Kampfansage im bürgerlichen Lager: Der ODS-Parteitag macht Nečas stark
Mit Petr Nečas haben die Bürgerdemokraten nach knapp drei Monaten Führungslosigkeit wieder einen offiziellen Vorsitzenden. Der Politiker, der höchstwahrscheinlich bald zum neuen tschechischen Premier ernannt wird, wollte auf dem Parteitag vom vergangenen Wochenende seiner Partei einen neuen Stil verordnen - und die Bürgerdemokraten scheinen ihm dabei gefolgt zu sein.
Nečas war der einzige Kandidat für den Parteivorsitz und konnte daher sicher sein, dass er gewählt wird. In seiner offiziellen Bewerbungsrede zeigte er sich dennoch kämpferisch: Er beanspruchte für seine Partei die Führungsrolle im bürgerlichen Lager. Ebenso erklärte er: Die gegenwärtigen Regierungsverhandlungen dürften nicht darüber hinwegtäuschen, dass die ODS ihr Ziel bei den Wahlen zu gewinnen, nicht erreichen konnte:
„Wir haben die Wahlen verloren, weil wir keine andere Ambition haben dürfen, als die stärkste politische Kraft des Landes zu sein. Ja, in vielerlei Hinsicht haben wir mit unseren Fehlern viele Wähler verschreckt und sie in die Arme unserer politischen Konkurrenten in der rechten Mitte getrieben.“Aber auch die eigenen Fehler kamen bei dem zweitägigen Treffen in den Reden relativ offen zur Sprache. Am häufigsten wurde dabei ein Problem festgestellt: der Verlust an Glaubwürdigkeit, verbunden mit einer scheinbar immer stärkeren Verquickung zwischen Parteiarbeit und den Geschäftsinteressen einiger zwielichtiger Unternehmer. Diese zwielichtigen Parteimitglieder werden im politischen Jargon - in Anlehnung an die Mafia – entweder als „Paten“ oder so genannte „Walfischfänger“ bezeichnet. Ihr Vorgehen ist simpel: Wenn diese Unternehmer an einem gewissen Ort eigene konkrete Projekte durchsetzen wollen, werben sie dort einfach gezielt neue Mitglieder an, organisieren dafür die notwendige Mehrheit in den Parteigremien und später auch in der örtlichen Verwaltung. Die Verwaltungsorgane geben dann grünes Licht für die Vorhaben des Unternehmers – egal, ob sie wirklich dem Gemeinwohl dienen oder nicht.
Zu den vielen ODS-Politikern, die Erfahrungen mit diesem System haben, gehört auch der frühere Bürgermeister der südböhmischen Stadt Písek und langjährige Parlamentsabgeordneter Tom Zajíček. Dem Tschechischen Rundfunk sagte er dazu:„Das System, einfach eine große Gruppe neuer Mitglieder aufzunehmen und dann mittels von Abstimmungen neue Gremien zu schaffen, ist nichts Neues. Wir alle wissen, dass dieses negative System schon seit Jahren in der ODS praktiziert wurde. Neu ist aber, dass mittlerweile auch schon in kleinen Gemeinden genau dieselbe Methode angewandt wird.“
In den letzten Wochen kam es immer wieder dazu, dass oft erfahrene Kommunalpolitiker, wie eben Tom Zajíček, in den Parteigremien von neu hinzugekommenen Mitgliedern ins politische Abseits befördert wurden. Einige haben mittlerweile die Partei verlassen - oft nach 20 Jahren Mitgliedschaft.Der Parteitag der Bürgerdemokraten sollte daher nicht nur eine neue Führung wählen, sondern auch einen Schlussstrich ziehen unter diese Machenschaften auf lokaler und regionaler Ebene. Die Medien bewerten den Sieg von Petr Nečas, wie auch die Zusammensetzung seiner Führungsriege, als Niederlage der besagten Paten.
Ein ähnliches Urteil fällte in einer Analyse für den Tschechischen Rundfunk auch der Kommentator Petr Nováček:
„Für die ODS bedeutet das eine Befreiung, weil sie in letzter Zeit in keinem guten Zustand war. Nečas hat die Partei in einer nicht gerade beneidenswerten Lage übernommen, und es ist vor allem sein Verdienst, dass die Partei nur zwei Prozent hinter den siegreichen Sozialdemokraten landete. Er hat mit 87 Prozent der Stimmen ein außerordentlich starkes Mandat erhalten – sogar Václav Klaus bekam nur selten mehr als 80 Prozent der Delegiertenstimmen. Mit anderen Worten: Die Position von Nečas ist stark und das braucht er auch, will er die Veränderungen durchführen, die er sich vorgenommen hat.“ Die Botschaft des Parteitags an die künftigen politischen Partner in der Regierung, wie auch an die Konkurrenz ist eindeutig: Mit der ODS ist wieder zu rechnen, und sie will wieder die bestimmende Kraft im bürgerlichen Lager werden. Diese inoffizielle Kampfansage richtet sich wohl in erster Linie an die neue Partei TOP 09 des früheren Außenministers Karl Schwarzenberg. TOP 09 war es in den Wahlen gelungen, den Bürgerdemokraten die Spitzenpositionen in den früheren Bastionen wie zum Beispiel Prag streitig zu machen.Vielleicht war aber auch die Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“, als die ODS unangefochten die stärkste Kraft im bürgerlichen Lager war, für die wohl größte Überraschung des Parteitags ausschlaggebend: nämlich für die Wahl von Miroslava Němcová zur ersten Stellvertreterin von Petr Nečas. Němcová gilt als Politikerin, die sich als eine der wenigen in der jüngsten Vergangenheit nie von Parteigründer und Staatspräsident Vaclav Klaus distanziert hat. Rundfunk-Kommentator Petr Nováček hat folgende Erklärung für den unerwarteten Erfolg Němcovás:
„Miroslava Němcová genießt hohes Ansehen und sie war schon einmal stellvertretende Parteichefin. Ihre Wahl auf den zweithöchsten Posten in der Partei kam sehr überraschend. Eine Erklärung kann sein, dass die Prager ODS, die früher zur wichtigsten Bastion gehörte, geschwächt ist. Nicht nur des schlechten Wahlergebnisses wegen, sondern auch, weil sie wegen der vielen Ungereimtheiten in der Prager Stadtverwaltung, der zahlreichen Verdachtsmomente für Korruption in Verruf geraten ist. Sie hat dadurch ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt und das hat auch auf die Position von David Vodrážka Einfluss gehabt, der eben der Vertreter Prags im engsten Führungskreis der ODS war.“ Die Karten innerhalb der Bürgerdemokraten sind für die kommenden zwei Jahre verteilt. Bei den regelmäßigen Pressekonferenzen werden den versammelten Journalisten nun andere Politiker Frage und Antwort stehen. Daher ist die Frage angebracht, ob die ODS nun eine andere Partei geworden ist? Dazu noch einmal Petr Nováček vom Ersten Programm des Tschechischen Rundfunks:„Was die ODS getan hat, war eine sehr grundlegende Veränderung. Sie zeigt, dass es die Partei ernst meint und Konsequenzen aus dem Verlust der vielen Wählerstimmen bei den jüngsten Wahlen ziehen will. Wichtig wird sein, ob es jetzt auch gelingt, die Veränderungen vom Parteitag in die praktische Politik zu übertragen und diese auch regelrecht von oben bis in die untersten Parteigliederungen durchzudrücken. Dort lassen sich immer viele Funktionäre finden, denen die bisherige Praxis mit den so genannten Paten entgegenkam und deren zwielichtigen Verbindungen. Es wird noch viel Anstrengung erfordern, damit diese Veränderungen wirklich greifen und Wirklichkeit werden.“