Kleine Republik, große Nachbarn

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Die Tschechische Republik steht kurz vor dem Beitritt zur Europäischen Union und damit vor einer weiteren Etappe seiner wechselvollen Geschichte. Die Ängste, Hoffnung und Erwartungen der jüngeren Generation in Tschechien gegenüber der europäischen Integration, stehen im Mittelpunkt des folgenden Beitrags von Katrin Sapina.

Wird ein neuer Weg beschritten, begegnen wir einerseits Begeisterung, Idealismus und andererseits Ängste uns Skepsis. Büßen wir nicht unsere Identität, unsere Kultur und Tradition ein? Der Beitrittsprozeß der Republik ist in vollem Gange, mit ihm kommt ein Einigungsprozeß in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht. Wie steht die jüngere Generation Tschechiens dem Beitritt gegenüber? Ich sprach mit drei Schülern des Prager Gymnasiums Na Prazacce über die Möglichkeiten und Erwartungen der künftigen Zugehörigkeit in der europäischen Architektur.

"Der Beitritt der Tschechischen Republik in die europäische Union wird unser Prestige in Westeuropa erhöhen, denn manche Ausländer haben noch Vorurteile. Mit dem Beitritt in die Union werden Vorurteile abgebaut und es werden mehr Menschen unser Land besuchen. Auch wird es der wirtschaftlichen Lage in Tschechien helfen,weil dann ausländische Firmen hierzulande investieren werden und somit Arbeitsplätze schaffen."

Doch bietet nicht nur der gemeinsame Wirtschaftsraum neue Chancen und Perspektiven. Im Haus der Union werden sich auch andere Pforten eröffnen, wie zum Beispiel:

"Dass wir die Möglichkeit haben im Ausland zu studieren und vielleicht auch einen Beruf im Ausland zu ergreifen. Hinzu kommt das problemlose Reisen und man fühlt sich dann endlich als Europäer. Denn die Mehrheit in Westeuropa ist der Meinung, dass die Länder wie Tschechien, Polen oder Ungarn "irgendwo" in Osteuropa liegen und so eine Grenze innerhalb Europas gezogen wird."

Mit der Mitgliedschaft im Brüsseler-Club nimmt auch die kulturelle Vielfalt zu. Büßen wir nicht unsere Identität und Kultur ein? Eine Frage, die hierzulande nicht selten aufgetreten ist. Hierzu zwei Meinungen von den Gymnasiasten.

"Man hat auch ein wenig Angst, dass man die eigene Kultur verlieren wird. Dieses Problem liegt aber nicht in der europäischen Union, sondern es ist die Entwicklung an sich. Die eigene Kultur sollte berücksichtigt und beibehalten werden, aber durch den Beitritt werden wir dann auch die Möglichkeit haben die andere Kultur kennen zu lernen."

"Die nationale Identität wäre nur in Gefahr, wenn der Staat an sich nicht mehr existieren würde. Das ist ja nicht der Fall, wir werden dann nur ein Teil einer Gruppe sein."

De facto ist das Zehn-Millionen-Einwohner Land Tschechien schon ein Teil Westeuropas, dennoch ist nicht sicher, ob die Tschechen im Juni für den Beitritt stimmen werden. Bei einer Diskussion im Europäischen Parlament fasste der Präsident des tschechischen Abgeordnetenhauses, Lubos Zaoralek, die Stimmung in seinem Land kurz und bündig zusammen: " Wir schwanken zwischen Freude und Ungewissheit."

Autor: Katrin Sapina
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