Karl Paleczek – der erste Skiläufer im Böhmerwald
Seit dem 7. Mai steht auf dem Berggipfel des Pancíř / Panzer im Böhmerwald eine Holzstatue von Karl Paleczek (1859-1937). Der Wildheger gilt als der Erste, der in Böhmen Ski anfertigte. Martina Schneibergová hat mit seinem Urenkel, dem Historiker Raimund Paleczek, gesprochen.
Herr Paleczek, am 7. Mai wurde im Böhmerwald auf dem Berggipfel Panzer eine Holzstatue von Karl Paleczek feierlich enthüllt, der Ihr Urgroßvater war. Der Grund war, dass er vermutlich die ersten Ski in Böhmen angefertigt hat. Wo hat Karl Paleczek gelebt?
„Er hatte von diesen Brettern aus Norwegen erfahren – Lattenski, mit denen man sich fortbewegen konnte. Karl Paleczek beschaffte sich ein Muster – woher es kam, wissen wir leider nicht – und begann mit der Fertigung von Ski. Mit diesen erleichterte er seine Pirschgänge und wurde zum ersten Skiläufer im Böhmerwald.“
„Mein Urgroßvater wurde 1859 in Tusset, an der bayerisch-tschechischen Grenze im tiefsten Böhmerwald, geboren. Der Ort heißt heute Stožec. Dort ist er in einer Familie von Wildhegern aufgewachsen. Das hat auch sein Leben bestimmt. 1888 wurde er selbst ebenfalls Heger, wie zuvor sein Vater, sein Großvater und seine beiden älteren Brüder. Karl Paleczek übernahm am Hochficht – tschechisch Smrčina – seine erste Hegerstation. Dort begann er im Winter, seine Pirschgänge zu machen. Das war sehr beschwerlich. Ihm half aber, dass er 1875 als junger Mann zwei Jahre lang die Holzfachschule in Wallern besucht und dort das Schreinen gelernt hatte. Sein Wissen befähigte ihn, auch Ski herzustellen. Denn er hatte von diesen Brettern aus Norwegen erfahren – Lattenski, mit denen man sich fortbewegen konnte. Karl Paleczek beschaffte sich ein Muster – woher es kam, wissen wir leider nicht – und begann mit der Fertigung von Ski. Mit diesen erleichterte er seine Pirschgänge und wurde zum ersten Skiläufer im Böhmerwald. Das geschah den Erzählungen meines Großvaters zufolge im Jahre 1890.“
Gibt es Erinnerungen von Karl Paleczek selbst, oder haben Sie darüber von Ihrem Großvater oder den anderen Verwandten erfahren?
„Alles, was ich über meinen Urgroßvater weiß, habe ich überwiegend von meinem Großvater erfahren. Dazu kommen ein paar schriftliche Quellen. Der Urgroßvater war fast 40 Jahre lang Heger in den Diensten der Familie Schwarzenberg, und dazu gibt es Unterlagen im Archiv. Aber deutlich mehr weiß ich von meinem Großvater, der als jüngster Sohn am längsten im Haus war, er hatte einen relativ alten Vater. Dieser Vater hat seinem jüngsten Sohn offenbar viel mehr erzählt als den anderen Kindern, und mein Großvater hat das wiederum an mich weitergeben und zudem noch aufgeschrieben.“
Weiß man, wie diese Ski damals ausgesehen haben? Angeblich waren sie sehr lang – im Vergleich zu den heutigen Ski…
„Sie waren auf jeden Fall über zwei Meter lang, sehr schwer und hatten noch keine Metallkanten. Das Interessanteste ist, dass man mit nur einem Stock gefahren ist. Man hat einen jungen Fichtenstamm zurechtgeschnitzt und angespitzt. Das war dann der eine Stock, mit dem man gefahren ist.“
War es nicht schwer, sich auf diese Weise in den Kurven zu bewegen oder ist man vor allem geradeaus gefahren?
„Mein Großvater hat auf jeden Fall gesagt, sein Vater habe die Ski in den Böhmerwald gebracht.“
„Man hat sich mit diesem Stock im Schnee sozusagen abgestützt und ist dann um diesen Stock herumgefahren. Das hört sich eigenartig an, aber damals gab es noch keine plattgefahrenen Pisten. Mit ein bisschen Geschicklichkeit und viel Kraft ist das dann wohl gegangen. Mein Großvater hat auf jeden Fall gesagt, sein Vater habe die Ski in den Böhmerwald gebracht.“
Während der feierlichen Enthüllung der Statue wurde gesagt, dass er sogar der erste Mensch in Böhmen gewesen sei, der Ski angefertigt hat. Denn dazu kam es 1890, und im Riesengebirge wurden die ersten Ski erst drei Jahre später hergestellt. Haben Sie dies schon zuvor gewusst?
„Nein. Ich habe aus der Erzählung herausgehört, dass er der Erste war, der Ski im Böhmerwald verwendet hat. Wie das in Gesamtböhmen war, davon wusste auch mein Großvater nicht. Das hat ihn vielleicht auch nicht so interessiert. Für ihn war die Erzählung wichtiger, dass mein Urgroßvater zusammen mit dem damaligen Junglehrer von Hüttenhof (Huťský dvůr, ein Ort unterhalb des Hochficht, den Ort gibt es heute nicht mehr, Anm. d. Red.), für den er auch Ski angefertigt hatte, als Erster auf Ski den 1332 Meter hohen Hochficht bestiegen hat. Sie sind dann natürlich auch abgefahren, und das war die bewundernswerte Leistung aus Sicht meines Großvaters: dass sein Vater der Initiator dieser anspruchsvollen Tat war.“
Hat er ansonsten noch weitere Ski für andere Leute angefertigt?
„Nein, nur für seine Familie. Er hatte fünf Söhne. Die Töchter sind, glaube ich, nicht Ski gefahren, aber die Söhne alle. Sie hatten alle die ,Bretteln‘, wie mein Großvater sagte.“
Wie hat Ihr Großvater gesprochen? Böhmerwäldlerisch?
„Ja, er hat ein weiches Böhmerwäldlerisch gesprochen. Lange Zeit lebte er in Krumau gelebt, und dort hat er sich diese österreichische, an Wien angelehnte Sprechweise angewöhnt. Aber auch Böhmerwäldler Ausdrücke kamen darin vor. Er sprach also nie Hochdeutsch, sondern es war immer diese Böhmerwäldlerische Färbung drin. Seine Eltern müssen aber richtig kräftigen Dialekt geredet haben.“
Wo hat Ihr Urgroßvater die letzten Jahre seines Lebens verbracht? In Krumau?
„Ja, da ist er zuletzt hingekommen. All seine insgesamt vier Hegerstationen lagen im unteren Böhmerwald – in der damaligen Herrschaft Krumau und Winterberg – und zuletzt in Chlum / Humwald. 1926 musste er krankheitsbedingt in den Ruhestand treten. Karl Paleczek kaufte sich dann ein Häuschen in Dumrowitz, einem Vorort von Krumau, und lebte dort noch knapp elf Jahre lang – die letzten sechs Jahre als Witwer und betreut von einer seiner Töchter.“
Haben Sie sich auch an der Errichtung der Statue irgendwie beteiligt?
„Nein. Da muss ich wirklich sagen: Sie ist völlig ohne mein Mitwirken entstanden. Ich habe nur insofern mitgewirkt, dass mich im Oktober oder November Emil Kintzl angeschrieben hat, den ich von verschiedenen Vorträgen und Veranstaltungen in Krumau und Umgebung kannte. Und Emil Kintzl ist mit 88 Jahren im März sehr tragisch ums Leben gekommen. Das war unser letzter Kontakt, bei dem er mich in Kenntnis gebracht hat, dass er dieses Projekt vorhat. Er bat mich auch um Fotos, damit man ein möglichst getreues Abbild meines Urgroßvaters schaffen kann. Diese Fotos habe ich ihm natürlich gern zugeschickt, mich bedankt und dann nichts mehr weiter gehört, weil er dann gestorben ist. Jetzt erst vor zwei Wochen kam die Nachricht, dass die Statue fertig ist. Da war ich völlig überrascht. Ich hätte dort gerne auch das persönlich gesagt, was ich jetzt Ihnen sage – aber mich hat leider Covid erwischt.“
Woher stammt das Foto, nach dem die Statue angefertigt wurde?
„Mein Urgroßvater hatte das Glück, das sein Neffe viele Jahrzehnte Assistent des Fotografen Seidel in Krumau war, also eines Profifotografen. Und er hat den Vater, die Onkels, alle Hegers durchfotografiert, und zwar natürlich fachmännisch. Und so ist dieses Bild sowie eine Reihe anderer Bilder 1915 oder zu Ende des Ersten Weltkriegs entstanden. Leider haben sie sich nur in der Familie erhalten. Die Negative sind alle verschwunden, wahrscheinlich in dem Haus des Onkels in Krumau, der übrigens auch Karl Paleczek hieß – das war der Neffe meines Urgroßvaters. Nach dem Krieg, als das Haus beschlagnahmt wurde, sind diese Bilder alle vernichtet worden.“
Das Foto Ihres Urgroßvaters ist auf einer kleinen Schautafel neben der Statue zu sehen. Das ist bestimmt das Bild, nach dem die Statue geschnitzt wurde…
„Das würde ich gern sehen.“
Auf der Schautafel steht noch eine Bemerkung, dass 1911 im Böhmerwald das erste Skirennen veranstaltet wurde. Die Teilnehmer sind vom Panzer-Gipfel heruntergefahren…
„Das war die Pionierzeit der Skifahrt als Sport. Interessanterweise hat das meine Familie nie mitgemacht. Für meinen Großvater und seine Familie waren Ski reine Mittel, um die Fortbewegung im Winter zu erleichtern. Unter sportlicher Sicht haben sie das nie betrachtet.“