Karl I. und Brandýs nad Labem

Schloss Brandýs nad Labem (Foto: Barbora Kmentová)
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Brandýs nad Labem / Brandeis an der Elbe – bildet mit Stará Boleslav / Altbunzlau eine Doppelstadt und ist vor allem für sein Renaissanceschloss bekannt. Die historische Residenz nördlich von Prag gehörte jahrhundertelang der Herrscherdynastie Habsburg-Lothringen. Bis zum Zerfall der k. u. k. Monarchie war also der letzte Habsburger Kaiser und böhmische König, Karl I. von Österreich, Besitzer des Schlosses. Ihn stellt auch eine Dauerausstellung vor, die im Schloss zu sehen ist.

Schlosshof  (Foto: Martina Schneibergová)
Wenn man die Brücke über die Elbe nimmt, die beide Städte verbindet, dann bietet sich ein schöner Blick auf das Schloss von Brandýs nad Labem. Kommt man indes vom Marktplatz der Stadt zum Schloss, ist die Residenz erst spät, vom Schlosspark aus zu sehen. Vom Park geht es hinunter durch ein Tor in den Schlosshof. Die Residenz in Brandýs war ursprünglich gotisch und wurde später im Renaissancestil umgebaut. Seit 1547 gehörte sie den Habsburgern. Alle Herrscher aus der Habsburger Dynastie haben das Schloss besucht, erzählt Milan Novák. Er leitet die Kulturabteilung im Stadtrat und auch die Schlossverwaltung.

„Populär ist das Schloss dank Kaiser Rudolf II. geworden, für ihn war das ein zweites Zuhause. Er kam sehr oft nach Brandýs und nutzte das Schloss vor allem zur Jagd. Kaiser Karl VI. wiederum begab sich 1726 von Brandýs zu seiner Krönung nach Prag. Damals hatte er die sechsjährige Maria Theresia mit. Die spätere Kaiserin traf hier auch zum ersten Mal ihren künftigen Mann, Franz Stephan von Lothringen. Das Schloss spielte gleich mehrmals eine wichtige Rolle in der Geschichte des Hauses Habsburg.“

Karl I.  (Foto: Martina Schneibergová)
Vom Haupteingang führt die Treppe hinauf in die Appartements, die einst der letzte Habsburger Kaiser und böhmische König, Karl I. von Österreich, bewohnte. In diesen Räumlichkeiten ist eine Dauerausstellung über das kaiserliche Ehepaar zu sehen.

„Karl kam 1908 schon als Erzherzog nach Brandýs. Das Schloss gehörte damals seinem Großonkel, Erzherzog Ludwig Salvator von Österreich-Toscana. Karl wohnte hier als Gast bei ihm. Jeden Tag fuhr er über die Elbe-Brücke nach Stará Boleslav. Dort war das 7. Dragonerregiment stationiert, bei dem Karl seinen Militärdienst absolvierte. Nach dem Dienst kehrte Karl jeden Tag wieder ins Schloss zurück. Es ist belegt, dass er sehr gut Tschechisch sprach. Viele seiner Zeitgenossen erinnerten sich gern an ihn. In der damaligen Tagespresse wurden einige Geschichten über ihn veröffentlicht. Er ging oft in der Stadt einkaufen, nicht aus dem Grund, dass er dringend etwas brauchte, aber weil er den Ladenbesitzern eine Freude machen wollte.“

Zita,  Erzherzogin von Bourbon-Parma  (Foto: Martina Schneibergova)
Alle Geschäfte, in denen Karl etwas kaufte, rühmten sich später mit dem Titel „Lieferant seiner kaiserlichen Hoheit“. Es ist bekannt, dass er beispielsweise oft bei den Spezingers zu Besuch war, die in Brandýs einen Laden mit Kolonialwaren besaßen. Dort unterhielt er sich gern mit dem Personal und den Kunden. Manchmal öffnete dann Herr Spezinger eine Flasche „Lacrimae Christi“. Diesen Wein hielt der Ladenbesitzer nur für wichtige Besuche parat.

Nach seiner Hochzeitsreise nahm Erzherzog Karl 1911 auch seine Frau Zita, Erzherzogin von Bourbon-Parma, mit nach Brandýs. Fotografien von der Ankunft des Ehepaars sind in der Dauerausstellung zu sehen. Milan Novák:



Foto: Martina Schneibergová
„In diesen Sälen des Schlosses wurde damals eine Wohnung für das Ehepaar eingerichtet. Es handelte sich nicht um eine pompöse Wohnung, das ist noch heute zu sehen. Als 1915 Erzherzog Ludwig Salvator starb, kaufte Karl aus seinem Nachlass das Schloss. Er bezahlte acht Millionen Gulden dafür. Während des Kriegs besuchten Karl und seine Gattin 1917 offiziell Brandýs. Zudem kam er immer wieder Mal für ein paar Tage vorbei. Zu einem der letzten Besuche nahm er auch seinen Sohn Otto von Habsburg mit. Dieser hat uns Jahrzehnte später davon erzählt, als er in den Jahren 2006 und 2008 Brandýs besuchte. Er erinnerte sich daran, dass ihm seine Mutter ans Herz gelegt hatte, einmal, wenn es möglich sein würde, das Schloss zu besuchen. Sie sagte, sie und sein Vater hätten dort die einzigen glücklichen Jahre ihres Lebens verbracht.“

Offizierssäbel  (Foto: Martina Schneibergova)
An den Wänden im Eingangssaal hängen Fotografien und Porträts von Karl I. und Zita. In einem Nebenraum ist eines der wenigen Originalgegenstände aus dem Besitz des früheren Schlossbesitzers zu sehen. Milan Novák:

„Es handelt sich um einen Offizierssäbel, der Karls persönliche Waffe war. Eine Schenkungsurkunde bestätigt die Authentizität der Waffe. Das Dokument ist vom Hermann Baier unterzeichnet, der 1913 Karls Büro leitete. In der Urkunde heißt es, der Erzherzog schenke den Säbel dem Stadtmuseum als Erinnerung daran, dass er hier eine glückliche Zeit verbracht habe. Der Säbel und die Urkunde sind zum Glück im Museum von Brandýs erhalten geblieben. Wir stellen sie im ehemaligen Arbeitszimmer des Schlossbesitzers aus.“

Foto: Martina Schneibergová
Von der Originalausstattung der Residenz ist indes nicht mehr viel vorhanden. Denn 1918 wurden die Habsburger enteignet, und das Schloss diente als Bürogebäude des Landwirtschaftsministeriums und für die Forstwirtschaft. 1995 übernahm die Stadt Brandýs dann die Residenz. Das Gebäude musste gründlich instand gesetzt werden, die Räumlichkeiten wurden neu gestaltet - und in der Dauerausstellung wird nun der letzte Habsburger Kaiser porträtiert. Denn Karl I. war auch nach 1918 in der Stadt noch sehr beliebt gewesen, wie Milan Novák erläutert:

Foto: Martina Schneibergová
„Als die Monarchie zerfiel, sahen die Bewohner von Brandýs die Ereignisse doch etwas anders als die große Mehrheit der Bewohner Böhmens. Eine wichtige Rolle spielte dabei ihre persönliche Erfahrung mit Karl I. Es ist beispielsweise bekannt, dass Herr Spezinger weinte, als der österreichische Adler vom Aushängeschild seines Geschäfts entfernt wurde.“

Das Schloss Brandýs ist von April bis Oktober geöffnet, und zwar täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr. Von November bis März sind die Schlossräumlichkeiten nur am Wochenende zugänglich.

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