„Kampf zweier Engel“ – Oberstaatsanwältin und Chef der Antikorruptionseinheit zerstreiten sich
Die Korruption ist ein großes Problem in der Tschechischen Republik. Immer wieder kommen schwere Vergehen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ans Licht, Politiker und Beamte werden regelmäßig beschuldigt, in Bestechungsaffären verwickelt zu sein. Eine Hoffnungsträgerin im Kampf gegen die Korruption ist die Prager Oberstaatsanwältin Lenka Bradáčová. Sie leitete im vergangenen Jahr die Ermittlungen gegen den Kreishauptmann von Mittelböhmen, David Rath. Nun ist ein Streit zwischen ihr und dem Chef der Antikorruptionspolizei, Tomáš Martinec, ausgebrochen. Worum es bei der Auseinandersetzung der beiden obersten Korruptionsbekämpfer geht, erfahren Sie in unserer aktuellen Ausgabe der Sendereihe „Schauplatz“.
„Ich habe bereits mit Frau Bradáčová an einigen Fällen zusammengearbeitet. Diese Zusammenarbeit war immer sehr gut. Und ich denke, auch in ihrer neuen Rolle in Prag wird diese Zusammenarbeit gut funktionieren. Wir haben nun eine Garantie, dass sie ein sehr guter Partner sein wird bei den Ermittlungen unserer Einheit.“
Doch die gute Zusammenarbeit währte nur kurz. Ende März war Bradáčová bei einem privaten Radiosender zu einem Interview geladen. Es ging um ihre mögliche Befangenheit bei Ermittlungen in einem Korruptionsfall im Arbeits- und Sozialministerium: Bei der Vergabe eines Auftrages an ein IT-Unternehmen soll Geld geflossen sein. In diesem Zusammenhang ermittelt die Antikorruptionseinheit der Polizei auch gegen Tomáš Hájek, den Mann von Bradáčová – mit dem sie aber bereits seit drei Jahren nicht mehr lebt. Die Staatsanwältin sagte nach dem offiziellen Ende des Interviews, dass sie den Chef der Antikorruptionspolizei, Tomáš Martinec, verdächtige, einen Fall gegen sie zu konstruieren. Die Mikrofone waren nicht ausgeschaltet, die Aufnahme fand ihren Weg an die Öffentlichkeit - und der Skandal war da. Martinec dementierte umgehend. Es gebe keinen konstruierten Fall, die Staatsanwältin habe für eine solche Behauptung keinerlei Beweise, so der Chef der Spezialeinheit. Lenka Bradáčová übergab die ganze Angelegenheit ihren Vorgesetzen und forderte eine Klärung. Justizminister Pavel Blažek stellte sich am Mittwoch nach der Regierungssitzung hinter die Staatsanwältin:„Wenn die Polizei glaubt, auf welcher Ebene oder in welcher Abteilung auch immer, die Staatsanwaltschaft mit Methoden der 1950er Jahre einschüchtern zu können, irrt sie sich gewaltig.“Die konkreten Vorwürfe an den Chef der Antikorruptionspolizei wurden bisher nicht bekannt. Jedoch hat Polizeipräsident Martin Červíček interne Ermittlungen aufgenommen. Der Chef von Lenka Bradáčová, der oberste Staatsanwalt des Landes, Pavel Zeman, sagte am Sonntag im Tschechischen Fernsehen:
„Frau Bradáčová ist in dieser Angelegenheit völlig korrekt vorgegangen. In dem Moment, in dem sie die Informationen vorliegen hatte, kontaktierte sie mich umgehend. Innerhalb weniger Tage hatte ich die Akten und den Antrag, diese Angelegenheit zu prüfen, vorliegen. Ich möchte dazu anmerken: Die Dinge, die Bradáčová mir mitgeteilt hat, bewerte ich als sehr schwerwiegend und ernsthaft, und ich bin sehr froh, dass der Polizeipräsident die Ermittlungen im Rahmen einer internen Kontrolle aufgenommen hat. Ich werde aber nichts dazu sagen, warum ich die Angelegenheit als sehr ernst betrachte, solange die Ermittlungen im Polizeipräsidium laufen.“
Auch Tomáš Martinec schweigt weiter. Der Sprecher der Antikorruptionseinheit, Jaroslav Ibehej, sagte auf Nachfrage lediglich:„Oberst Martinec wird sich zu dieser Angelegenheit bis zum Abschluss der internen Untersuchung des Polizeipräsidenten nicht äußern.“
Auch wenn keiner wirklich sagen will, was geschehen ist, so ist das Klima zwischen den beiden obersten Korruptionsbekämpfern sicherlich vergiftet. Jeroným Tejc, Fraktionsführer der Sozialdemokraten und Innenexperte seiner Partei, sagte am Sonntag im Tschechischen Fernsehen:
„Für die Öffentlichkeit sieht es aus wie ein Kampf zweier Engel. Weil sowohl Martinec als auch Bradáčová ein großes Vertrauen in der Öffentlichkeit genießen, kann sich niemand ernsthaft vorstellen, dass der eine der anderen eine kriminelle Tat unterschieben würde, oder andersherum die eine den anderen ohne schwerwiegende Beweise beschuldigen würde. Hier möchte ich kein Richter sein.“Innenminister Jan Kubice glaubt, dass Kind sei nun in den Brunnen gefallen. Egal was die internen Ermittlungen ergeben, er sieht für eine weitere Zusammenarbeit der beiden schwarz:
„Sowohl als Mensch als auch als Innenminister kann ich mir das nicht mehr vorstellen. Allerdings hat der Polizeipräsident hier die Personalaufsicht. Und deswegen liegt es nun allein an ihm, wie es weitergeht.“
Jeroným Tejc fürchtet, dass unter dem Streit vor allem die Korruptionsbekämpfung leiden wird – und das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Hauptakteure:„Ich nehme wohl an, dass ohne persönliche Änderungen die Zusammenarbeit sehr schwierig sein wird. Damit möchte ich nicht sagen, dass es dazu kommt. Aber möglicherweise wird es zur Abberufung einer der beiden, eventuell sogar beider führen. Persönlich würde ich das als großen Verlust betrachten, weil ich beide für sehr fähige und professionelle Fachleute halte, gerade wegen des Vertrauens, das sie in der Öffentlichkeit genießen.“
Am Montagmittag kam es dann zu einer Entscheidung: Der Chef der Antikorruptionspolizei, Tomáš Martinec, erklärte seinen Rücktritt. Er wolle, dass die Polizisten die erfolgreiche Arbeit der letzten Zeit fortführen können. Die Geschichte hinterlässt aber einen bitteren Nachgeschmack. Dass sich nämlich die zwei erfolgreichsten Kämpfer gegen die Korruption in Tschechien wegen persönlicher Unstimmigkeiten ins Abseits stellen, ist bestimmt nicht sehr professionell.