„Kritisch mit Medien umgehen“: Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds präsentiert Jahresthema
Fake News, Propaganda, Lügenpresse – die Medien sind europaweit in der Krise. Und das auch in Tschechien und Deutschland. Wie kann man dem aber entgegensteuern und sich gegen manipulative Informationen wehren? Diese Fragen hat sich der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds gestellt. Sein Jahresthema für 2017 heißt daher: „Medienkompetenz fördern“. Tomáš Jelínek ist Geschäftsführer des Zukunftsfonds und weiß, wie wichtig die mediale Kommunikation für die tschechisch-deutschen Beziehungen ist. Und wie man diese konkret fördern kann. Ein Gespräch.
„Wir zielen vor allem auf die junge Generation. Wir wollen aber auch etwas zum gesamtgesellschaftlichen Diskurs über kritischen Medienkonsum. Unsere Jahresthemen werden ja gerne von Schulen und Bildungseinrichtungen aufgegriffen. Sie funktionieren aber auch als Anregung für zivilgesellschaftliche Initiativen und Expertenrunden.“
Was müssen die Projekte denn mit sich bringen, um eine Förderung in diese Richtung beantragen zu können?
„Wie immer ist es am wichtigsten, dass sich Deutsche und Tschechen gemeinsam mit dem Jahresthema auseinandersetzen. Und hier konkret damit, wie man im digitalen Zeitalter kritisch mit dem Medienangebot umgeht. Bei Jugendprojekten kann es auch um Vorhaben gehen, die die Medienerziehung stärken. Also darum, wie man die eine glaubwürdige Quelle erkennt und wie man diese Glaubwürdigkeit prüft. Uns ist zudem ein ethischer Umgang im Internet wichtig. Im Jugendbereich sind des Weiteren Projekte willkommen, die Grundlagen bieten, wie man Medien sinnvoll nutzt. Insgesamt sollen aber nicht nur Praktiker gefördert werden, sondern auch diejenigen, die sich theoretisch mit der Materie beschäftigen.“
Auf beiden Seiten der Grenze scheinen die Medien derzeit in einer Krise zu sein, Stichwort: Fake News, Lügenpresse und Ähnliches. Wie schlimm ist es wirklich in Tschechien und Deutschland?
„Das Unverständnis gegenüber dem Standpunkt des jeweils anderen Landes wurde nur zementiert.“
„Das sind ja keine rein deutschen oder tschechischen Phänomene, sondern es sind Folgen der Digitalisierung und damit ein globales Problem. Gerade deshalb betreffen diese Probleme unsere beiden Gesellschaften aber so sehr. Zum Beispiel ist es nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Stem für 40 Prozent der jungen Tschechen schwierig, Desinformationsquellen zu erkennen. Und auch auf Facebook sind die meistgeteilten Nachrichten eben Falschmeldungen. Die deutschen und tschechischen Experten auf unserer Podiumsdiskussion zu unserem Jahresthema im Dezember waren sich auch einig: Wer Facebook und Google nutzt, kann sich den Algorithmen nicht entziehen. Auch intelligente Menschen können so nicht auf den ersten Blick wahre von falschen Meldungen unterscheiden.“
Welche Rolle spielen denn die Medien Ihrer Meinung nach in den tschechisch-deutschen Beziehungen? Ist diese Rolle eher positiv oder negativ?„Sie spielen in erster Linie eine wichtige Rolle. Rund die Hälfte der Tschechen hat oder hatte Kontakt zu Deutschen, die andere Hälfte kennt den Nachbarn aber nur aus den Medien. In Deutschland sind die Medien noch viel wichtiger. Vor allem im Jahr 2016 hat sich gezeigt, dass die Rolle der Presse nicht immer positiv ist. So war die Berichterstattung über die sogenannte Flüchtlingskrise und die Reaktionen darauf meiner Meinung nach nicht sehr differenziert. Die tschechischen Medien haben sich vor allem auf die ‚Bad News‘ in diesem Zusammenhang konzentriert. In Deutschland wurde wiederum das Bild des unsolidarischen Osteuropäers durch die Medien mitgestaltet. Damit wurde das Unverständnis gegenüber dem Standpunkt des jeweils anderen Landes nur zementiert.“
Sie haben sowohl die tschechischen als auch die deutschen Medien gut im Blick. Wo liegen denn die Unterschiede? Werden in Deutschland und Tschechien Medien anders gemacht und auch konsumiert?
„Der Druck auf die Journalisten ist gestiegen, vor allem durch den Zwang zur schnellen Berichterstattung in den sozialen Medien.“
„Einen Unterschied gibt es da im finanziellen Rahmen. Es gilt nach wie vor, dass in Deutschland – und vor allem bei den öffentlich-rechtlichen Medien – bessere Arbeitsbedingungen für Journalisten herrschen als in Tschechien. Zudem haben die anspruchsvolleren Medien einen größeren Markt, wodurch sie sich auch besser finanzieren können. Nichtsdestotrotz ist die Lage der Journalisten in beiden Ländern bestimmt nicht besser geworden. Durch die sozialen Medien ist der Druck auf die Journalisten gestiegen, vor allem durch den Zwang zur schnellen Berichterstattung. Dazu kommt ein Vertrauensverlust gegenüber den traditionellen Medien. Der ist sicher in Deutschland anders gelagert als in Tschechien. Hierzulande ist das durch die Verknüpfung von politischer Macht und Medienbesitz bedingt, in Deutschland sehen sich eher sogenannte unzufriedene Bürger durch die Medien nicht mehr vertreten. Diese berichten in ihren Augen zu politisch korrekt.“
Wie kann Medienkompetenz aus Sicht des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds gefördert werden, gibt es da konkrete Ansätze?„Ich habe bereits die Diskussionsrunde im Dezember erwähnt. Da haben wir auch einen Vertreter der Studenteninitiative zvolsi.info eingeladen, die ich persönlich ganz gut finde. Die Studenten haben einen Guide für Internet-Surfer zusammengestellt, mit dem man manipulative Inhalte identifizieren kann. Solche Projekte können gut bei der Medienerziehung im Schulunterricht integriert werden. Ich denke da auch an sogenannte Media-Watch-Blogs, die Hilfe leisten können beim Medienkonsum. Das alles kompakt weiterzuvermitteln ist eine Möglichkeit, die Medienkompetenz zu stärken.“
Zum Abschluss: Im vergangenen Jahr hat der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds das erste Mal einen Journalistenpreis ausgeschrieben. Wie sieht es 2017 damit aus?„Zunächst einmal wollen wir die Gewinner des Vorjahres am 29. Januar im Theater ‚Studio hrdinů‘ in Prag feierlich bekanntgeben. Das ist am Vorabend der Feierlichkeiten zum 20. Geburtstag der Deutsch-Tschechischen Erklärung. Im Februar ist auch eine Diskussion mit den Gewinnern geplant, wahrscheinlich im Tschechischen Zentrum in Berlin. Im Frühjahr 2017 soll dann ein weiterer Jahrgang des Journalistenpreises ausgeschrieben werden. Wir haben nämlich sehr gute Erfahrungen gemacht, was das Interesse und die Qualität der Beiträge angeht. Ich finde es wichtig, gerade jetzt guten Journalismus zu würdigen.“