Nach der Bundestagswahl: Was erwartet Tschechien von einem deutschen Kanzler Friedrich Merz?

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Den vorgezogenen Bundestagswahlen, die am Sonntag in Deutschland stattgefunden haben, wurde in Tschechien eine große Aufmerksamkeit geschenkt. Es gab hierzulande nicht nur ausführliche Berichte zum Wahlkampf, sondern auch zahlreiche Kommentare zum Ergebnis.

Foto: Zuzana Jarolímková,  iROZHLAS.cz

Den Vorhersagen entsprechend hat in Deutschland die CDU/CSU die vorgezogene Bundestagswahl am Sonntag gewonnen. Der nächste Kanzler wird mit hoher Wahrscheinlichkeit also Friedrich Merz heißen. Petr Fiala, tschechischer Regierungschef und Vorsitzender der hiesigen Bürgerdemokraten, äußerte am Montagmorgen in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks seine Freude über den Wahlausgang:

„Ich erwarte nun eine gewisse Änderung der deutschen Politik. Bisher gibt es ein Fragezeichen, weil nach den ersten Auszählungen die Möglichkeit einer sogenannten großen Koalition gegeben ist, also mit den Sozialdemokraten. Dies würde eine Weiterentwicklung der traditionellen demokratischen Politik bedeuten – aber, wie ich hoffe, mit einer stärkeren Betonung auf die Lösung einiger Probleme, die in Deutschland und Europa bestehen. Das sind die wirtschaftliche Entwicklung und die illegale Migration. Diese Themen haben die Wähler schließlich zu den radikalen und extremen Parteien getrieben.“

Foto: Zuzana Jarolímková,  iROZHLAS.cz

Angesichts dessen, dass sich die AfD am Sonntag als zweitstärkste Partei positionieren konnte, spricht Fiala von einer deutlichen Verschiebung in Deutschland in Richtung politischer Extreme. Der tschechische Regierungschef verweist zudem auf die hohe Wahlbeteiligung, die laut Medienberichten bei 84 Prozent lag.

Zu der Frage, ob bis Ostern eine neue Koalition in Berlin stehen werde, sagte Zuzana Lizcová, Leiterin des Lehrstuhls für deutsche und österreichische Studien an der Prager Karlsuniversität:

„Dies ist etwas, das wir uns alle wünschen sollten. Denn es wäre – auch für Tschechien – gut, wenn Deutschland bald eine stabile und handlungsfähige Regierung hätte.“

Zuzana Lizcová  | Foto: Elena Horálková,  Tschechischer Rundfunk

Mit der scheidenden rot-grünen Regierung von Olaf Scholz habe es ebenfalls eine gute Zusammenarbeit gegeben, bilanziert Eduard Hulicius. Der stellvertretende Außenminister Tschechiens und Vizevorsitzende der hiesigen Christdemokratischen Partei führt aus:

„Dies war auch eine befreundete Regierung. Aber ich werde nicht abstreiten, dass jede Koalition in Berlin mit einer Beteiligung der CDU/CSU für Tschechien vorteilhafter ist. Denn die angrenzenden deutschen Bundesländer, Sachsen und Bayern, sind traditionell CDU/CSU-geführt. Die guten grenzüberschreitenden Kontakte – zum Beispiel der Ausbau der Verkehrsverbindungen und des gemeinsamen Handels oder auch der Austausch in Kultur und Bildung – werden für Tschechien immer bereichert, wenn in Berlin die CDU/CSU regiert.“

Und zu den Chancen, dass ein neues Kabinett unter Friedrich Merz die wirtschaftlichen Probleme in Deutschland lösen könne, sagt Hulicius:

Eduard Hulicius | Foto: Tschechisches Außenministerium

„Ich denke, diese Möglichkeit besteht. Wahrscheinlich geht dies in eine Richtung, bei der die grüne Politik deutlich geschwächt wird. Dies wird für die deutsche und damit auch für die tschechische Konjunktur sehr zuträglich sein.“

Die Ergebnisse der Bundestagswahl werden in Tschechien auch mit Bezug auf den Überfall Russlands auf die Ukraine diskutiert, der sich am Montag zum dritten Mal jährt. Dazu merkt Premier Fiala an:

„Wichtig ist, dass in Deutschland Einigkeit herrscht über die Unterstützung der Ukraine. Eine Ausnahme bilden nur die AfD sowie die Bewegung Sarah Wagenknecht, die nicht ins Parlament gekommen ist. Ich erwarte nun, dass bei diesem Thema der deutsche Akzent mindestens der gleiche, wenn nicht sogar stärker sein wird – auch im Rahmen der EU. Deutschland spielt in Europa eine Schlüsselrolle, unter anderem durch seine wirtschaftliche Stärke und die finanziellen Beiträge für gemeinsame Projekte. Dies gilt in jeder Lage. Ich bin mir sicher, dass sich Friedrich Merz dieser Rolle bewusst ist und weiter daran arbeiten wird, Europa zu stärken – wirtschaftlich und auch hinsichtlich der eigenen Verteidigung.“

Und dies sei etwas, das alle in der EU – einschließlich Tschechiens – brauchen würden, fügt Petr Fiala hinzu.

Foto: Zuzana Jarolímková,  iROZHLAS.cz
Autor: Daniela Honigmann | Quelle: Český rozhlas
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