Kardinal Schönborn: Die Erfahrung der Kirche in Tschechien kann dem säkularisierten Europa helfen

Kardinal Christoph Schönborn (Foto: ČTK)

Im Prager Veitsdom wimmelte es am vergangenen Samstag nicht wie üblich von Touristen. Die Kathedrale war voll von Gläubigen, die gekommen waren, um an einem Festgottesdienst teilzunehmen. Mit einer Festmesse und dem Geläut neuer Domglocken wurde der 450. Jahrestag der Wiederherstellung des Prager Erzbistums nach den Hussitenkriegen gefeiert.

Foto: Martina Schneibergová
Die Prager Erzdiözese ist die älteste Diözese in der Tschechischen Republik. Das Bistum wurde 973 in Prag gegründet. 1344 wurde es zum Erzbistum erhoben. 1562 wurde das Erzbistum nach den Hussiten-Kriegen wieder hergestellt. Die Feierlichkeiten zum 450. Jahrestag der Erneuerung des Erzbistums erreichten mit dem Gottesdienst in der Prager Kathedrale ihren Höhepunkt. Der Gottesdienst wurde vom Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn zelebrierte. Papst Benedikt XVI. entsandte nicht zufälligerweise eben den Wiener Erzbischof als den päpstlichen Legat, also den Vertreter des Papstes, nach Prag. Christoph Schönborn stammt aus Skalka / Skalken bei Litoměřice / Leitmeritz in Nordböhmen und hat darum eine besondere Beziehung zu Tschechien, wie er vor der Messe gegenüber Radio Prag bestätigte:

„Was meine Beziehung zur Tschechischen Republik anbelangt, sie ist meine Heimat. Freilich bin ich nicht sehr alte geworden in dieser Heimat. Ich war neun Monate alt, als wir nach Österreich gegangen sind. Aber meine ganze Kinderzeit ist von den Erinnerungen meiner Eltern geprägt. So bleibt die Beziehung zur alten Heimat ein wichtiger und wesentlicher Teil meiner eigenen Geschichte.“

Kardinal Christoph Schönborn  (Foto: ČTK)
Einige der Gebete las Kardinal Schönborn in Tschechisch vor. In der Predigt, in deren Mittelpunkt die Erneuerung des Erzbistums und des kirchlichen Lebens stand, aber ging er zu Deutsch über. Über die Zeit vor 450 Jahren sagte er:

„Es war wirklich eine Zeit der Wiederherstellung, der Erneuerung der Kirche von Prag, von Böhmen und Mähren. Dies hat zur großen Blüte des Barock geführt, dessen Symbol der Kult des heiligen Johann von Nepomuk wurde und dessen Spuren weitgehend im Land sichtbar sind. Man sage nicht vorschnell, diese katholische Reform sei nur der Macht des Hauses Habsburg zu verdanken. Es war auch eine Zeit tiefer religiöser Erneuerung, die ins Leben und in die Herzen der Menschen hineinwirkte.“

Foto: Martina Schneibergová
Kardinal Schönborn erinnerte an die Heiligsprechung der Agnes von Böhmen, die er persönlich miterlebt hat, und an die bald danach folgende Samtene Revolution. In der Predigt schenkte er des Weiteren der Stellung der Kirche in Tschechien nach der Wende, die eher eine Art Nischenexistenz führt, große Aufmerksamkeit. Die aktuellen praktischen Fragen der Kirche, die nach Jahrzehnten des Kommunismus in Freiheit leben kann, aber können laut Schönborn bei der Evangelisierung für die Kirche zur Last werden. Trotzdem hält der Kardinal die Erfahrungen der tschechischen Kirchen für wichtig:

„Gerade in dieser Situation kann die Erfahrung der Kirche in Tschechien eine Hilfe für die Kirche im heutigen stark säkularisierten Europa sein.“

Kardinal Schönborn machte abschließend auf die Worte von Papst Benedikt XVI. aufmerksam, der während seines Tschechien-Besuchs im Jahre 2009 von dem großen Interesse überrascht war, das seine Visite geweckt hatte. Der Papst sagte damals: „Vor allem ist mir wichtig, dass auch die Menschen, die sich als Agnostiker oder als Atheisten ansehen, uns als Gläubige angehen. (…)“. Der Kardinal:

„Das heutige Jubiläum lädt uns ein – so denke ich – zu diesem Auftrag unseres Heiligen Vaters ja zu sagen, den Weg einer dienenden, liebenden, Leid und Freude der Mitmenschen teilenden Kirche zu gehen. Der Herr selber gebe uns dazu seinen Geist und seine Kraft.“

Neue Domglocken  (Foto: ČTK)
Nach dem Gottesdienst, an dem neben Kardinal Schönborn mehrere Bischöfe aus Europa und aus Afrika teilnahmen, konnten die Gläubigen zum ersten Mal auch das Geläut der neuen Glocken bewundern.