Kabinett ohne Frauen, Notoperation AKW und der King of Pop

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Pressestimmen zu folgenden Themen: neue Regierung, Temelín-Ausbau und geplantes Michael-Jackson-Denkmal in Prag.

Neuer Premierminister Petr Nečas und alter Premierminister Jan Fischer  (Foto: www.vlada.cz)
Moderator: Das Gezerre um die Ministerposten in der künftigen tschechischen Regierung ist vorbei, die Regierung steht. Im Vergleich zu der Regierungsbildung nach den Wahlen im Jahre 2006 muss man anerkennend festhalten, dass Premier Petr Nečas sein Kabinett recht schnell zusammengestellt hat. Trotzdem wird er in der Presse nicht unbedingt als der Macher gefeiert. Wie kommt das?

Katrin Materna: Die Kommentatoren haben sich vor allem auf zwei Aspekte gestürzt. Erstens: Petr Nečas und seine Partei haben an Einfluss verloren, weil sie auf Schlüsselministerien verzichtet hat. Vor allem das Innenministerium spielte in den Verhandlungen ja eine zentrale Rolle, letztlich hat es die neue Partei der Öffentlichen Angelegenheiten übernommen. Zweitens: Die neue Regierung besteht ausschließlich aus Männern.

Verhandlung der neuen Regierung  (Foto: ČTK)
Moderator: Dabei hat die gerade die neue Partei der Öffentlichen Angelegenheiten im Wahlkampf vergleichsweise viele Frauen aufgestellt. Einige räkelten sich sogar nur leicht bekleidet auf Wahlplakaten…

K. Materna: Das stimmt, Petr Honzejk jedenfalls schreibt im Wirtschaftsblatt Hospodářské noviny dazu:

„Nečas’ Alibi ist originell. Es lautet: Die Frauen waren alle auf andere Ressorts vorbereitet, als die jeweiligen Parteien letztlich erhalten haben. Gut. Das heißt also, dass die Männer [...] nach den Koalitionsverhandlungen Ministerien bekommen können, von denen sie nicht die geringste Ahnung haben. Frauen hingegen sind einseitige Wesen. Aus Gendersicht stellt sich die Sache also wie folgt dar: Tschechien wird unter dem katholischen Premier mental von der Taliban beherrscht.“

Karel Schwarzenberg,  Petr Nečas und Radek John  (Foto: ČTK)
In der Tageszeitung Lidové noviny listet Tereza Šupová auf, wo auf der Welt Frauen wichtige politische Funktionen bekleiden und fügt in Klammern hinzu: „im Gegensatz zu uns“. Ungarn sei das einzige EU-Land, in dem es ebenfalls keine Frauen in Ministerpositionen gebe. Wörtlich schreibt Šupová:

„Der Vorsitzende der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten, Radek John, reagierte auf die Tatsache, dass keine weiblichen Vertreter im neuen Kabinett sein werden, wie folgt: ‚Wir hatten auch Kandidatinnen dabei. Nachdem sie sich aber an den Koalitionsverhandlungen beteiligt hatten, sagten sie, dass das nichts für sie sei. Die Verhandlungen hätten ihnen gereicht.‘ Es bietet sich folglich die Erklärung an, dass die Politik noch immer als reine Männerdomäne betrachtet wird, für die die Frauen nicht genug Ellbogen mitbringen. Das glaube ich aber nicht.“

Neue Minister Miroslav Kalousek und Vít Bárta  (Foto: www.vlada.cz)
Wo liegt also der Hund begraben? Darauf weiß auch die Verfasserin des Artikels aber keine Antwort.

Moderator: Kommen wir aber von den mangelnden Frauen zurück zu der Kritik, dass sich die Bürgerdemokraten wichtige Ministerien haben abluchsen lassen. Was genau schreiben die tschechischen Kollegen dazu?

K. Materna: Jiří Leschtina beginnt seinen Kommentar in der Hospodářské noviny mit der Feststellung: „Die Schlacht um die Ministerien hat einen Verlierer, auf den alle mit dem Finger zeigen: Petr Nečas.“ Diese Niederlage sei aber eine logische Konsequenz aus dem Wahl-Debakel der Bürgerdemokraten. Ähnlich sieht das sein Kollege Karel Steigerwald von der Mladá Fronta Dnes. Ich zitiere:

Verhandlung der neuen Regierung  (Foto: ČTK)
„Auf den ersten Blick kann man schreiben, dass die Bürgerdemokraten verloren haben, was sie nicht hätte verlieren müssen. […] Auf den zweiten Blick kommt man aber zu dem Schluss, dass die ODS die Regierung gar nicht hätte bilden müssen. Ohne die kleinen Parteien hätte sie die Rolle der Opposition eingenommen. Die beiden Koalitionspartner haben die politische Gegenwart der Bürgerdemokraten gerettet. Und das wird honoriert.“

Robert Čásenský, ebenfalls Mladá Fronta Dnes, geht auf die Tatsache ein, dass sich diese Regierung vorgenommen hat, das Haushaltsdefizit auf 135 Milliarden Kronen zu senken. Er schreibt:

Petr Nečas  (Foto: ČTK)
„Die Haushaltslage zu verbessern ist die größte Sorge der neuen Regierung. Gleichzeitig kann dies aber auch zur Falle werden. Einem Kabinett, das sich als stark reformorientiert bezeichnet, droht eine Überökonomisierung, also ein Blick, der ausschließlich auf Zahlen orientiert ist. In unserem Land gibt es aber eine Reihe von Bereichen, die genauso reformbedürftig sind wie der Haushalt.“

Moderator: Die da wären?

K. Materna: Die Justiz, das Bildungs- und das Gesundheitswesen zum Beispiel, meint Čásenský.


Atomkraftwerk Temelín
Moderator: Wir haben eingangs schon erwähnt, dass wir auch über das Atomkraftwerk Temelín sprechen wollen. Geplant ist ein Ausbau Temelíns. Die erste Phase des Verfahrens, das die Konsequenzen der Erweiterung beleuchten soll, ist dieser Tage abgeschlossen worden. Das vorläufige Resultat: Es darf gebaut werden.

K. Materna: Und im nächsten Schritt werden die Nachbarländer zu Wort gebeten. Julie Hrstková beleuchtet in der Hospodářské noviny jedoch folgenden Punkt:

„Es scheint, der Staat habe endlich begriffen, dass es besser ist, Staatseigentum selbst zu kontrollieren als dies angeheuerten Managern zu überlassen. Der Moment der Ernüchterung kam, als dem Staat fast eine Kleinigkeit durch die Finger geglitten wäre: der Hunderte von Millionen schwere Auftrag des staatlichen Energieversorgers ČEZ zum Ausbau des Kernkraftwerks Temelin. Die Maßnahme, künftig die Vorgaben vom Aufsichtsrat bewilligen zu lassen, also von Vertretern des Staates, ist also eindeutig auf den Temelín-Fall zugeschnitten. Es gibt hier jedoch ein Problem. Gleichwohl das Prinzip an sich gut ist, wird es für eine Lösung des Temelín-Problems nicht reichen. Der Staat hat keine klar umrissenen geostrategischen Prioritäten, kein eindeutiges Energiekonzept und es fehlt ihm an Fachleuten, mit denen er mögliche Probleme konsultieren könnte.“


Moderator: Zu guter Letzt etwas Amüsanteres, wenngleich nicht weniger Umstrittenes: Michael Jackson soll in Prag ein Denkmal erhalten. Eine überlebensgroße Statue des verstorbenen Pop-Idols wollen seine tschechischen Fans aufstellen, und zwar an seinem Geburtstag. Vielen Pragern geht das zu weit. Der Prager Oberbürgermeister Pavel Bém unterstützt das Vorhaben hingegen.

K. Materna: Genau an diesem Punkt setzt Petr Honzejk an, der seinen Kommentar mit der Überschrift versehen hat: „Wir wollen ein Denkmal für Bém.“ Wörtlich heißt es in dem Artikel:





„Denkmäler sind meist zwei Kategorien von Menschen vorbehalten: Jenen, die rekordverdächtig viele Menschen getötet haben, und jenen, die rekordverdächtig viele Menschen um den Verstand gebracht haben. Erstere Kategorie vertrat in den 50er Jahren auf dem Letná-Hügel Stalin, die zweite soll künftig Michael Jackson vertreten. Was es mit Béms Schirmherrschaft auf sich hat, weiß man nicht so genau. Man kann sie so verstehen, dass er am Ende seiner politischen Karriere versucht, auf diese Weise von seinen Skandalen abzulenken. Deshalb erlaube ich mir einen Gegenvorschlag: Warum nicht stattdessen ein Denkmal errichten, dass Béms politische Ära widerspiegelt? […] Ebenso wie im Falle der Jackson-Statue könnte man auch hier das Museum für Sagen und Gespenster an dem Projekt beteiligen, in das der Chef des Prager Rathauses hoffentlich bald verbannt wird.“