Junge tschechische Löwen sorgen beim Channel One Cup für Furore

Foto: ČTK

Der Channel One Cup ist das älteste Turnier der Euro Hockey Tour. Man kann die Tour getrost als inoffizielle Europameisterschaft im Eishockey bezeichnen. Der Cup wird stets in der Woche vor Weihnachten ausgetragen, und nach Gastgeber Russland das zweiterfolgreichste Team des Turniers ist die tschechische Nationalmannschaft. Unter dem neuen Trainer Vladimír Vůjtek hat Tschechien das Turnier am Sonntag zum fünften Mal gewonnen, zusammen mit den vier Siegen der Tschechoslowakei ist es der neunte Triumph.

Tschechien - Finnland  (Foto: ČTK)
Unverhofft kommt oft: Diese Binsenweisheit trifft ein weiteres Mal auf das tschechische Eishockey-Nationalteam zu. Zum diesjährigen Channel One Cup schickte der im Frühjahr neuverpflichtete Trainer Vladimír Vůjtek eine relativ junge, unerfahrene Truppe ins Rennen. Den von ihm nominierten Kader musste er zudem noch auf vier Positionen umstellen, da ein Quartett der Arrivierten kurzfristig seine Teilnahme am Turnier absagte. Diejenigen, die dann in den tschechischen Farben aufs Eis liefen, aber machten ihre Sache umso besser. Nach der etwas ernüchternden 0:3-Niederlage vor eigenem Publikum in Prag gegen Finnland steigerten sich die Mannen um Neu-Kapitän Jan Kovář dann zusehends, so dass neben den Siegen gegen Schweden (3:1) und Russland (4:2) in Moskau auch noch der kaum für möglich gehaltene Turniersieg heraussprang. Doch der Reihe nach.

Das Moskauer Eishockeyturnier hieß nicht immer Channel One Cup, hat aber eine lange Tradition. Sie geht bis auf das Jahr 1967 zur zurück, als die Veranstaltung aus der Taufe gehoben wurde. Der Anlass dazu war der 50. Jahrestag der Oktoberrevolution, der im November 1967 begangen wurde. Das Turnier wurde nach einem führenden sowjetischen Blatt benannt, man spielte jahrelang um den Pokal der Zeitung Iswestija. Nach der politischen Wende 1989, die auch den Zerfall der ehemaligen Sowjetunion nach sich zog, musste sich auch das Moskauer Eishockeyturnier neu aufstellen. Nach einjähriger Auszeit (1991) wurde es ab 1997 als Baltica Cup und später als Rosno Cup und Channel One Cup weitergeführt. Trotz zwischenzeitlichen organisatorischen Problemen – eines hat das Dezember-Turnier an der Moskva eigentlich immer gehabt: eine hohe sportliche Qualität. Das bestätigte auch Tschechiens ehemaliger Nationaltrainer Vladimír Růžička nach dem Turnier im Jahr 2009:

Vladimír Růžička  (links). Foto: Tomáš Adamec,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Diese Konfrontation ist hervorragend. Es waren schwere Spiele, die wir zu bestreiten hatten, doch die Mannschaft hat den Test bestanden. Wir haben dabei nicht so viel Wert gelegt auf die Platzierung, sondern vielmehr auf unsere Spielweise. Und ich muss sagen: Mit dem, was die Spieler auf dem Eis gezeigt haben, bin ich maximal zufrieden.“

Vor sechs Jahren belegte Tschechien hinter Finnland und Russland den dritten Platz in dem Turnier, dessen dauerhaft vierter Teilnehmer Schweden ist. Vor zwei Jahren wurde der Channel One Cup ausnahmsweise im südrussischen Sotschi ausgespielt, als Generalprobe für die nachfolgenden Olympischen Winterspiele in der Schwarzmeerstadt. Růžičkas Nachfolger im Traineramt, der charismatische Alois Hadamczik, nahm so auch andere Dinge näher unter die Lupe:

Alois Hadamczik  (Foto: Miraceti,  Wikimedia Commons,  License CC BY-SA 3.0)
„Dort schläft man jetzt nicht mehr in Holzbetten, die Hotels in Sotschi sind neu und modern. Und, mit Verlaub gesagt, das Land ist auch nicht mehr ein solcher Polizeistaat, wie er es früher war. Man spürt nicht mehr die Leute im Nacken, die ständig aufgeschrieben haben, wohin man ging, wann man zurückkam oder wie lange man auf der Toilette war. Und man muss auch nicht mehr Tennisschuhe der Marken Nike oder Puma ausziehen und abgeben.“

Auch nach dem Abpfiff der letzten Partie war Hadamczik gutgelaunt: Seine Mannschaft hatte das Turnier von 2013 gewonnen. Solche Hoffnungen hegte der aktuelle Nationalcoach, Vladimír Vůjtek senior, zwar nicht vor der diesjährigen Auflage, doch der 68-Jährige war voller Erwartung auf seine Rückkehr in das Riesenreich. In Russland feierte er nämlich seine größten Erfolge als Trainer, 2002 und 2003 wurde er mit Lokomotive Jaroslawl jeweils russischer Meister.

Vladimír Vůjtek  (Foto: ČTK)
„Ich reise gern nach Russland, denn ich habe dort viele Freunde. Zudem sind die Russen eine Eishockey-Großmacht, von daher freue ich mich auf das Turnier.“

Die Vorfreude von Vůjtek wurde indes etwas getrübt. Der Grund dafür waren die vier Absagen, die er im Vorfeld des Turniers erhielt. Zu denjenigen, die wegen Erkrankung oder Verletzung aus dem Kader fielen, gehörte unter anderem der derzeit produktivste Spieler der tschechischen Extraliga, Roman Červenka, vom Verein Piráti Chomutov. Chefcoach Vůjtek aber nahm die Hiobsbotschaften ziemlich gelassen hin:

Richard Jarůšek  (Mitte). Foto: ČTK
„Ich zerbreche mir deswegen nicht den Kopf. Ich bekam schon früh Signale, dass Sobotka, Červenka und weitere erfahrene Akteure eventuell nicht kommen werden. Einige von ihnen sollten die Führungsspieler im Team sein. Auf der anderen Seite ist die neue Situation eine Chance für andere Spieler, auf sich aufmerksam zu machen.“

Zu den von Vůjtek daraufhin auserkorenen Ersatzspielern gehörten mit Richard Jarůšek und Tomáš Urban vom BK Mladá Boleslav zwei absolute Neulinge, die zusammen mit Jan Rutta vom Klub Piráti Chomutov beim Channel One Cup ihr nationales Debüt gaben. Nicht so sehr an der Unerfahrenheit der Neuen, sondern vielmehr an der eklatanten Abschlussschwäche aber lag es, dass die Tschechen zum Turnierauftakt vor eigenem Publikum in der vollbesetzten Prager O2-Arena gegen Finnland mit 0:3 den Kürzeren zogen. Ein Ergebnis also, das wenig Mut machte. Umso erstaunlicher war dann, welch starken Auftritt die jungen „Löwen“ in ihrem zweiten Duell mit Schweden in Moskau hinlegten. Gegen die favorisierten „Tre Kronors“ gewannen sie 3:1. Zum Sieg steuerte auch Tomáš Filippi einen Treffer bei. Der 23-jährige Angreifer verriet anschließend, was er und seine Teamkollegen diesmal besser gemacht hatten:

Tomáš Filippi  (links). Foto: ČTK
„Wir mussten den Druck auf das Tor erhöhen. Das ist uns dadurch gelungen, dass sich stets einer unserer Spieler in der Nähe des gegnerischen Tors aufhielt. Heutzutage fallen die meisten Treffer nicht mehr nach Kombinationen, sondern nach Torschüssen, die zwar abgewehrt werden, doch den jeweiligen Abpraller muss dann jemand anderes versenken, der direkt vorm Kasten steht. Wir haben heute also einfacher und gradliniger gespielt.“

Eine erneut exzellente Vorstellung zeigten die Vůjtek-Schützlinge dann auch in ihrer abschließenden Begegnung am Sonntag mit Russland. Sie besiegten die Gastgeber mit 4:2. Den letzten Treffer in diesem Spiel markierte Richard Jarůšek. Es war sein erster im Nationaltrikot. Der Turnierneuling freute sich aber noch mehr über den großen Erfolg der Mannschaft:

Tschechien - Russland  (Foto: ČTK)
„Es war gut, dass wir 1:0 in Führung gegangen sind. Danach aber wogte das Spiel hin und her, nach dem 2:1 der Russen konnten wir es wieder zu unseren Gunsten drehen. Wir haben der Schlussoffensive der Russen getrotzt, und ich bin froh, dass wir diesen Sieg als Team erkämpft haben. Das macht ihn besonders wertvoll.“

Voll des Lobes über seine Mannschaft war natürlich auch Trainer Vůjtek:

Tomáš Vincour  (Foto: ČTK)
„Ich stufe das Turnier als sehr positiv für uns ein. Auch gegen die Finnen waren wir nicht das schlechtere Team, nur vor deren Tor konnten wir uns nicht durchsetzen. Hier in Moskau aber hat unser Team eigentlich über seinen Möglichkeiten gespielt.“

Neben dem Turniersieg und der Erkenntnis, dass man hierzulande in naher Zukunft auch verstärkt auf junge, nachdrängende Spieler setzen kann, durfte sich ein Tscheche noch besonders freuen: Tomáš Vincour wurde von den Veranstaltern zum besten Stürmer des Turniers gewählt.


Tschechiens Eishockey-Nachwuchs will wieder an bessere Tage anknüpfen

Eishockey-Nachwuchs  (Foto: YouTube Kanal von IIHF)
Um auch weiterhin mit der Weltspitze mithalten zu können, bemüht man sich in Tschechien schon seit geraumer Zeit, die Nachwuchsarbeit zu aktivieren und zu fördern. Durch die tolle diesjährige WM im eigenen Land hat der nationale Eishockeyverband (ČSLH) zudem einen Rekordgewinn erzielt, von dem er einen Großteil sogleich in den Nachwuchs gesteckt hat. Sichtbare Erfolge waren aber in den zurückliegenden Jahren noch nicht zu sehen. Bei der Nachwuchs-WM für Spieler bis 20 Jahre hat Tschechien zum letzten Male vor elf Jahren, im Januar 2005, eine Medaille geholt. Es war die bronzene. Die einzigen zwei WM-Titel der tschechischen Junioren gehen sogar bis auf die Jahre 2000 und 2001 zurück. In wenigen Tagen, wenn die U20-WM in Helsinki beginnt, nimmt man nun einen neuen Anlauf. Slavomír Lener ist der Cheftrainer beim tschechischen Eishockeyverband. Er sagt, weshalb sich gerade vor dieser WM die Chancen für den tschechischen Nachwuchs auf einen Erfolg erhöht haben:

Slavomír Lener  (Foto: Archiv des Tschechischen Eishockeyverbandes)
„Zwischen dem Internationalen Eishockeyverband (IIHF) und den Verbänden in Übersee gibt es eine Vereinbarung zur Abstellung von U20-Nationalspielern. Die größte Zahl unserer Cracks spielt gerade in den kanadischen Juniorenligen, von daher gibt uns dieses Abkommen die Garantie, dass diese Spieler für die WM abgestellt werden müssen.“

Zudem gewinne die U20-WM immer mehr an Bedeutung, ergänzt Lener. Der Grund sei der, dass die Leistungsschau der weltbesten Nachwuchsspieler besonders für die Kanadier und Amerikaner immer prestigeträchtiger wird. Gerade in Übersee wird sie vor dem Fernsehen wesentlich mehr verfolgt als die WM der Profis jedes Jahr im Mai. Ein Grund mehr also auch für die jungen Tschechen, dass sie endlich wieder zeigen, wie man von einem großen Turnier etwas Zählbares mit nach Hause bringt.

Autor: Lothar Martin
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