„Am Wichtigsten ist, im Geist unabhängig zu sein“ – FAZ-Redakteur Zimmermann zu tschechischen Medien

  • „Am Wichtigsten ist, im Geist unabhängig zu sein“ – FAZ-Redakteur Zimmermann zu tschechischen Medien
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Niklas Zimmermann ist Politikredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Anfang Februar nahm er an einer Podiumsdiskussion teil, die im Rahmen einer tschechisch-deutschen Konferenz in Plzeň / Pilsen zum Thema Desinformationen stattfand. Veranstaltet wurde die Konferenz von der Sdružení Ackermann-Gemeinde. Zimmermann ging vor allem auf die Frage ein, in wieweit unabhängiger Journalismus in der heutigen Welt möglich ist. Martina Schneibergová hat am Rand der Konferenz mit dem Redakteur gesprochen.

Herr Zimmermann, Sie haben vor einigen Jahren sogar einen Blog über das Geschehen in Tschechien begonnen. Verfolgen Sie weiterhin das Geschehen hierzulande und die tschechischen Medien?

Niklas Zimmermann | Foto: Ackermann-Gemeinde

„Ja, ich verfolge die tschechischen Medien. Mein Interesse für Tschechien hat begonnen, nachdem ich 2012 ein halbes Jahr in Prag verbracht habe. Seitdem habe ich vielfältige persönliche Beziehungen, die ich pflege. Auch meine Doktorarbeit habe ich über die tschechisch-deutschen Beziehungen geschrieben. Zudem lese ich tschechische Medien, habe sogar ein Abonnement von Deník N und Respekt. Und ab und zu vertiefe ich mich auch in ein tschechisches Buch.“

Kennen Sie die Sendungen der öffentlich-rechtlichen Medien?

„Die Website von Česká televize (Tschechisches Fernsehen, Anm. d. Red.) ist mir natürlich bekannt, vor allem dann ČT 24, wenn es um die Berichterstattung zu Wahlen geht. Im Herbst wird ja in Tschechien wieder gewählt.“

Wie hat sich die Medienlandschaft in Tschechien Ihrer Meinung nach geändert, wenn Sie diese schon mehr als zehn Jahre lang verfolgen?

Foto: Ackermann-Gemeinde

„Natürlich ein starker Einschnitt war, als Agrofert (Konzern, der vor allem in den Bereichen Lebensmittelherstellung, Agrarhandel und Chemie tätig ist, Anm. d. Red.), also das Imperium von Andrej Babiš (Ex-Premier und Milliardär, Anm. d. Red.), die Tageszeitungen Mladá Fronta Dnes und Lidové noviny übernommen hat. Das war, denke ich, für den Pluralismus schon ein harter Schlag. Ich muss sagen, der öffentlich-rechtliche Tschechische Rundfunk spielte und spielt weiterhin eine sehr unabhängige Rolle. Und es sind inzwischen auch verschiedene gut etablierte Online-Medien entstanden – wie Seznam Zprávy – oder eine Tageszeitung wie Deník N. Es gibt also auch neue Medien mit etwas Tiefgang.“

Inwieweit kann Ihrer Meinung nach der Journalismus heute unabhängig sein?

„Das Wichtigste ist, dass die Journalisten im Geiste unabhängig sind. Also dass sie nicht nur die Politiker oder andere wichtige Menschen treffen und nur die Aussagen reproduzieren, sondern dass ihnen klar ist, was sie selbst wollen. Also dass sie Interesse an der Gesellschaft haben und nicht nur an den Spitzenpolitikern, sondern sich ebenso die Frage stellen, was eigentlich in der Gesellschaft los ist.“

Sollte sich nach den anstehenden Wahlen in Tschechien die Regierung ändern, könnte es Bemühungen geben, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit dem Fernsehen zusammenzuschließen. So wird zumindest spekuliert. Damit würde sich die Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien wohl ändern…

Niklas Zimmermann | Foto: Ackermann-Gemeinde

„Ja, man sieht es in Ihrem Nachbarland, der Slowakei, wo unter der Führung der Kulturministerin die alte Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgelöst und eine neue aufgebaut wurde. Das Ziel war, die Sendungen stärker politisch zu beeinflussen. Diese Gefahr ist schon da. Ich hoffe natürlich, dass der Tschechische Rundfunk da etwas stabiler ist. Und dass es die neue Regierung, wie auch immer sie aussehen wird, hoffentlich nicht so weit treiben wird.“

Sie haben an einer Diskussion zum Thema Desinformationen teilgenommen. Gibt es die Möglichkeit, sich gegen Desinformationen verschiedener Art, auch gegen die Konspirationstheorien, systematisch zu wehren?

„Kaum. Es gab in den letzten Jahren in verschiedenen Ländern wie zum Beispiel in der Republik Moldau, in denen eine starke russische Informationskampagne gewirkt hat, den Versuch des sogenannten ,Debunkings‘. Das bedeutet, dass man jede Falschaussage widerlegt. Und was passiert dann eigentlich, wenn man jede einzelne Falschaussage widerlegt? Man reproduziert dann gleichzeitig auch diese Falschaussage. Ich glaube daher, dass das nicht der gute Weg ist. Ein besserer Weg ist wirklich, die Qualitätsmedien weiter zu stärken, dass sie eben ihre eigene Agenda, ihre eigenen Erkenntnisinteressen pflegen und nicht einfach nur den Falschnachrichten hinterherlaufen.“

Hierzulande sind, wie während der Diskussion auch angemerkt wurde, sogenannte ,Ketten-Mails‘ verbreitet, die meist von einer Trollfabrik produziert werden. Haben Sie damit Erfahrung gemacht?

„Die gibt es in Deutschland auch. Ich habe allerdings nicht viele Mails mit politischem Inhalt bisher erhalten. Es sind jedoch eben oft nicht nur klare Falschaussagen, sondern auch so verzerrte Berichterstattungen, wie man beispielsweise im Fall von Voice of Europe, dieser in Prag unterhaltenen Website, gesehen hat.“

Haben Sie sich mit dem Fall näher befasst?

Foto: Ackermann-Gemeinde

„Ja, ich habe kurz nach seinem Bekanntwerden die Seite von Voice of Europe geöffnet. Und weil ich auch das Gefühl hatte, die Betreiber könnten die Seite bald außer Betrieb nehmen, habe ich sofort Screenshots und dann eine kleine Inhaltsanalyse gemacht. Danach habe ich das in der FAZ aufgeschrieben. Dabei habe ich festgestellt, dass es nicht wirklich klare Falschnachrichten waren. Doch ging es in diesen Nachrichten, wenn sie zum Beispiel Deutschland betrafen, eigentlich immer um so ein Bild des Niedergangs, also von Gewalttaten, die von Migranten verübt werden. In den Einzelfällen war nicht alles falsch, aber es wurde eben nur dieses als Problemlöser gezeigt. Und als Politiker, die sich dazu äußern, wurden komischerweise immer AfD-Politiker herangezogen.“

Sie arbeiten in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Inwieweit ist das Geschehen in Tschechien für Ihre Tageszeitung interessant?

„Wir werden uns auch vor den Wahlen im Herbst intensiver mit Tschechien beschäftigen, weil die bisherige Regierung doch starke Akzente gesetzt hat, etwa in der Unterstützung der Ukraine. Sie war ein absoluter Treiber, da schauen wir natürlich hin. Jedoch in einer Welt, die derzeit unübersichtlich ist wie nie, dominiert derzeit klar Donald Trump die Schlagzeilen, dann der Krieg in der Ukraine sowie eine sehr volatile Lage im Nahen Osten. Ereignisse in Tschechien haben es da dagegen sehr schwer.“

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