Kaiser Karl IV. – Europäer, den Tschechen und Deutsche als den Ihren sehen
In den Kommentarspalten der tschechischen Zeitungen am Montag steht ungewöhnlicherweise ein Thema im Vordergrund, mit dem bis vor kurzem keiner gerechnet hatte. In der „Mladá fronta Dnes“ wird nämlich in großen Lettern hinterfragt: Ist Landesvater Karl IV. nun der größte Tscheche oder ist er ein Deutscher?
„Wenn es nicht diese deutschen Polizisten und Publizisten gäbe, dann wäre in den tschechisch-deutschen Beziehungen alles in bester Ordnung. Die Erstgenannten kontrollieren unsere Autofahrer westlich des Böhmerwaldes übermäßig oft, die anderen haben in der Dokumentarserie den Ruf des größten Tschechen aller Zeiten, des Kaisers und Königs Karl IV beschädigt.“
Brods Worte sind eine Anspielung auf die tschechisch-deutschen Begegnungen auf hoher bis höchster politischer Ebene, die es zuletzt in Prag gegeben hat. So weilte Bundespräsident Christian Wulff vor Wochenfrist zu seinem Antrittsbesuch in Tschechien, davor besuchten der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle und der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, das Land. Bei den offiziellen Gesprächen habe man dabei stets hervorgehoben, dass die deutsch-tschechischen Beziehungen „so gut wie nie“ seien. Und jetzt dies, so der Autor, als er zur ZDF-Sendung überleitet.
„Unser Landesvater war in gewisser Weise auch ein Vater Germaniens, weil er die Grundlagen für staatsrechtliche Verhältnisse schuf. Für Verhältnisse, die einige Jahrhunderte die Entwicklung in den deutschsprachigen Gebieten des Heiligen Römischen Reichs prägen sollten. Der Teil der tschechischen Öffentlichkeit, dem die ethnische Identität und der Ruf des Baumeisters von Karlstein zu Herzen liegt, hätte sich jedoch eine größere Flexibilität der deutschen Drehbuchautoren bei der Bestimmung der Nationalität und der Beurteilung von Karl IV. gewünscht“,schreibt Brod. Eine etwas versöhnlichere Antwort auf die Frage nach der Herkunft und dem Erscheinungsbild von Karl IV. im Mittelalter gibt aber die Mladá fronta Dnes. Wir zitieren Historiker Martin Wihoda:
„Uns bleibt nichts anderes übrig, als die damalige Sichtweise zu akzeptieren, aus der offensichtlich wird, dass sich Karl IV. weder für einen Tschechen, Deutschen oder Franzosen hielt, sondern für einen mit himmlischem Segen bedachten Verwalter.“