Knallrote Kunstledersessel: Tschechisches Zentrum Berlin jetzt im Botschaftsgebäude

Tschechische Botschaft in Berlin (Foto: Archiv des Außenministeriums der Tschechischen Republik)

Lange Zeit war das Tschechische Zentrum Berlin buchstäblich Off-line. Ein Umzug, Renovierungsarbeiten und diverse technische Herausforderungen haben die Mitarbeiter vor einige Schwierigkeiten gestellt. Doch nun sind die Arbeiten zum Großteil fertig gestellt und es geht wieder los mit einem umfangreichen Angebot tschechischer Kultur in der bundesdeutschen Hauptstadt. Die Programmleiterin Christina Frankenberg geht auf die Höhepunkte in unserer Sendereihe „Avizo. Kultur Grenzenlos ein.

Markéta Pilátová  (Foto: Archiv von Markéta Pilátová)
Frau Frankenberg, das tschechische Zentrum ist in den letzten Wochen umgezogen. Das war bestimmt eine anstrengende Zeit. Am Mittwoch gab es die erste Veranstaltung in den neuen Räumen. Wer war zu Gast?

„Sie haben Recht, der Sommer und der Herbstbeginn waren für uns ziemlich anstrengend. Es war nicht nur der Umzug, sondern wir mussten auch in den neuen Räumlichkeiten einiges umbauen. Die neuen Räume sind noch nicht ganz fertig, wie wir das eigentlich gehofft hatten, so dass die erste Veranstaltung etwas improvisiert gewesen ist. Wir hatten schon ganz lange geplant, Markéta Pilátová nach Berlin einzuladen. Die junge, tschechische Schriftstellerin hat jetzt ihren zweiten Roman ‚Mein Lieblingsbuch’ veröffentlicht. In der Tschechischen Republik ist er bereits 2009 erschienen, aber jetzt im Herbst ist er beim Braumüller-Verlag in Wien auch in deutscher Übersetzung herausgekommen. Deswegen war Markéta Pilátová der erste Gast in unseren neuen Räumlichkeiten in Berlin.“

Foto: Braumüller-Verlag
Die Autorin geht jetzt mit dem Buch auch auf Tour?

„Wir haben sie am Donnerstag noch einmal nach Frankfurt eingeladen. Das tschechische Zentrum veranstaltet dort gemeinsam mit der deutsch-tschechischen Gesellschaft schon seit mehreren Jahren immer Lesungen im Rahmen der Frankfurter Buchmesse. Markéta Pilátová wird sich dann auch dem Frankfurter Publikum vorstellen. Danach sind noch Lesungen geplant in Wien, sie wird in München zu Gast sein und auch in Dresden lesen. Der Braumüller-Verlag ist da ganz rührig und auch die Kollegen aus den anderen deutschsprachigen tschechischen Zentren haben sie noch mehrmals eingeladen.“

Tschechische Botschaft in Berlin  (Foto: Archiv des Außenministeriums der Tschechischen Republik)
Dann gibt es einen Rundgang durch die tschechische Botschaft in Berlin, wo jetzt auch das tschechische Zentrum untergebracht ist. Was hat es damit auf sich?

„Das wird genau in einer Woche am 18.10 stattfinden. Der Hintergrund dafür ist, dass das tschechische Zentrum Berlin und die Vereinigung Kruh aus Prag einen Ausflug von tschechischen Architekten, Gemeindevertretern, Studenten und interessierten Personen organisieren. Die kommen nach Berlin, um die Stadt kennenzulernen. Weil wir im Rahmen dieser Veranstaltung auch dem Berliner Publikum etwas, was mit Architektur zu tun hat, anbieten wollen, haben wir mit der Botschaft vereinbart, dass wir die Botschaft für Besucher zugänglich machen, so dass sie einen Rundgang durch das Gebäude unternehmen können.

Kaufhaus Kotva
Dazu muss man wissen, dass das Gebäude 1978 von dem Architektenehepaar Machonin errichtet worden ist, die beispielsweise auch das Kaufhaus Kotva in Prag gebaut haben. Dieses Botschaftsgebäude ist eine Dominante an dem Standort in Berlin. Es ist ein recht großes Gebäude, was wenig einladend aussieht. Es ist aber sehr interessant wegen der geometrischen Formen, den durchlaufenden Fensterbändern und unerwartete Schrägen außen am Gebäude, welche mit sehr viel Sichtbeton errichtet worden sind. Wenn man das Gebäude betritt, erlebt man eine große Überraschung, weil das Interieur, was noch aus den 70er Jahren stammt, erhalten geblieben ist. All diese leuchtenden, bunten Farben, die damals modern waren, die findet man auch in der Inneneinrichtung der Botschaft. Es gibt knallrote Kunstledersessel, die Decken sind in einem knalligen Orange gestrichen, es gibt gelbe Elemente und man findet die gesamten Möbel, bis hin zu den Lampen, so wie sie in den 70er Jahren konzipiert worden sind.“

Mirko Baum  (Foto: Archiweb)
Es gibt auch noch einen Vortrag dazu, oder?

„Am Abend wird der aus Tschechien stammende Architekt Mirko Baum sprechen. Er ist in den 70er Jahren nach Deutschland immigriert. Er gehört zu einer Generation, die in den 60er Jahren studiert hat. Er hat dann eine Zeit lang in dem Liberecer Architekturstudio SIAL gearbeitet. SIAL ist unter anderem bekannt für den Fernsehturm, der in der Nähe von Liberec auf dem Ještěd entstanden ist und der ja auch recht bekannt ist. Mirko Baum arbeitet heute als Professor für Architektur an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen. Am Abend wird er für das Publikum und die Gäste aus Prag einen Vortrag in deutscher Sprache halten, in dem er sich mit dem Konzept von Schönheit beschäftigen und über die Schönheit von architektonischen Werken sprechen wird.“

Spielfilm ‚Lidice’
Dann gibt es im Oktober und wahrscheinlich auch im November einiges Kinomategrafisches: „Czech on Tour“. Was genau ist „Czech on Tour“?

„‚Czech on Tour’ ist eine Reihe von tschechischen Filmen, die das tschechische Filmzentrum in Prag zusammengestellt hat. Diese Filme touren schon seit September durch ganz Deutschland. Die tschechischen Zentren unterstützen diese Filmreihe. Wir in Berlin haben schon bei der Eröffnung in Hamburg, die im September stattgefunden hat, mitgewirkt. Am nächsten Donnerstag, am 18.10. wird die Auswahl von Filmen in Cottbus im dortigen ‚Obenkino’ zu sehen sein. Eröffnet wird die Reihe mit dem Spielfilm ‚Lidice’ von Petr Nikolaev. Zu sehen sind bei ‚Czech on Tour’ vor allem Filme, die in den letzten Jahren auf der Berlinale gelaufen sind, zum Beispiel ‚Grandhotel’ nach dem Buch von Jaroslav Rudiš. Außerdem ist dort, ebenfalls von Petr Nikolaev, zu sehen ‚...a bude hůř‘. Und es gibt auch noch einige Dokumentarfilme wie ‚Nesvatbov’“

Spielfilm ‚Lerchen am Faden’
In Berlin wird dann auch der Film „Lerchen am Faden gezeigt.

„Am 7. November zeigt das tschechische Zentrum ‚Lerchen am Faden’ oder ‚Skřivánci na niti’ von Jiří Menzel. Das geschieht im Rahmen eines größeren Projektes: Die EUNIC Berlin, das ist die Gemeinschaft der Kulturinstitute in Berlin, hatte die Idee gehabt, im Laufe von mehreren Monaten all diejenigen Filme zu zeigen, die bei der Berlinale einen goldenen Bären gewonnen haben. Der tschechische Beitrag ist der schon erwähnte Film von Jiří Menzel, Skřivánci na niti’.“

Vielen Dank für den kurzen Ausblick. Wann werden die neuen Räume denn offiziell eröffnet?



Christina Frankenberg  (Foto: Archiv des Festivals Finále Plzeň)
„Wir haben schon eine Veranstaltung in den Räumen beherbergt. Jetzt wird es noch einige kleine Bauarbeiten geben und wir rechnen fest damit, dass wir die Räumlichkeiten Mitte November mit einer großen Veranstaltung für das Publikum eröffnen werden. Eine Ausstellung und Konzerte sind geplant. Wir hoffen, dass wir viele Besucher haben werden. Außerdem hat in der letzten Woche schon die Einschreibung für unsere Sprachkurse stattgefunden und in der nächsten Woche werden die Kurse dann beginnen. Das tschechische Zentrum bietet schon seit vielen Jahren Tschechisch-Unterricht für all diejenigen an, die sich mit dieser schwierigen Sprache vertraut machen wollen. In diesem Jahr gibt es auch noch eine Neuerung: Wir wollen den ersten Deutschkurs für in Berlin lebende Tschechen eröffnen.“