Juves Vizepräsident Nedvěd spürt Aufwind im tschechischen Fußball

Pavel Nedvěd

Die tschechische Fußball-Nationalmannschaft hat in der letzten Woche zwei Spiele gewonnen. Die Gegner allerdings waren Litauen und San Marino. Und dennoch: Neun erzielte Tore sind eine deutliche Verbesserung zur jüngeren Vergangenheit. Ein Großer seines Fachs, der ehemalige Juventus-Spieler Pavel Nedvěd, sieht aber auch aus anderen Gründen den tschechischen Fußball mittlerweile wieder im Aufwind.

Pavel Nedvěd | Foto: Ondřej Tomšů,  Radio Prague International
Die tschechische Fußball-Nationalmannschaft hat ihr fünftes Qualifikationsspiel zur Weltmeisterschaft 2018 am Sonntag in San Marino klar mit 6:0 gewonnen. Dadurch rückten die Schützlinge von Trainer Karel Jarolím in der Gruppe C mit nunmehr acht Punkten auf den dritten Tabellenplatz vor. Die auf Platz zwei liegenden Nordiren haben zwei Zähler mehr. Dieser zweite Rang hinter dem turmhoch führenden Team aus Deutschland ist letztlich auch das große Ziel für die drei Mannschaften hinter dem WM-Titelverteidiger. Denn er eröffnet die Chance auf die Relegation, bei der die verbleibenden Tickets für das WM-Turnier in Russland vergeben werden. Die acht besten Gruppenzweiten unter den neun Gruppen spielen dort die restlichen vier Plätze aus. Tschechiens einstiger Mittelfeldstar Pavel Nedvěd fordert daher, diese Relegation auch anzusteuern:

Karel Jarolím  (Foto: ČTK)
„Solange eine Chance besteht, und wenn sie noch so klein ist, muss man darum kämpfen. In unserer Gruppe gibt es einen klaren Favoriten, doch dahinter halte ich die Konkurrenz – mit Ausnahme von San Marino – für sehr ausgeglichen. Man muss die Gelegenheit also beim Schopfe packen und für das Ziel kämpfen.“

Bei der Erfüllung dieser Zielsetzung kann Trainer Jarolím mittlerweile auch auf drei Italien-Legionäre setzen: auf Ladislav Krejčí, Jakub Jankto und Patrik Schick. Als heutiger Vizepräsident des italienischen Rekordmeisters Juventus Turin bekommt Nedvěd die noch jungen Spieler in der Serie A wiederholt zu sehen. Der 44-Jährige hält große Stücke auf das Trio:

„Alle drei zeigen hervorragende Leistungen, sowohl Krejčí in Bologna, wie auch Schick bei Sampdoria und Jankto in Udine. Sie haben sich dort sehr gut entwickelt. Ich bin zudem der Meinung: Es muss nicht dabei bleiben, dass sie in diesen Clubs spielen. Sie können durchaus zu einer noch weit größeren Karriere durchstarten.“

Pavel Nedvěd: „Alle drei Spieler zeigen hervorragende Leistungen, sowohl Krejčí in Bologna, wie auch Schick bei Sampdoria und Jankto in Udine. Sie haben sich dort sehr gut entwickelt.“

Pavel Nedvěd gehört neben Josef Masopust, der leider schon verstorben ist, zu den besten Spielern, die in der Tschechoslowakei beziehungsweise dem heutigen Tschechien je hervorgebracht wurden. Beide Genannten wurden schließlich zu Europas Fußballern des Jahres gekürt – Masopust 1962 und Nedvěd 2003. Ein Jahr später, bei der Europameisterschaft 2004, verbuchte die tschechische Mannschaft mit Platz drei ihren vorerst letzten größeren Erfolg. Danach ging es stetig bergab. Nedvěd glaubt aber, dass man die Talsohle bereits durchschritten habe und man endlich wieder auf hoffnungsvolle Talente bauen könne:

„Bei uns wächst gewiss eine gute Generation von Spielern heran. Viele junge Spieler haben Potenzial und das Zeug, sich zu europäischen Stars bis hin zu Weltklassespielern zu entwickeln. Ich könnte durchaus einige Namen nennen, aber das mache ich grundsätzlich nicht. Denn in dem Fall werden diese Spieler auf dem Markt nur teurer.“

Foto: Ondřej Tomšů
Der Aufwärtstrend im Nachwuchsbereich wird zudem belegt durch die souveräne Qualifikation der U21-Nationalmannschaft für die diesjährige EM-Endrunde in Polen. Auch dafür ist Nedvěd voll des Lobs:

„Das ist eine phantastische Arbeit, die vom gesamten Team der U21-Auswahl geleistet wurde. Trainer Vítězslav Lavička hat ein erstaunliches Kollektiv geformt. Die Spieler haben nun bei der Europameisterschaft die große Chance, sich einen Namen zu machen. Ich sehe das positiv und drücke der Mannschaft die Daumen.“

Als Pavel Nedvěd seine Einschätzungen zur Situation im tschechischen Fußball kundtat, war das WM-Qualifikationsspiel in San Marino noch nicht gespielt. Der Anlass, der ihn mit den Journalisten zusammenbrachte, war ein anderer: Am Dienstag vergangener Woche besuchte der Juventus-Vizepräsident die tschechische Münzpräge in Jablonec nad Nisou / Gablonz. Und der Grund dafür war für ihn besonders schön: Nedvěd durfte sich hier die erste Goldmünze mit seinem eigenen Porträt ausstanzen. Diese Münze sowie alle weiteren Münzen in goldener wie auch silberner Legierung gehören zu einer limitierten Prägung, die den besten tschechischen Fußballern aus den Erfolgsjahren 1962 (WM-Zweiter), 1976 (EM-Titel) und 1996 (EM-Zweiter) gewidmet ist. In einer Serie mit elf Münzen soll hierbei die beste tschechische Elf aus dieser Zeit zusammengestellt und gewürdigt werden. Und mit dieser Sammlung ist man schon weit vorangekommen. Der Handelsdirektor der Münzpräge, Aleš Brix:

Pavel Nedvěd: „Das ist eine phantastische Arbeit, die vom gesamten Team der U21-Auswahl geleistet wurde. Trainer Vítězslav Lavička hat ein erstaunliches Kollektiv geformt. Die Spieler haben nun bei der EM die große Chance, sich einen Namen zu machen.“

„Pavel ist der zehnte Spieler dieses Dream Teams. Die komplette Elf setzt sich aus den besten Akteuren der drei erfolgreichen Generationen zusammen. Bei der Auswahl der Spieler haben wir die Vorschläge der Stiftung der tschechischen Fußball-Internationalen berücksichtigt. Zur Komplettierung der Serie fehlt uns nun nur noch ein einziger Kicker, und zwar der körperlich Größte von allen, Jan Koller.“

Vorsitzender der Stiftung der tschechischen Fußball-Internationalen ist kein Geringerer als der ehemalige Mittelfeldstar und Elfmeter-Spezialist Antonín Panenka. Der 68-Jährige bestätigte gegenüber Radio Prag, dass es ziemlich schwierig war, die wirklich besten Elf unter den vielen hervorragenden Spielern von damals herauszufiltern. Andererseits dienten die Einnahmen aus dem Verkauf der Münzen einem guten Zweck, betont der Siegtorschütze des EM-Finales von 1976:

Antonín Panenka mit Lothar Martin  (Foto: Ondřej Tomšů)
„Sinn und Zweck der Stiftung ist es, ehemaligen Fußball-Nationalspielern zu helfen, denen es heute nicht so gut geht. Eine Bedingung dafür ist, dass sie mindestens ein Länderspiel für Tschechien beziehungsweise für die Tschechoslowakei absolviert haben. Wir helfen zumeist Internationalen, die schon im hohen Alter sind. Denn es sind diejenigen Spieler, die zu ihrer aktiven Karriere nicht die Bedingungen hatten, um sich genügend Geld für ihre spätere Rente zu erspielen.“

Geholfen werde, so gut es geht, sagt Panenka und zählt auf, dass die Spendengelder in die Bezahlung von Operationen, Zahnprothesen oder andere gesundheitliche Hilfsmittel fließen. Zudem erhalten die Ex-Spieler davon auch mal ein Geschenk zu einem runden Geburtstag. Panenkas Highlight in der eigenen Karriere war zweifellos der Gewinn des Europameistertitels mit der Tschechoslowakei im Jahr 1976. Dabei schrieb er sich für immer in die EM-Geschichte ein mit seinem frech in die Mitte gezirkelten Lupfer im Elfmeterschießen gegen Deutschland. Dank des Triumphes stand er im internationalen Fußball auf der höchsten Stufe des Siegerpodests – eine Ehre, die Nedvěd nicht zuteilwurde. Dieser wurde 20 Jahre später „nur“ EM-Zweiter. Ansonsten aber hätten Nedvěd und er mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede in der Spielweise gehabt, glaubt Panenka:

Pavel Nedvěd  (Foto: Ondřej Tomšů)
„Wir waren beide in der Lage, aus mittlerer und größerer Entfernung sowohl mit Rechts als auch Links aufs Tor zu schießen. Das können nur wenige Fußballer. Im Vergleich zu mir ist Pavel aber viel mehr gelaufen. Er hatte jedoch auch ganz andere Voraussetzungen, er spielte in besseren Mannschaften als ich damals.“

Panenka hat seine aktive Karriere 1993 beendet, Nedvěd im Jahr 2009. In Jablonec nad Nisou wurden beide für ihre Erfolge gewürdigt mit ihrer ganz persönlichen Medaille. Panenka erhielt seine im vergangenen Jahr, Nedvěd vor einer Woche. Nach der Prägung durfte er sie natürlich auch als Erster unter die Lupe nehmen.

„Ja, sie sieht gut aus. Das bin wirklich ich. Die Münze ist gut gelungen“, zeigte sich Nedvěd von der Prägung beeindruckt.

Antonín Panenka: „Sinn und Zweck der Stiftung ist es, ehemaligen Fußball-Nationalspielern zu helfen, denen es heute nicht so gut geht. Wir helfen zumeist Internationalen, die schon im hohen Alter sind – weil sie nicht die Bedingungen hatten, um sich genügend Geld für ihre spätere Rente zu erspielen.“

Dem sogenannten tschechischen Dream Team, das auf den Münzen der Serie verewigt ist, gehören folgende ehemalige Nationalspieler an:

Torwart: Ivo Viktor – Verteidiger: Jan Lála, Miroslav Kadlec und Karol Dobiáš – Mittelfeldspieler: Karel Poborský, Josef Masopust, Antonín Panenka und Pavel Nedvěd – Angreifer: Josef Kadraba, Jan Koller und Zdeněk Nehoda.

In einer solchen Elf hätte er auch gern einmal gespielt, sagte Nedvěd den Journalisten:

„Diese Mannschaft würde einen sehr starken Eindruck hinterlassen, denn sie ist gut zusammengestellt. Und ganz sicher würde sie keine Schande machen.“

Auf die Frage, ob diese Mannschaft auch hätte Weltmeister werden können, antwortete Nedvěd nur schmunzelnd, das könne er nicht sagen. Einer der Tschechen, die dem WM-Titel am nächsten kamen, war Josef Masopust. 1962 verloren er und seine Teamkollegen das WM-Finale gegen Brasilien mit 1:3. Im selben Jahr wurde Masopust zu Europas Fußballer des Jahres gekürt. Der einstige Mittelfeldstratege, der 2015 verstorben ist, sei immer ein Vorbild für ihn gewesen, betonte Nedvěd. Und von seiner Einstellung zum Fußball könnten sich auch heute noch viele Spieler eine Scheibe abschneiden, glaubt der ehemalige Juve-Star. In Memoriam war Josef Masopust schließlich auch auf einer alten Tonbandaufnahme zu hören – sie stammt aus der Zeit nach seiner aktiven Karriere:

Josef Masopust  (Foto: Alžběta Švarcová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Für mich ergibt eine Berufung in die Nationalmannschaft nur dann Sinn, wenn junge Spieler erkennen, dass es möglich ist, international etwas zu erreichen. Dafür müssen sie aber auch alles tun, denn es erfordert harte Arbeit. Man kann dieses Niveau nicht so ohne weiteres erlangen, erst recht nicht in der heutigen Zeit, in der der Sport immer anspruchsvoller wird. Sein Land international zu repräsentieren, das ist ein herrliches Gefühl.“

Panenka und Nedvěd hoffen nun, dass auch heute nach diesem Prinzip verfahren wird. Und Masopust würde es freuen, wenn sein Erbe von der heutigen Generation weitergetragen würde.

Autor: Lothar Martin
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