Katerstimmung und erste Annäherungsversuche
Die Wahlen am Wochenende endeten mit einem Erdbeben für die etablierten Parteien. Nun starten die Sondierungen.
Bei den Sozialdemokraten heißt es zunächst Wundenlecken. In der Elefantenrunde im Tschechien Fernsehen versuchte sich Spitzenkandidat Lubomír Zaorálek nach dem desaströsen Wahlergebnis von lediglich knapp acht Prozent in Schadensbegrenzung. Er bestand deshalb auf der Wahrung einer ausgeglichenen Leitung des Abgeordnetenhauses, damit alle vertretenen Parteien eine hörbare Stimme bekommen.
Dem ist auch die Partei Ano nicht abgeneigt, wie Parteivize Jaroslav Faltýnek bestätigte. Das dürfte ihm zufolge jedoch eine Mammutaufgabe werden, da im Parlament nun eine Rekordzahl von neun Parteien sitzen wird.
Steiniger Weg zur stabilen Regierungsmehrheit
Bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen könnte es hingegen einen gewaltigen Hemmschuh geben – die polizeilichen Ermittlungen gegen Ano-Parteichef Andrej Babiš wegen der Veruntreuung von EU-Fördergeldern in der Causa „Storchennest“. Zwar kann sich der Ano-Parteivize und scheidende Umweltminister Richard Brabec nicht vorstellen, dass die Auslieferung von Babiš tatsächlich zum Gegenstand von Koalitionsverhandlungen wird. Dies sagte er zumindest in der Runde der Parteivorsitzenden in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks. Dennoch bekräftigten fast alle Parteien, dass eine Zusammenarbeit mit der Ano gerade deswegen fast ausgeschlossen sei.
Zaudern bei den Etablierten, Jubel bei den Systemfeindlichen
Eigentlich würden der Partei Ano die Bürgerdemokraten als einziger Partner reichen. Diese haben sich von ihrem Zusammenbruch bei den Wahlen von vor vier Jahren im Rahmen des Möglichen erholt und bekamen diesmal Silber von den Wählern. Doch die Parteiführung schloss eine Regierung mit Andrej Babiš von vornherein aus, und das liegt nicht nur an der strafrechtlichen Verfolgung des Milliardärs und Ex-Finanzministers. Es sei die Partei Ano an sich, mit der man nicht könne, so Bürgerdemokraten-Vize Bohuslav Svoboda in der Rundfunksdebatte.Im Vorfeld der Wahlen gab es unter anderem die Befürchtung, dass Babiš letztlich mit der rechtsradikalen SPD des japanisch-tschechischen Unternehmers Tomio Okamura zusammenarbeiten könnte. Auch dieser sieht eine Koalition mit der Ano wegen der Ermittlungen gegen Babiš kritisch, und er würde nur unter klaren Bedingungen eine solche Zusammenarbeit eingehen. Im Klartext bedeutete dies Referenden und Null-Toleranz gegenüber Migranten, wie der ehemalige Unternehmer im Rundfunk bestätigte.
Okamura sieht sich jedoch selbst als Königsmacher, da auch seinetwegen mit der Top 09 nur noch eine klar pro-europäische und pro Migranten eingestellte Partei sitze.Einen Überraschungserfolg landeten am Samstag zudem die Piraten, die drittstärkste Kraft werden konnten. Diese wollen aber in dieser Legislaturperiode laut Parteivize Jakub Michálek erst einmal in der Opposition bleiben. Man müsse sich selbst in der etablierten Politik konsolidieren, so der Pirat.