Kommentare zum EU-Haushalt, zu Schröder und Gasprom und zur Todesstrafe
Wie überall in Europa war auch in Tschechien einer der Hauptthemenschwerpunkte in den Kommentarspalten der vergangenen Woche der EU-Haushalt. Die diesbezüglichen Vorschläge des britischen Premierministers Tony Blair im Vorfeld des Brüsseler EU-Gipfels wurden von der tschechischen Regierung überwiegend positiv aufgenommen - weitaus positiver als bei anderen neuen EU-Mitgliedern. Auch die Medien stellten sich zum Teil hinter Blair's Kompromissvorschlag.
So schrieb etwa die Zeitung Lidove noviny am Donnerstag:
"Tony Blair war insbesondere gegenüber den neuen EU-Mitgliedern großzügig. Denn er sieht in ihnen potenzielle Verbündete für seinen längerfristigen Plan, die Finanzpolitik der Union zu reformieren. Für Tschechien ist Blair's Vorschlag verlockend, und das nicht nur wegen der erhöhten Finanzmittel, die Prag zur Verfügung stehen werden. Wichtiger noch ist, dass Tschechien diese Mittel dank Grund legender Veränderungen in der Zuteilung von Subventionen wesentlich leichter auch direkt für seine Wirtschaftsentwicklung nutzen kann."Dennoch zeigt sich das Blatt skeptisch, ob es auf dem Brüsseler EU-Gipfel tatsächlich zu einem Kompromiss in der Haushaltsfrage kommen wird:
"Der Kampf um den EU-Haushalt ist noch längst nicht beendet. Aus Warschau waren bereits Stimmen zu hören, die Blair's Plan als "minimalistisch" zurückweisen. Und wenn man sich die neue Regierung in Polen anschaut, steht zu befürchten, dass es sich dabei nicht nur um eine Taktik handelt. Es wäre nicht schlau, Blair's Vorschlag zum Teufel zu schicken. Denn auf eine ähnliche Chance wird die EU wohl lange warten können."
Die Zeitung Hospodarske noviny macht sich Gedanken über die Ursachen der Krise, in der sich die Europäische Union gegenwärtig befindet:"Die Schuld von Tony Blair, der vor fünf Jahren mit dem Versprechen angetreten ist, das Vereinte Königreich zum Herzen Europas zu machen, ist sicherlich groß. Aber mindestens ebenso groß, wenn nicht größer, ist der Negativsaldo des französischen Präsidenten Chirac. Er hat das Referendum über die europäische Verfassung verloren und hat seinen europäischen Partnern mit Hinweis auf den Einfluss der französischen Bauern eine Reihe von Zugeständnissen abgenötigt. Zuhause jedoch hat er nichts aus der europäischen Agenda durchgesetzt. Die Schwäche und Krise der heutigen EU resultiert aus der Schwäche der europäischen Politiker. Solange auf den politischen Schlüsselpositionen keine Veränderung eintritt, dauert die Krise der EU an."
Themenwechsel: Der deutsche Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder wird künftig im Aufsichtsrat des russischen Energiekonzerns Gasprom sitzen. Diese Nachricht hat in den letzten Tagen international ein heftiges Medienecho ausgelöst. "Schröder hat seinen Ruf an Gazprom verkauft", meint dazu die Zeitung Lidove noviny vom 10. Dezember:
"Es gibt nichts mehr hinzuzufügen. Es ist eine Schande, ein zum Himmel schreiender Interessenskonflikt, eine Peinlichkeit. Die vielfach dementierte und für die sensible politische Kultur unglaubliche Nachricht darüber, dass die Russen Schröder gekauft haben, hat sich als richtig erwiesen. Der Ex-Bundeskanzler hat sich noch nicht einmal daran gestört, dass in der Führung der Aktiengesellschaft ein früherer Stasi-Funktionär sitzt. Ein Freund von Vladimir Putin aus Zeiten, als der russische Präsident noch KGB-Spion in der DDR war. Ein äußerst trauriges Ende eines großen kleinen Kanzlers. Unbezahlbar traurig."
Auch das Blatt Hospodarske noviny verurteilt das Engagement des Ex-Bundeskanzlers bei Gasprom:
"Aus der Perspektive der ungeschriebenen Regeln der politischen Kultur, des Anstandes und der internationalen Politik ist Schröders Entscheidung schlecht und geschmacklos. Daran ändert auch das Argument nichts, dass er in der Firma die Interessen der deutschen Aktionäre vertreten will. Erstens hätte Schröder damit nicht unmittelbar nach dem Ende seiner politischen Laufbahn beginnen müssen. Zweitens beteiligt er sich an einem kontroversen, international umstrittenen Projekt, das er erst vor kurzem als Kanzler durchgesetzt hat. Und drittens handelt es sich um ein Unternehmen, das an die früheren kommunistischen Geheimdienste gekoppelt ist. Mit seinem Engagement hat Schröder den Opfern des Kommunismus ins Gesicht gespuckt, von denen es in seinem eigenen Land mehr als genug gibt. Noch vor kurzem war Schröder auch Kanzler dieser Opfer. Schröder hat die Messlatte dessen, was in Zukunft möglich, tolerierbar und akzeptabel sein wird, deutlich gesenkt."
Trotz internationaler Proteste und Gnadenappelle ist in Kalifornien am Dienstag der wegen vierfachen Mordes verurteilte frühere Bandenchef Stanley Tookie Williams hingerichtet worden. Er hatte bis zuletzt seine Unschuld beteuert und sich während seiner Zeit in der Todeszelle als Friedensaktivist und Kinderbuchautor engagiert. Mit der Hinrichtung beschäftigt sich der Publizist Ivan Hoffmann in seinem Kommentar für das erste Programm des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Rundfunks am Mittwoch:
"Als der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger das Gnadengesuch von Williams gelesen hat, hat er offenbar nicht in den Büchern geblättert, für die Williams für den Literaturnobelpreis nominiert wurde, sondern in den Gerichtsakten über Williams, die von einem vierfachen Mord sprechen. Letzten Endes hat der Gouverneur das Gnadengesuch mit der Begründung abgelehnt, dass man für Mord mit dem Leben bezahlen muss und dass Williams ohne Entschuldigung nicht erlöst werden kann. Vielleicht hätte das Ganze anders geendet, wenn der berühmte Action-Filmstar sich nicht mit dem Problem beschäftigt hätte, wie man Williams Seele retten kann, sondern sich stattdessen lieber die pragmatische Frage gestellt hätte, ob der Verurteilte den Leuten in Kalifornien mehr Nutzen bringt als lebenslänglich inhaftierter aktiver Gewaltgegner oder als Leiche."
Die Zeitung Mlada fronta dnes fragt in ihrer Donnerstagsausgabe nach den Gründen dafür, dass die Todesstrafe in den USA nach wie vor so hoch im Kurs ist:
"Die USA sind die einzige westliche Industrienation, die der bis heute die Todesstrafe praktiziert. Sie wird wohl vorerst nicht abgeschafft werden. Ein Grund dafür ist der direktere Druck der öffentlichen Meinung auf die politischen Eliten. Das Mehrheitswahlrecht bietet den Amerikanern größere Möglichkeiten, einzelne Politiker für ihre Taten zu bestrafen. In Europa hingegen können sich die Politiker leichter der öffentlichen Meinung widersetzen, die in vielen Staaten die Wiedereinführung der Todesstrafe fordert. "