Kein Bruch zwischen Prag und Berlin – Wahlkampf innertschechische Angelegenheit

Foto: Filip Jandourek, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Die Vertreibung der Deutschen und die Beneš-Dekrete waren im Wahlkampf um das Amt des Staatspräsidenten heiße Themen zwischen den beiden Kandidaten Miloš Zeman und Karel Schwarzenberg. Das wurde natürlich aufmerksam in Deutschland verfolgt und teilweise als anti-deutscher Wahlkampf bewertet. Nachdem Zeman als Sieger feststand, führte ein Kommentar aus der deutschen Tageszeitung „Die Welt“ zu Diskussionen: Der Autor forderte die Bundesregierung auf, Zeman erst einmal nicht nach Deutschland einzuladen. Wie also steht es um die deutsch-tschechischen Beziehungen nach der Präsidentenwahl?

Miloš Zeman  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Der tschechische Makel“– unter dieser Überschrift empfahl ein Kommentator der deutschen Zeitung „Die Welt“ am Montag der Bundesregierung, Zeman erstmal nicht nach Berlin einzuladen. Es müsse deutlich werden, dass dumpfe antideutsche Ressentiments ihren Preis hätten. Ist Zeman also eine Belastung für die tschechisch-deutschen Beziehungen? Der stellvertretende Parteichef und Außenpolitikexperte der tschechischen Sozialdemokraten Lubomír Zaorálek denkt, dass es zu Problemen kommen könnte:

„Die ganze Angelegenheit ist für die tschechisch-deutschen Beziehungen überhaupt nicht einfach, und aus der Diskussion wird kein einfacher Weg herausführen. Ich fürchte daher, dass es lange dauern wird, bis die Folgen der Wahlkampagne beseitigt sind.“

Karel Schwarzenberg  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Stein des Anstoßes war eine Äußerung Schwarzenbergs in einer der ersten Fernsehdebatten. Jemand wie Präsident Beneš müsste sich heute vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten, erklärte er. Der nun gewählte Miloš Zeman entgegnete, wer einen tschechoslowakischen Präsidenten als Kriegsverbrecher bezeichne, spreche wie ein sudetendeutscher Funktionär. In der folgenden Wahlkampfwoche wurde die Debatte immer nationalistischer und Schwarzenberg wurde vorgeworfen, er sei kein Tscheche und wolle den Tschechen ihre Häuschen wegnehmen. Der Publizist, Kommentator und ehemalige Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Prag, Petr Brod, sieht das aber nur als Wahlkampfmanöver:

Petr Brod
„Ich würde nicht sagen, dass Miloš Zeman eine antideutsche Kampagne geführt hat, wie man das in den Zeitungen ‚Die Welt’ oder ‚Die Presse’ aus Wien liest. Er hat nur taktisch sehr klug eine kurzfristige Schwäche oder Ungeschicklichkeit Karel Schwarzenbergs ausgenutzt.“

Die deutsche Bundesregierung gratulierte dem neu gewählten tschechischen Staatspräsidenten und bekräftigte, dass man von einer sehr guten weiteren Zusammenarbeit ausgehe. Auch Vratislav Mynář, Vorsitzender von Zemans Partei SPOZ und Mitglied seines Wahlkampfteams, sieht keine Belastung der Beziehungen zu Deutschland:

Vratislav Mynář  (Foto: Archiv der Partei der Bürgerrechte)
„So wie ich Miloš Zeman kenne, denke ich, dass er sich sehr professionell verhalten wird. Ich fürchte auch nicht, dass ein Besuch von ihm in Berlin unsere Beziehungen verschlechtert. Im Gegenteil, wegen der Äußerungen in den Zeitschriften, besonders in ‚Der Welt’, ist eine Einladung Zemans durch die deutsche Regierung nur logisch. Ich hoffe, dass diese Hysterie schnell vergeht und Miloš Zeman zeigen kann, was alle von ihm erwarten: dass er ein großer Staatsmann ist.“

Die Töne der innertschechischen Wahlkampagne haben dann für die deutsche Seite auch keine Rolle gespielt. Auf die Wahlkampagne angesprochen erklärte der Sprecher des deutschen Auswärtigen Amtes, Andreas Peschke, man werde sich nicht in innertschechische Diskussionen einmischen.

Dass mit Hilfe von Nationalismus Wahlkampf geführt wurde, dies hat den erfahrenen Politologen und ehemaligen Direktor des Tschechischen Instituts für internationale Beziehungen, Otto Pick, nicht überrascht:

Otto Pick  (Foto: Archiv des Instituts für Zeitgeschichte)
„Diese Wiedererwachung des tschechischen Chauvinismus, dass auf die schmutzigste Art hier manipuliert wurde, das hat Schwarzenberg sicherlich fünf Prozent der Stimmen gekostet. Es gibt halt immer Chauvinisten, und sie sind überall.“