Klare Position der EU
"Auf die Arbeit in Europa werden wir warten müssen", "Europa braucht vor tschechischen Firmen keine Angst zu haben", "Europa braucht Immigranten" - so titeln am Freitag tschechische Tageszeitungen in Bezug auf die jüngst aus Brüssel eingetroffene Nachricht, nach der im Rahmen der EU eine gemeinsame Position zu den bislang umstrittenen Fragen wie Freizügigkeit der Arbeitnehmer und des Kapitals erzielt worden ist. Für tschechische Arbeitnehmer, die im Ausland einen Job finden möchten, zeichnet sich da eine an eine kürzere oder längere Sperrfrist gebundene Perspektive. Diesem Thema wendet sich Jitka Mladkova im folgenden Beitrag zu.
Der Chefunterhändler für den EU-Beitritt Tschechiens, Pavel Telicka, ist am Donnerstag zu einer neuen Runde der Beitrittsverhandlungen nach Brüssel gereist. Auf die Frage der Tageszeitung Lidove noviny, ob Tschechien die Position der EU betreffs der Freizügigkeit von Arbeitnehmern akzeptieren werde, antwortete Telicka, Zitat:
"Ich bin froh, dass die Position angenommen wurde, auch wenn sich an unserer Stellungnahme prinzipiell nichts verändert hat. Im Unterschied zur Freizügigkeit von Kapital werden wir hierzu, glaube ich, eine Reihe von Fragen stellen." Zitatende.
An diesem Freitag hat Tschechien vier Kapitel im Rahmen der Beitrittsverhandlungen eröffnet, darunter auch die der erwähnten freien Bewegung von Personen und Kapital. Es sei nicht nötig, so der tschechische Außenminister Jan Kavan, die Verhandlungen über dieses Kapitel schon in den nächsten Tagen abzuschließen. Immerhin! Nachdem Spanien am Donnerstag offiziell sein Einlenken im Streit um die EU - Erweiterung erklärt und dem deutschen bzw. österreichischen Wunsch nach einer Schutzklausel für den Arbeitsmarkt zugestimmt hat, steht es fest: Tschechen und tschechische Firmen werden bis zu sieben Jahre auf den Zugang zum deutschen und österreichischen Arbeitsmarkt warten müssen.
Besonders verbittert reagierte Prag auf die seitens der EU beschlossenen Begrenzungsmaßnahmen im Bereich der Dienstleistungen. Es wurde hierzu auch eine Namensliste tschechischer Firmen erstellt, die vor allem im Bauwesen und Reinigungswesen tätig sind und sich künftig auf eine Regulierung seitens Deutschlands und Österreichs werden einstellen müssen.
Im Zusammenhang mit der neuerdings vereinten Position der 15 EU-Mitgliedsländer erschienen in der tschechischen Presse neben informativen Artikeln auch Kommentare. Nach einer Aufzählung der zu erwartenden Einschränkungsmaßnahmen schreibt z.B. die auflagenstärkste Tageszeitung Mlada fronta Dnes, Zitat: "So lauten heute die Losungen aus einigen Unionsländern - z.B. auch von unseren Nachbarn Deutschland und Österreich. Aber ist es nicht nur ein Spiel, das die Politiker mit ihren Wählern spielen?" Ende des Zitats. In diesem Zusammenhang bietet sich noch eine andere Frage an, die Radio Prag kürzlich Jürgen Nötzold von der deutschen Stiftung "Wissenschaft und Politik" gestellt hat: Wie passt das zusammen, wenn man in Deutschland einerseits von der Notwendigkeit der Zuwanderung spricht, auf der anderen Seite diese aber durch Sperrfristen blockieren will? Hier ist die Antwort:
"Da ist ein politischer Klärungsbedarf. Wie Sie sagen, einerseits wird in Deutschland immer darüber gesprochen, dass wir Zuwanderungsbedarf haben. So hat unlängst der Bundesverband der deutschen Industrie gesagt: wir brauchen 450 neue Arbeitskräfte für bestimmte Branchen, in erster Linie die IT-Branche, Stichwort Greencard, dann aber für den Dienstleistungsbereich, also das Gaststättengewerbe und die Landwirtschaft. Das sind vor allem Saisonarbeiten, die genannt werden. Auf der anderen Seite versucht ja die bundesdeutsche Regierung, wie auch die österreichische Bundesregierung, in der EU eine Sperrfrist für sieben Jahre durchzusetzen. Ich denke, dass diese beiden Dinge schwer in Übereinstimmung zu bringen sind und dass heir ein politischer Klärungsbedarf besteht, den ich bisher in der Diskussion nicht gesehen habe. Diese Diskussion müsste man aber jetzt beginnen."