Kompromiss oder Erpressung: Regierung und Opposition einigen sich bei Beamtengesetz

Illustrationsfoto: ČT24

Das sogenannte Beamtengesetz ist ein heißes Thema in Tschechien. Denn die Europäische Kommission droht Gelder aus Brüssel zu sperren, sollte diese Rechtsnorm hierzulande nicht ab kommendem Jahr gültig sein. Diesen Termindruck hat die Opposition ausgenutzt, um eigene Vorstellungen über das Beamtengesetz zu lancieren. Am Mittwoch einigten sich die drei Regierungsparteien und zwei konservative Oppositionskräfte auf einen Kompromiss - doch es gibt auch einen Minister, der das Erreichte etwas anders bezeichnet.

Illustrationsfoto: ČT24
Für den Normalbürger mag der Begriff Beamtengesetz vielleicht sperrig klingen, doch in der tschechischen Politik sind in den vergangenen Wochen deswegen die Emotionen hochgekocht. Schließlich geht es um die Macht der Parteien. Das neue Gesetz soll gerade den Einfluss der Politik auf die öffentliche Verwaltung einschränken. Wie das aber geschehen soll und vor allem in welchem Maße das geschehen soll, darüber haben sich Regierung und Opposition heftig gestritten.

Miroslav Kalousek  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Vor allem die konservativen Oppositionsparteien lehnten den Regierungsvorschlag zum Beamtengesetz ab. Da diese Rechtsnorm bereits im Abgeordnetenhaus behandelt wurde, drohten Top 09 und Demokratische Bürgerpartei (ODS), bis auf Weiteres die untere Parlamentskammer durch endlose Reden lahmzulegen. Miroslav Kalousek, der stellvertretende Top-09-Vorsitzende, rechtfertigte dieses Vorgehen:

„Wir haben das Mittel des Blockierens nur in diesem Ausnahmefall angedroht. Ich hoffe, dass dies in der gesamten restlichen Legislaturperiode nicht mehr nötig sein wird. Wir greifen nur in dem Fall zu diesem Mittel, wenn wir das Gefühl haben, dass die demokratische Ausrichtung des Staates bedroht ist.“

Jiří Dienstbier  (Foto: Archiv ČSSD)
Woran sich die Opposition vor allem stieß, war der Plan, eine sogenannte Generaldirektion des öffentlichen Dienstes zu schaffen. Der Generaldirektor hätte dabei weitreichende Kompetenzen gehabt, so zum Beispiel die Auswahl der Staatssekretäre und der Leiter wichtiger staatlicher Behörden. Diese wären damit dem Einfluss der Parteien zum Teil entzogen gewesen. Entsprechende Vorbilder gibt es innerhalb der EU, so unter anderem in Frankreich. Ausgerechnet Frankreich muss man da aber sagen, denn das Land ist berühmt-berüchtigt für seinen aufgeblähten Staatsdienst.

In jedem Fall blätterte zuletzt auch innerhalb der Koalition die Unterstützung für die Idee einer Generaldirektion. Zum Schluss waren nur noch Premier Bohuslav Sobotka dafür und Jiří Dienstbier, der Leiter des Legislativrates, der den Regierungsvorschlag ausgearbeitet hat. Die Ano-Partei und die Christdemokraten hatten sich hingegen schon von den Plänen der Sozialdemokraten verabschiedet.

Bohuslav Sobotka  (Foto: Kristýna Maková)
Unter dem Druck der Opposition schwenkte dann auch Bohuslav Sobotka um. Im Kompromiss zum Beamtengesetz gibt es nun keine Generaldirektion mehr. Als eigene Niederlage wollte der Premier dies aber nicht verstanden wissen. Er verwies darauf, dass die drohende Blockade des Parlaments abgewendet wurde:

„Aus meiner Sicht haben wir damit den Raum geschaffen, dass im September im Abgeordnetenhaus alle geplanten Regierungsvorhaben genehmigt werden können. Das sind zum Beispiel die Steuergesetze inklusive einer Senkung der Mehrwertsteuer sowie die Abschaffung der Zuzahlungen im Gesundheitswesen. Und dazu gehört auch eine Mehrheit von 150 Stimmen der insgesamt 200 Abgeordneten für das Beamtengesetz. Das ist wirklich eine sehr starke Mehrheit für den Kompromiss, den wir gefunden haben. Andernfalls wäre im September das Abgeordnetenhaus blockiert gewesen, was nur die Politikmüdigkeit in der tschechischen Bevölkerung noch verstärkt hätte. Tatsächlich wird die Übereinkunft zwischen Regierung und Opposition von allen befürwortet, weil das Parlament jetzt wieder zu seiner normalen Tätigkeit zurückkehren kann.“

Illustrationsfoto: Archiv Radio Prag
Der Kompromiss sieht nun vor, dass anstatt eines Generaldirektors ein Staatssekretär für den öffentlichen Dienst berufen wird. Dieser soll im Innenministerium sitzen und von der Regierung für sechs Jahre ernannt werden. Seine Kompetenzen dürften aber wohl nicht so weit gehen, wie dies beim Generaldirektor der Fall gewesen ist.

Genau dies kritisiert Jiří Dienstbier, der Sozialdemokrat hatte ein halbes Jahr lang am ursprünglichen Regierungsentwurf gearbeitet:

„Das jetzt Ausgehandelte ist natürlich besser als der derzeitige Zustand. Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf der Regierungskoalition sieht es aber keine Abkehr von politisch motivierten Personalentscheidungen vor. So sollen die Staatssekretäre an den Ministerien durch die Regierung auf Vorschlag des jeweiligen Ministers ernannt werden. In meinem Entwurf hätte hingegen die geplante Generaldirektion den Posten ausgeschrieben. Das wäre zwar auch unter Beteiligung von Vertretern der Ministerien geschehen, aber nicht auf Entscheidung der Ressortchefs. Insgesamt ist das kein normaler Kompromiss, denn es drohte eine totale Blockade des Parlaments. Ich nenne das einen Kompromiss durch Erpressung von Miroslav Kalousek.“

Foto: Archiv Radio Prag
Dienstbier war Ende vergangene Woche ziemlich aufgebracht. Er betonte, dass gerade die Europäische Kommission eine Entpolitisierung des Staatsdienstes fordert. Bisher ist es in Tschechien schließlich Usus, dass jede neue Regierung in den Ministerien und in weiteren Regierungsinstitutionen einen Großteil des Personals austauscht – und zwar nicht nur stellvertretende Minister, sondern auch Staatssekretäre und Abteilungsleiter. Die Folge ist eine sehr instabile Staatsverwaltung. Dabei fehlen dem öffentlichen Dienst die Fachkräfte. Angesichts wackelnder Sessel und schlechter Bezahlung zieht der fähige Nachwuchs eine Beschäftigung im privaten Sektor vor.

All dies soll durch das Beamtengesetz eigentlich behoben werden, und das macht die Arbeit an dem Gesetzestext schwierig. Zugleich drängt die Zeit enorm, dass der nun ausgehandelte Kompromiss in eine Form gegossen wird, die auch die Europäische Kommission zufriedenstellt. Bis Ende dieses Monats soll das geschehen. Angesichts der Riesenaufgabe, vor der das Innenministerium als federführende Institution nun steht, fürchtet Kritiker Dienstbier Schlimmes:

Foto: Patrycja Cieszkowska,  Free Images
„Meiner Überzeugung nach wird sich in 14 Tagen zeigen, dass in so kurzer Zeit kein Gesetzvorschlag in ausreichender Qualität ausgearbeitet werden kann. Solch ein Vorschlag entsteht in der Regel über Monate hinweg. Und selbst dann ist nicht garantiert, dass jeglicher Fehler vermieden wird. In zwei oder drei Wochen nun ein solch grundlegendes Gesetz wie das Beamtengesetz in zentralen Punkten und zudem fehlerlos umzuschreiben, das halte ich praktisch für unmöglich.“

Sollte die Europäische Kommission nicht zufrieden sein, könnten umgerechnet etwa 18 Milliarden Euro Fördergelder aus Brüssel erst einmal nicht bewilligt werden.

Was der Kompromiss zum Beamtengesetz wirklich bedeutet, darüber sind die politischen Kommentatoren und Politologen in Tschechien unterschiedlicher Meinung. Viele von ihnen behaupten aber, dass der Staatsdienst hierzulande ohnehin nicht entpolitisiert würde – und zwar weder durch die jetzt beschlossenen Änderungen noch durch Dienstbiers ursprünglichen Entwurf. Etwas differenzierter sieht das der Politologe Kamil Švec. Der Wissenschaftler von der Prager Karlsuniversität glaubt, dass es nun darauf ankomme, wie der Kompromiss in Textform gegossen werde:

Kamil Švec  (Foto: Archiv der Karlsuniversität in Prag)
„Es wird weiter wichtig sein, alle Entwicklungen um das Beamtengesetz herum zu verfolgen. Mit dem Mittwochabend ist noch nichts entschieden worden, im Gegenteil: Jetzt beginnt es erst. Wenn also die Generaldirektion nicht entsteht, sondern ihre Funktion stattdessen vom Staatssekretär im Innenministerium übernommen werden soll, dann wird die genaue Bemessung der Kompetenzen wichtig. Das wird sich erst zeigen, wenn der neue Gesetzesentwurf vorliegt. Eine Gefahr, dass der Staatsdienst zentralisiert werden könnte, droht genauso beim Modell mit Staatssekretär wie dies bei der Einrichtung einer Generaldirektion im Regierungsamt gewesen wäre.“

Vielleicht gibt es im Herbst also eine neue Runde im Streit um das Beamtengesetz.