´Kommt, ihr Roma!´ nach Moskau – Gipsy.cz spielt beim Eurovision Song Contest 2009

Super-Gipsy

Der Eurovision Song Contest steht kurz bevor. In Moskau sind fast alle Musiker aus aller Welt eingetroffen, um sich zu messen. Aus Tschechien ist die mittlerweile sehr bekannte Roma-Band Gipsy.cz vertreten. Radio Prag stellt Ihnen die Kapelle vor und hat mit Frontmann und Sänger Radoslav „Gipsy“ Banga gesprochen - auch über den vielleicht künftigen Europa-Hit. Aber nicht nur…

„Aven Romale, das heißt so viel wie ´Kommt, ihr Roma!´, aber ich würde das vielleicht allgemeiner sagen: ´Kommt, Leute!“, erklärt Radoslav „Gipsy“ Banga.

Aven Romale, das ist der Song, mit dem die tschechische Roma-Band Gipsy.cz beim Eurovision Song Contest in Moskau punkten will. Nächste Woche wird sich zeigen, ob die Welt reif ist für amerikanischen Hip Hop gemischt mit der traditionellen Musik der tschechischen Roma und – wie in diesem Song – mit einem Schuss Freddy Mercury. Dieses Jahr ist nicht der erste Versuch für die Gipsys aus Tschechien beim europäischen Sängerwettstreit in der Schlussrunde zu landen. Schon 2007 und 2008 haben sie es versucht, sind aber in der tschechischen Vorentscheidung herausgeflogen.

Dafür konnten Gipsy.cz andere nationale und internationale Erfolge feiern. Eine Goldene Schallplatte für das Debütalbum „Romano Hip Hop“ von 2006, der Titelsong war ein tschechischer Top-10-Hit. Gipsy.cz erhielten außerdem den begehrten Andel Award als Entdeckung des Jahres – so etwas wie ein tschechischer Grammy und sie machten eine Europa-Tournee und platzierten sich obendrein im MTV World Chart Express.

Generalprobe der Band Gipsy.cz vor dem Sängerwettstreit 'Eurovision Song Contest'  (Foto: ČTK)
In diesem Jahr hat es endlich mit dem Eurovision Song Contest geklappt. Das Auswahlverfahren lag in diesem Jahr in der Hand des Tschechischen Fernsehens. Und nun bereiten sich die sechs Musiker von Gipsy.cz schon in Moskau auf die europäische mediale Reifeprüfung vor. Und zwar mit „Aven Romale“ – Kommt, ihr Roma. Worum es in dem Stück geht, das erklärt Frontmann und Sänger der Kapelle Radoslav „Gipsy“ Banga:

„Für mich ist das Roma-Sein keine Frage irgendeiner inneren Überzeugung. Und in dem Song sage ich eben, ich werde den Leuten zeigen, wie sie sich als Roma fühlen würden. Dann können sie sehen, dass das gar kein Problem ist. Und am Ende werden wir das Wort Roma gar nicht mehr benutzen müssen. Das wird keine Rolle mehr spielen.“

Im Videoclip zu diesem Lied trägt Sänger Banga einen laienhaft zusammengestrickten, knallroten Einteiler mit Umhang. Auf der Brust prangen die Buchstaben SG – Super-Gipsy. Er hat Bärenkräfte und kann fliegen. Das nutzt er dann in den Straßen Prags zur Rettung aller Witwen, Waisen und Verfolgten und zwar mit einem unübersehbaren Augenzwinkern. Die für Gipsy.cz ganz typische Selbstironie. Wird das Super-Gipsy-Kostüm auch in Moskau zum Einsatz kommen? Radoslav Banga

Vojtěch Lavička und Radoslav Banga  (Foto: ČTK)
„Natürlich. Dieses Kostüm von Super-Gipsy ist eigentlich so ein Symbol, eine Parodie auf das Wörtchen ´super´. Bis jetzt hat es natürlich nie einen Helden wie einen Super-Roma gegeben. Aber bei all den Spidermännern und Supermännern haben wir uns gesagt, es müsste eigentlich einen Super-Roma geben. Der ist natürlich insgesamt viel älter, als all die anderen Superhelden. Aber auch unser Held geht gegen Betrüger und Gangster vor und rettet die Welt. Das ist schon sehr nah an Bollywood dran. Aber das soll eben auch ein bisschen auf unsere Herkunft anspielen. Wir stammen ja ursprünglich aus Indien. Es geht also thematisch um das Wort Roma. Mit dem Super-Gipsy-Anzug, den ich trage, versuche ich auch zu sagen: ´Seht her, macht daraus nicht so ein Drama!´. Wichtig ist eben, was Du im innern deines Herzen für ein Mensch bist.“

Gispy.cz sind stolz, ihr Land in Moskau auf dem Eurovision Song Contest repräsentieren zu dürfen. Es sei aber nicht nur wichtig für ihn und seine Band, sagt Radoslav Banga.

„Sicher. Ich glaube, es ist wichtig für die beiden Nationalitäten, die in meinem Leben eine Rolle spielen. Die erste sind für mich die Tschechen. Ich glaube, den Wettbewerb als Tschechen zugewinnen, das wäre natürlich super. Die andere Nationalität sind die Roma. Und beim Wettbewerb als Tscheche und Roma zu gewinnen, das wäre schon stark. Ich denke, das bringt einige Roma vom Sofa herunter. Ich möchte sie inspirieren. Wir Roma haben einfach keine markanten Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit. Wenn ich mal von Vera Bila absehe. Niemanden, zu dem wir aufsehen können. Wir haben in ganz Europa niemanden, der eine Art politische Persönlichkeit wäre. Und ich glaube, Gipsy.cz könnten das erfüllen.“

Gipsy.cz  (Foto: Štěpánka Budková)
Die Situation in Tschechien, im Land aus dem Gipsy.cz kommen, ist angespannt. Neonazis und immer wieder auch ganz normale Bürger machen mobil gegen die Roma-Minderheit. Viele Roma selbst kritisieren eine Lethargie bei ihren Landsleuten. Sie bleiben die unterste soziale Schicht. Der jüngste Brandanschlag auf eine Roma-Familie hat die Diskussion um diese Minderheit neu entfacht. Hinzu kommt, dass – aus verschiedenen Beweggründen – mehrere hundert Roma allein in diesem Jahr Asylanträge in Kanada gestellt haben und zum Teil schon ausgewandert sind. Hängt das Engagement von Gipsy.cz auch damit zusammen? Sie haben sich auch in ihrem Lieder immer wieder dazu zu Wort gemeldet.

„Das hängt natürlich auch damit zusammen. Ich glaube, dass das eine sehr passende Zeit ist, vielleicht sogar die beste Zeit, den Eurovision Contest zu gewinnen - die Anti-Roma-Stimmung hier in Tschechien und der Radikalismus, der jetzt Zulauf hat, nicht nur hier, sondern in ganz Europa. Und gerade jetzt den Wettbewerb als Zigeuner zu gewinnen, ich denke, das würde in manchen Gegenden das ganze ein bisschen neutralisieren. Das Umfeld ist insgesamt sehr negativ, und da wäre es gut, etwas Positives auf die Beine zu stellen.“

Und Radoslav „Gipsy“ Banga selbst? Hat er je darüber nachgedacht zu emigrieren, gerade jetzt, wo sich die Situation verschärft?

„Zu emigrieren hat überhaupt keinen Sinn, meiner Ansicht nach. Nirgendwo auf der Welt wird das anders sein. Die Menschen sind da alle gleich. Ich bin eher eine Kämpfernatur. Und vor der Tatsache, dass man Roma ist, kann man nicht weglaufen. Gerade bei der schlechten Meinung von Roma in der Tschechischen Republik hoffe ich, dass wir die Roma-Gemeinschaft auch mal wachrüttelt, dass sie endlich etwas unternehmen, dass wir nicht nur schweigen, dass endlich etwas passiert.“