie zeichnet ein erschreckendes Bild: Kinder und Jugendliche sollen in Tschechien besonders anfällig sein für sexuelle Übergriffe im Netz. Experten warnen aber vor Schwarzmalerei und fordern mehr Aufmerksamkeit von den Eltern.
Wie nah Chalupová und Klusák an der Realität sind, zeigt die neue europaweite Studie „EU Kids Online 2020“. Dabei sollte in 19 Ländern der EU festgestellt werden, wie sich Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 16 Jahren im Internet verhalten. Dabei kam heraus, dass rund 34 Prozent der Heranwachsenden hierzulande bereits Erfahrungen gemacht haben mit sexuellen Avancen in Chats und sozialen Netzwerken. Das ist der zweithöchste Wert in der EU nach Belgien. Doch müsse man die hohe Zahl mit Vorsicht genießen, so der Informatiker David Šmahel von der Brünner Masaryk-Universität. Denn nicht immer habe es sich dabei um Übergriffe gehandelt, erläutert der Koordinator der Umfrage für Tschechien:
„Diese 34 Prozent betreffen vor allem Textnachrichten mit sexuellem Inhalt. Bild- oder Videonachrichten waren ein weiterer Punkt, nach dem wir gefragt haben. Da war das Ergebnis ebenfalls relativ hoch. Man kann die Werte aber nicht rein negativ auffassen. Denn in der Zahl miteinbegriffen sind auch 15- und 16-Jährige, die bereits Partner haben und mit entsprechenden Online-Inhalten ihre eigene Sexualität entwickeln. Man muss generell unterscheiden zwischen gewollten und ungewollten Nachrichten. Und da sollten wir mit unseren Untersuchungen noch ins Detail gehen.“Nichtsdestotrotz fordert der Experte einen anderen Umgang mit dem Surfverhalten der Kinder im Netz. Denn sexuelle Übergriffe oder Cybermobbing sind generell ein Problem hierzulande. David Šmahel sieht deshalb vor allem die Eltern in der Pflicht, wie er gegenüber den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks darlegt:
„Eltern müssen sich mit ihren Kindern über das Problem unterhalten und Interesse daran zeigen. Verbote allein reichen nicht, es muss eher zu einer Mediation kommen. Das bedeutet, dass man sich vom Nachwuchs alles erklären lassen sollte oder die sozialen Medien gemeinsam nutzt. Die Eltern sollten eine Vorstellung haben vom Online-Verhalten ihrer Kinder und sie über bestimmte Risiken aufklären. Falls die Jugendlichen schon in Schwierigkeiten geraten sind, muss man ihnen dabei helfen, da wieder herauszukommen.“Šmahel rät, so früh wie möglich mit der Aufklärung anzufangen, am besten schon ab dem ersten Smartphone.
Die Politik hat das Problem auch bereits erkannt, und das Innenministerium hat unter anderem die Initiative „Tvoje cesta onlinem“ (Dein Weg online) ins Leben gerufen. In einem Werbevideo geht es ebenso wie in Chalupovás und Klusáks Film um den Leidensweg eines fiktiven Mädchens:
„Jana war eine ganz gewöhnliche Fünftklässlerin, die von ihrer Großmutter auf dem Land großgezogen wurde. Anders als ihre Mitschüler, die alle schon Erfahrungen mit der Liebe gemacht hatten, war Jana noch ein Kind und voller Vertrauen in das Gute des Menschen. Sie konnte nicht mit dem Computer umgehen und bat deshalb ihre Freundinnen um Hilfe, als sie sich ein Profil in den sozialen Netzwerken zulegen wollte.“Der weitere Verlauf wird für Jana dann zum Martyrium. Ihre angeblichen Freundinnen stellen später gefälschte Nacktfotos von Jana ins Netz und sie gerät in eine Spirale des Cybermobbings. Bei der Polizei ist Ondřej Moravčík für die Kampagne zuständig. Er erklärt, wie man die Jugendlichen aufklären will über die Gefahren im Netz:
„Das Ziel der polizeilichen Prävention ist es, insbesondere Kindern zu zeigen, wie leicht sie in sozialen Netzwerken manipuliert werden können. Wir gehen dabei von realen Fällen aus. In einer Art Erlebnispädagogik arbeiten wir mit realen Beispielen, in denen Kinder Opfer von sogenannten ‚Raubtieren‘ geworden sind.“
Übrigens ist die Cyberkriminalität in Tschechien insgesamt massiv gestiegen. Dazu hat das Innenministerium Anfang der Woche Zahlen präsentiert. Demnach hat die Polizei hierzulande im vergangenen Jahr fast 8500 Cyberdelikte registriert. Im Jahr 2011 waren es nur 1500 registrierte Internetstraftaten gewesen.