Kommentare zum Aufwind der Grünen und zur Homo-Ehe
Dreieinhalb Monate vor den Abgeordnetenhaus-Wahlen in Tschechien hat vergangene Woche eine neue Prognose für Aufsehen in der tschechischen Öffentlichkeit respektive in den Medien gesorgt: Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts STEM würden die tschechischen Grünen bei einer Wahl zum jetzigen Zeitpunkt über fünfeinhalb Prozent der Stimmen verbuchen. Damit würden sie nicht nur erstmals ins tschechische Abgeordnetenhaus einziehen, sondern könnten möglicherweise bei der nachfolgenden Regierungsbildung auch das sprichwörtliche Zünglein an der Waage spielen.
"Es ist zwar wahr, dass die Grünen bereits zum zweiten Mal in Folge steigende Wählersympathien auf sich verbuchen konnten. Wahr ist aber auch, dass die Grünen bislang ein ziemlicher Zwitter sind und man wenig bis gar nichts von ihnen hört. In der wachsenden Popularität sehe ich daher eher einen Überdruss der Bürger an den peinlichen und vulgären Scharmützeln der zwei größten Parteien. Die Grünen sammeln einfach Proteststimmen, ebenso wie die Kommunisten, die sich um zwei Prozentpunkte verbessert haben."
Vorsichtig reagiert auch die Zeitung Lidove noviny auf die Meldung von einem möglichen Einzug der Grünen ins tschechische Abgeordnetenhaus:
"Derartige Umfragen sind bislang nur dadurch interessant, dass sie bestimmte Trends widerspiegeln. Noch sind wir zu weit von den Wahlen entfernt, als dass wir aus absoluten Zahlen irgendetwas ableiten könnten. Klar ist, dass zwischen zehn und 15 Prozent der Wähler unentschieden sind und sich gut überlegen werden, ob sie ihre Stimme einer Partei geben, deren Verhalten nach der Wahl unklar ist. Die außerparlamentarischen Gruppierungen stehen daher vor der schweren Aufgabe, die Öffentlichkeit von ihrer Existenz und vor allem von ihrer Glaubwürdigkeit zu überzeugen."
Themenwechsel im Medienspiegel: Präsident Vaclav Klaus hat vergangenen Woche sein Veto gegen ein Gesetz zur sog. Homo-Ehe eingelegt, das bereits vom Parlament gebilligt war. Dieser Schritt hat nicht nur zu einem erneuten Zerwürfnis zwischen Premierminister Jiri Paroubek und Präsident Klaus geführt - wir haben in der letzten Ausgabe des Medienspiegels darüber berichtet -, sondern auch eine breite Diskussion in den Medien ausgelöst. Eine Diskussion, die durch das Votum der oberen und unteren Parlamentskammer eigentlich schon hätte abgeschlossen sein können und jetzt erneut viele überflüssige Emotionen schürt, meint Jiri Hromada, Präsident der tschechischen Gay-Initiative, mit dem wir uns vor dieser Sendung unterhalten haben:"Wir sind sehr enttäuscht, dass der Herr Präsident seine Ablehnung des Gesetzes fadenscheinig dadurch begründet, er wolle das Problem "öffnen". Wir diskutieren schon seit zehn Jahren über dieses Gesetz - mit Regierungschefs, Ministern, Abgeordneten, Fachleuten. Sie alle haben zehn Jahre lang mit uns die Pros und Contras erwogen und am Ende ist ein Konsens entstanden - ein Gesetzentwurf, der sowohl unsere Bedürfnisse berücksichtigt als auch die Einwände der Opposition respektiert. Ich kann ganz einfach nicht verstehen, dass Herr Klaus den tschechischen Bürgern mitteilt, er habe jetzt die Diskussion eröffnet. Im Gegenteil: durch sein Veto hat er die Debatte abrupt abgebrochen, und zwar ohne mit uns zu diskutieren."
Als in Tschechien Anfang der 90er Jahre erstmals über ein Gesetz zur Eintragung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften gesprochen wurde, gab es erst vier Länder in Europa, in denen die sog. Homo-Ehe gesetzlich verankert war. Die tschechischen Medien, so erinnert sich Hromada, hätten den Anliegen der Gays und Lesben im Grunde von Anfang an den Rücken gestärkt:
"Die Medien haben uns 15 Jahre lang sehr starke Unterstützung geleistet, in dieser Zeit ist das Thema Eintragung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften sehr medialisiert worden, aber das war eher ein Nebenprodukt, nicht das Ziel. Ich denke, wir haben innerhalb der letzten 15 Jahre sehr deutlich die öffentliche Meinung in Tschechien beeinflusst, und auch viele Gesetzesnormen geändert. Das Klima für die Gays und Lesben hat sich hier daher sehr zum Positiven verändert. Aber die Medien interessieren sich hauptsächlich für die sog. Homo-Ehe, kleinere Veränderungen gehen eher unter. Wir wären froh, wenn die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften etwas weniger im Mittelpunkt stände."Durch die jahrelange Diskussion habe sich das Thema nämlich mit der Zeit etwas abgenutzt und seitdem Präsident Klaus vorige Woche sein Veto gegen das Gesetz zur Homo-Ehe eingelegt hat, habe sich die Berichterstattung in den Medien darüber hinaus zum Negativen gewandelt, beobachtet Jiri Hromada:
"Als der Präsident gesagt hat, das Gesetz zur Homo-Ehe sei ein tragischer Irrtum, erschien diese Äußerung in Großbuchstaben auf der ersten Seite. Aber er hat seine persönliche Meinung geäußert und niemand von uns bekam die Möglichkeit, ihm zu widersprechen. Die Medien haben uns nicht die Gelegenheit gegeben, auf derselben Seite in derselben Großschrift zu sagen: Sie irren sich, das ist anders. Und das hat uns sehr niedergeschmettert."