„Enthusiasten mit kritischem Blick“: Deutsch-tschechischer Journalistenpreis in Potsdam vergeben
Am Freitag wurde in Potsdam der Deutsch-tschechische Journalistenpreis vergeben. Verliehen wurde er bereits zum neunten Mal. In diesem Jahr sind laut den Veranstaltern so viele Beiträge wie noch nie eingereicht worden, nämlich 121.
Der Initiator der Auszeichnung ist der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds. Dessen Co-Geschäftsführerin Petra Ernstberger sagte zur großen Zahl an Einreichungen im Gespräch mit Radio Prag International:
„Nächstes Jahr haben wir unser zehnjähriges Jubiläum, und mittlerweile ist natürlich unser Bekanntheitsgrad gewachsen. Der neue Rekordwert zeigt auch, wie gut der deutsch-tschechische Journalismus ist und welch hohe Reichwerte er mittlerweile hat.“
So habe es in der Vergangenheit schwächere Phasen gegeben, in denen die Frage aufgekommen sei, ob sich dieser Preis noch rentiere, räumt Ernstberger ein. Mittlerweile jedoch sei die Qualität der Beiträge stark angestiegen. Dementsprechend lebhaft würden dann auch die Jurysitzungen ausfallen:
„Das sind immer wilde Diskussionen. In den einzelnen Gruppen werden von den einzelnen Journalisten Punkte vergeben. Es ist ein spannender Prozess – und ein offener.“
Mit Blick auf das zehnjährige Jubiläum im kommenden Jahr sagt Ernstberger, dass der Preis weiterhin seine Daseinsberechtigung habe. Und sie betont:
„Wir können noch mehr Journalisten gebrauchen, die in der deutsch-tschechischen Welt mitarbeiten. Denn das sind Enthusiasten, die den kritischen Blick nicht verloren haben. Und das brauchen wir, damit Menschen wahrheitsgemäß informiert werden.“
Von Deutschlandticket bis Pan Tau
Vergeben wurde der Journalistenpreis wie in jedem Jahr in drei Kategorien, in denen es jeweils zwei Preise für Beiträge in den beiden Sprachen gab. In der Wettbewerbskategorie „Text CZ“ konnte Marek Švehla vom tschechischen Wochenmagazin Respekt die Jury überzeugen. In seiner Reportage mit dem Titel „Das jízdenka“ schildert er die Irrungen und Wirrungen beim Kauf eines Deutschlandtickets in den Bahnhöfen von Bad Schandau und Dresden.
Zum besten deutschsprachigen Text wurde Philipp Krohns Artikel „Herr Tau und die Zukunft“ ernannt, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien. Krohn beleuchtet darin die Zusammenarbeit tschechoslowakischer und westdeutscher Filmemacher, die mitten im Kalten Krieg bei der Erstellung von Märchenfilmen für Kinder miteinander kooperierten.
Ein anderes Kapitel der Geschichte von vor 1989 thematisiert Marianne Allweiss, die Korrespondentin von ARD und Deutschlandradio in Prag. In ihrem preisgekrönten Feature beleuchtet sie Tschechiens Umgang mit den Menschen, die in den 1980er Jahren für den Tod von Flüchtlingen an der Grenze zu Westdeutschland verantwortlich waren. Dabei informiert sie über eine Initiative, die die Verantwortlichen vor Gericht stellen lässt.
Zum besten tschechischen Audiobeitrag wurde eine Sendereihe von Adéla Petrová gekürt. Diese erschien im Tschechischen Rundfunk und setzt sich mit dem Völkermord an der Roma-Minderheit und der Entstehung der Gedenkstätte im tschechischen Lety auseinander. Denn an dem Ort, an dem sich im Zweiten Weltkrieg ein Konzentrationslager für Roma befunden hatte, stand bis vor wenigen Jahren noch eine Schweinemast.
„Ich sehe mich als stolze Europäerin. Dass ich nun ein kleines Stück dazu beitragen konnte, dass sich nicht nur Deutsche und Tschechen, sondern auch die Roma-Minderheit und die tschechische Mehrheitsgesellschaft annähern, erfüllt mich mit Dankbarkeit“, sagte Adéla Petrová nach der Preisverleihung in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.
In ihrer Serie blickt die Autorin nicht nur auf die Genese der Roma-Gedenkstätte in Lety. Sie beleuchtet auch, wie wenig in Tschechien über diesen Teil der Geschichte des Landes informiert wird – etwa im Schulunterricht.
„Wir haben noch viel aufzuholen. Der Völkermord an den Roma ist bei weitem noch nicht so gut aufgearbeitet, wie der an den Juden. Das zeigt sich nicht nur in der wissenschaftlichen Literatur, sondern auch in der Belletristik. Denn es wurden schon viele Bücher über den Holocaust an den Juden geschrieben, aber obwohl es großartige Roma-Autoren gibt, wurde zu ihrer Geschichte bisher nur wenig publiziert.“
Prags vietnamesische Minderheit im Fokus
In der Kategorie Multimedia erhielt Pavel Šimák den Preis für einen Dokumentarfilm über den Schriftsteller Franz Kafka, der in Kooperation des Tschechischen Fernsehens und von Arte entstand. Zum besten deutschsprachigen filmischen Beitrag kürte die Jury die Reportage „Prags vietnamesische Community startet durch“. Sie wurde in diesem Jahr bei Arte ausgestrahlt. Die beiden Filmemacherinnen, Katrin Molnár und Jana Šustová, nehmen die Zuschauer etwa mit auf den vietnamesischen Markt Sapa in Prag. In den Fokus gerückt werden Vertreter der zweiten und dritten Einwanderergeneration und ihre Suche nach Identität. Molnár sagte gegenüber Radio Prag International:
„Das Thema ist auch aus ostdeutscher Perspektive interessant, weil es in der DDR ebenfalls vietnamesische Einwanderer gab. Uns ist allerdings aufgefallen, dass die vietnamesische Community in Tschechien viel lauter ist und eine stärkere Stimme hat.“
Jana Šustová, ehemalige Webredakteurin von Radio Prag und derzeit Redakteurin des Tschechischen Rundfunks, war bereits vor dem Dreh auf einen der Protagonisten gestoßen:
„Ich habe ein paar Jahre vorher ein Interview mit Duc gemacht, und er hat mir sehr gefallen. Denn erstens kann er seine Geschichte sehr schön erzählen. Andererseits hat er aber auch Vietnamistik studiert und kann deshalb Kultur und Bräuche des Landes gut erklären.“
Erinnerung an Adam Černý
Nicht vergeben wurde in diesem Jahr die Sonderauszeichnung für langjährige herausragende journalistische Tätigkeit. 2023 wurde sie Till Janzer, dem Leiter der deutschen Redaktion von Radio Prag International zuteil. Wie jedes Jahr vergeben wurde in Potsdam hingegen der Sonderpreis Milena Jesenská. Er ging an Lukáš Houdek, der sich in einer Podcastreihe mit der Geschichte namibischer Kinder auseinandersetzte. Sie kamen in den 1980er Jahren in die Tschechoslowakei und wurden später in ihr Land, das ihnen völlig fremd war, zurückgeschickt. Houdek spürte einige der Kinder von einst in Namibia auf und zeichnete ihre Schicksale nach.
Zu Beginn des festlichen Abends wurde an Adam Černý erinnert, der im Juni dieses Jahres verstorben ist. Černý war Vorsitzender des Tschechischen Journalistenverbandes (SN ČR); mehrere Jahre lang saß er auch in der Jury des Deutsch-tschechischen Journalistenpreises.