Kein Ende bei Tunnel Blanka –Untersuchungskommission geplant

Tunnel Blanka (Foto: ČTK)

Vergangene Woche sollte eigentlich der Tunnel Blanka in Prag eröffnet werden. Doch die Freigabe für den längsten Straßentunnel in Tschechien musste erneut verschoben werden – wegen technischer Fehler. Und niemand weiß derzeit, wann der neue Termin angesetzt werden kann. Die Prager Oberbürgermeisterin hat deswegen nun sogar eine parlamentarische Untersuchungskommission gefordert.

Tunnel Blanka  (Foto: ČTK)
Was der Hauptstadtflughafen für Berlin, das scheint immer mehr der Tunnel Blanka für Prag zu werden. Fast sieben Jahre lang ziehen sich bereits technische Probleme durch das Projekt. Nun musste zum vierten Mal der Termin für die Inbetriebnahme verschoben werden.

Adriana Krnáčová ist seit vergangenem Herbst Oberbürgermeisterin von Prag. Die Politikerin der Partei Ano hat also die Probleme mit dem längsten Stadttunnel in Europa geerbt. Aber sie glaubte, dass sie nicht dasselbe Schicksal ereilen würde wie ihre Vorgänger. Denn die Baufirmen hatten ihr im Herbst versichert, dass Blanka im März eingeweiht werden könne. Umso größer war der Schock, als sich das Ende Februar als Fehlinformation herausstellte. Regen habe fast alle Kabel im Tunnel beschädigt, hieß es, diese müssten ausgewechselt werden. Allerdings: Der Regen kam bereits im Juli 2013 nieder. Nun stellen sich die Fragen: Warum ist seitdem nichts passiert? Und wer trägt die Verantwortung dafür? Vergangene Woche war Krnáčová bei der Sitzung des Stadtrats daher extrem aufgebracht. Mit angeschlagener Stimme erhob sie schwere Vorwürfe an die Baufirmen:

Adriana Krnáčová  (Foto: Jan Langer,  ČT24)
„Das ist inakzeptabel. Wir wollen Zulieferer, die verantwortlich handeln, und nicht sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben. Das übersteigt mittlerweile den Rahmen meiner Geduld. Vielleicht besteht hier eine verbrecherische Vereinigung, die aus der Stadt möglichst viel Geld herausziehen möchte. Aber da machen wir nicht mehr mit.“

Mit ihren Worten spielte die Oberbürgermeisterin auch darauf an, dass noch weitere Kuckuckseier in den Prager Nestern liegen. So schlägt sich die Stadt derzeit auch mit der sogenannten Opencard herum – das ist die elektronische Zeitfahrkarte für den ÖPNV, an der die Stadt aber keine Rechte hat.

Tunnel Blanka  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Der Tunnelkomplex Blanka wurde noch zu Zeiten des umstrittenen Oberbürgermeisters Pavel Bém geplant. Ursprünglich sollte das fast sechseinhalb Kilometer lange unterirdische Straßengeflecht 2011 für den Verkehr freigegeben werden. Doch schon kurz nach Baubeginn kam es 2008 im Stromovka-Park bei den Bohrungen zu Erdeinstürzen. Seitdem begleiten technische Probleme das Projekt. Immer wieder wurde der Eröffnungstermin verschoben, und jedes Mal stiegen die Baukosten. Ursprünglich sollten es 25 Milliarden Kronen (heute 910 Millionen Euro) sein, zuletzt lag man bei 37 Milliarden Kronen (1,345 Millionen Euro). Das ist eine Kostensteigerung auf fast 150 Prozent.

Seit Sommer 2013 nasse Kabel

Tunnel Blanka  (Foto: ČTK)
Nun müssen auch noch durchweichte Kabel ausgewechselt werden, das bedeutet Ausgaben von weiteren mehreren Hundert Millionen Kronen. Oberbürgermeisterin Krnáčová sagt aber, dass die Stadt diese Summe nicht berappen werde. Der Fehler liege vielmehr bei den Baufirmen. Das Unternehmen Metrostav ist für den technischen Teil des Baus verantwortlich. Unternehmenssprecher František Polák versuchte gegenüber dem Tschechischen Fernsehen zu erläutern, wie es dazu kommen konnte, dass die Kabel im Tunnel durchnässt wurden.

„Im Juni oder Juli 2013 kam es zu Sturzregenfällen, und die haben uns kalt erwischt. Denn es gibt beim Straßenbau eine kurze Phase, in der die Entwässerungsrinnen zwar schon die richtige Höhe haben, aber auf der Straße noch kein Asphalt liegt. Das Regenwasser floss aber sogar neben den Rinnen direkt in den Tunnel. Es handelte sich um 14 Tage, in denen es zu Jahrhundertregengüssen kam.“

Tunnel Blanka  (Foto: ČTK)
Wie viele der Kabel ausgewechselt werden müssen, das soll ein Gutachter herausfinden. Er will bis Ende des Monats seinen Bericht vorlegen.

Doch die Frage bleibt, warum bis heute niemand das Problem gelöst hat. Metrostav ließ ausrichten, man sei nicht für die elektronischen Anlagen zuständig, sondern die Firma ČKD DIZ. Deren Sprecher Karel Samec sagte gegenüber den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

Petr Dolínek  (Foto: Archiv ČSSD)
„Wir sind weiter davon überzeugt, dass ČKD DIZ alle Lieferungen in Übereinstimmung mit dem Projekt und den Vorgaben des Auftraggebers abgewickelt hat. Auf alle Risiken wurde mehrfach hingewiesen, was wir in wenigen Tagen auch in unserer Dokumentation beweisen werden. Dazu gehören auch die Lösungsvorschläge, die wir über unsere Pflichten hinaus vorgelegt haben.“

Die Zuständigen im Prager Magistrat wiederum wurden wohl hingehalten. Petr Dolínek von den Sozialdemokraten ist Stadtrat für Verkehr:

„Ich muss mich auf die Informationen der ausführenden Firmen verlassen. Wenn ich auf den Bau gehe, kann ich dort nicht selbst die Fehler erkennen. Nachdem wir von dem Problem erfahren hatten, haben wir im Dezember um eine Übersicht über die Schäden gebeten. Wir haben aber nur eine unzureichende Zusammenstellung bekommen. Dann war unsere Geduld am Ende und wir haben einen Gutachter beauftragt. Der hat uns dann bestätigt, dass die Kabel ausgetauscht werden müssen. Und ČKD hat darauf entgegnet, man habe ja angedeutet, dass etwas ausgetauscht werden müsse.“

Beim Stadtrat sieht man aber auch die Firma IDS in der Verantwortung, die den Bau eigentlich beaufsichtigt hat.

Untersuchungskommission kann Strafanzeige stellen

Bronislav Schwarz  (Foto: Archiv Ano 2011)
Oberbürgermeisterin Krnáčová will aber nicht nur die Gründe für dieses Versäumnis erfahren. Sie will herausbekommen, ob dahinter vielleicht auch politische Machenschaften stehen. Deswegen möchte sie, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingerichtet wird. Beauftragt hat sie damit in der vergangenen Woche einen Kollegen ihrer Partei im Abgeordnetenhaus. Bronislav Schwarz soll in der Parlamentskammer eine Mehrheit für einen solchen Ausschuss finden. Der Ano-Abgeordnete beschrieb im Rundfunk die Ziele eines solchen Gremiums:

„Aufgabe wird sein herauszufinden, in welchem Zustand sich der Tunnel Blanka befindet, warum er bisher nicht eröffnet wurde und ob jemand einen Fehler begangen hat. Dazu werden wir alle Materialien studieren müssen. In kurzer Zeit soll also herausgefunden werden, wo der Fehler liegt. Wir zeigen damit auch, ob die Arbeiten überteuert waren, wie Oberbürgermeisterin Krnáčová es vermutet.“

Tunnel Blanka  (Foto: ČTK)
Noch ist nicht klar, ob die Fraktion der Ano-Partei auch wirklich genügend Mitstreiter findet für einen Untersuchungsausschuss. Sollte dieser aber eingerichtet werden und auch die Schuldigen finden, dann muss der Staat laut Gesetz Strafanzeige erstatten und den Fall den Ermittlungsbehörden übergeben. Das hält jedoch Schwarz gar nicht einmal für das wichtigste mögliche Ergebnis.

„Für mich ist wichtig, dass die Bürger den Bericht des Ausschusses kennenlernen. Wenn alles so wie in der Vergangenheit klappt, dann werden wir dort genau beschreiben, wo wir den Fehler sehen. Zudem sollten Politiker quer durch das politische Spektrum den Bericht verfassen. Deswegen werde ich die Vertreter aller Parteien um die Einrichtung des Ausschusses bitten.“

Falls im Übrigen nur die Kabel im Tunnel ausgetauscht werden müssten, könnte immerhin etwas Hoffnung bestehen. Bisher heißt es nämlich, dass dies maximal einige Monate dauern sollte.

Autor: Till Janzer
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