Juli 1939 im Protektorat – „Ein Kampf um Sein oder Nicht-Sein“
Es waren schwierige Zeiten für das tschechische Volk im Sommer 1939. Seit dem März des Jahres war ihr Land besetzt von Hitler-Deutschland. In dieser Ausnahmesituation richtete sich der damalige Oberbürgermeister Prags, Otakar Klapka, am 1. Juli 1939, vor genau 70 Jahren, in einer Radio-Ansprache an das tschechische Volk.
„Ich weiß, dass alle Tschechen Prag lieben. Aber ich weiß auch, dass viele von ihnen über Prag schimpfen.“
Ohne große Umschweife kommt der Prager Oberbürgermeister Otakar Klapka zur Sache. Seine Zielgruppe sind diesmal, am 1. Juli 1939, nicht die Bürger seiner Stadt, sondern vor allem die Tschechen aus der Provinz. Die aber schauen traditionell durchaus argwöhnisch auf ihre Hauptstadt Prag. In den Augen der Landbevölkerung sei Prag schon immer als Stadt des bequemen Lebens und des Vergnügens verschrien worden, führt Klapka aus. Das Vorurteil weist er selbstverständlich zurück:
„Viele dieser Menschen würden gerne darauf verzichten, was die Großstadt bietet, und - wenn es ihnen das Schicksal ermöglicht - zum Leben auf dem Land zurückzukehren, zum Herz der Natur, um inmitten grüner Felder und rauschender Wälder ein ruhiges Leben zu verbringen, ungestört von dem Getöse und dem Rauschen der Großstadt. Aber jeder von uns muss seine Aufgabe dort erfüllen, wohin ihn das Schicksal verschlagen hat. Und gerade jetzt, wo wir einen hektischen Verlauf der globalen Ereignisse erleben, erlangt unsere Hauptstadt eine entscheidende Bedeutung für das ganze Leben unserer Nation.“
Die globalen Ereignisse hatten das tschechische Volk längst erreicht. Unter müdem Protest der Alliierten hatte Hitler-Deutschland im März 1939 Böhmen und Mähren besetzt und ein Reichsprotektorat ausgerufen. Es wurde eine Marionetten-Regierung unter Emil Hácha eingesetzt. Amt und Würdenträger wie Otakar Klapka, der als Prager Oberbürgermeister mit der Pseudoregierung Háchas zusammenarbeitete, wurden von vielen als Kollaborateure verachtet. Die Motivation sich mit den Nazis gut zu stellen, geschah jedoch vielfach, um zu versuchen die Auswirkungen der Besatzung auf das Alltagsleben so gering wie möglich zu halten.„Wir Tschechen sind im Herzen Europas, bei uns kommt es zu einer Begegnung der Weltanschauungen. Diese ruhmreiche aber zugleich schwere Position hat auch unsere Hauptstadt, wo wir angestrengt kämpfen und rackern, damit die Lebenskraft unserer Nation erhalten bleibt, und damit die guten Eigenschaften unseres Volkes dauerhaft angeregt bleiben“, so Klapka. Sein Pathos war keineswegs übertrieben. Denn das Ziel der Besatzer war letztendlich die Auslöschung des tschechischen Volkes:„Gerade in Prag sehen wir klar, dass das Leben der Nation und seiner Individuen einen ständigen und entschlossenen Kampf um Sein oder Nicht-Sein bedeutet.“
In diesem Kampf gehe es darum, die Kräfte zu bündeln. Rivalitäten und Neid solle man beiseite lassen, meint Klapka, und beschwört die Einheit der Nation:
„Auch in dieser Zeit großer Schicksale ist es notwendig, dass Ihr Euch uns, der Hauptstadt anschließt, damit wir mit Vertrauen und Überzeugung für die ganze Nation kämpfen können, die wir so lieben.“
Den Kampf im Mai 1945, in dem die Tschechoslowakei wieder von den Nazis befreit wurde, erlebte der vermeintliche Kollaborateur Klapka nicht mehr. Schon im Mai 1940 flog seine finanzielle und logistische Unterstützung des Widerstandes gegen die Besatzer auf. Er wurde zum Tode verurteilt und im Oktober 1941 hingerichtet.