Kriegsende vor 60 Jahren in Südostmähren
In den Weißen Karpaten wurde wieder gekämpft, informierte Anfang April die tschechische Nachrichtenagentur CTK. Rund 150 Soldaten in sowjetischen und rumänischen Uniformen auf der einen und in deutschen Uniformen auf der anderen Seite würden sich in der Nähe der Gemeinde Strani bei Uhersky Brod an der mährisch-slowakischen Grenze ein heftiges Gefecht liefern, unterstützt durch schwere Technik. Nach einem einstündigen Kampf gelang es den ersteren, die Verteidigungspositionen der deutschen Seite zu durchbrechen und ihren Rückzug zu erzwingen. Die Rede ist natürlich nicht von einem echten Kampf, die uniformierten Soldaten waren Mitglieder mehrerer Klubs für Militärgeschichte, unterstützt von ihren Sympathisanten, die aus ganz Tschechien angereist waren, um im Rahmen ihrer Möglichkeiten und im Zeitraffer die historischen Kämpfe nachzustellen. Der Anlass war der 60. Jahrestag der Befreiung der südostmährischen Region um Uhersky Brod. Für Jitka Mladkova ein Anlass, diesem Thema nachzugehen. Mehr erfahren Sie von ihr in der nun folgenden Ausgabe der Sendereihe Regionaljournal:
Dort, wo sich am 2. April dieses Jahres mehrere tausend Zuschauer eingefunden haben, spielten sich vor genau 60 Jahren schwere Kämpfe zwischen Einheiten der deutschen Wehrmacht und der aus dem Osten vordringenden Armeen der Sowjetunion und Rumäniens ab. Da ich zunächst etwas mehr über die realen Kämpfe im April 1945 erfahren wollte, bat ich einen Sachkundigen um Informationen. Dipl. Ing. Otokar Paule, Leutnant der Tschechischen Armee a. D. und Hobbyhistoriker aus Uherske Hradiste, konnte über die damaligen Kämpfe um die Gemeinde Strani viel erzählen:
"Ausschlaggebend für das Erreichen mährischen Bodens war die Überwindung des westslowakischen Flusses Vah. Dies geschah am 7. April in der Stadt Nove Mesto nad Vahom, und in Trencin am 9. und 10. April. Von hier aus zogen die Einheiten der Roten Armee Richtung Uhersky Brod in Mähren. Am 13. April gelang es der 232. Schützendivision bis zur Gemeinde Strani vorzurücken, die auch faktisch ohne Gefecht befreit werden konnte."
Kurz darauf ist allerdings eine Wende eingetreten. Otokar Paule erzählt weiter:
"An den umliegenden Hängen hat sich die Verteidigung der Nazitruppen verschanzt - sehr gut verschanzt sogar, sodass sie den Ansturm der Sowjets abwehren konnte. Am Abend kam die sowjetische Division zunächst durch, doch schon am darauf folgenden Tag haben die Nazis einen Gegenangriff begonnen, bei dem der Gegner bis an den Rand von Strani zurückgedrängt wurde. Da gab es schon viele Todesopfer."
Einen Tag später ordnete der russische Befehlshaber einen neuen Angriff gegen die Deutschen an. Es begann ein verbitterter Kampf mit Hunderten von Opfern auf beiden Seiten und mit ebenso vielen Verletzten. Die deutsche Verteidigung konnte den attackierenden Russen bis zum 26. April standhalten. An diesem Tag, an dem bereits die südmährische Metropole Brno/Brünn befreit wurde, kamen die 232. und die 240. Division in der Stadt Uhersky Brod an, erst am 1. Mai konnten sie das Zentrum der Region, Uherske Hradiste, befreien. Wie viele Männer kämpften in den Einheiten, fragte ich Herrn Paule:
"Auf der Seite der Sowjets führte den Kampf anfangs eine Division mit drei Bataillonen mit je ca. 400 Mann. Durch die erlittenen Verluste waren es dann immer weniger. Wie viele Männer auf der deutschen Seite kämpften, ist mir nicht bekannt. Es ist aber anzunehmen, dass ihre Zahl etwa um ein Drittel niedriger lag. An den Kämpfen in der Region um Uhersky Brod und Uherske Hradiste waren damals auf Seiten der Sowjets auch rumänische Einheiten beteiligt. Es war die von Korpsgeneral Nikolae Dascalescu geführte vierte rumänische Armee, die über drei Armeekorps mit je drei Divisionen verfügte. Die Rumänen unterlagen jedoch dem Kommando des Oberbefehlshabers der 40. Sowjetarmee, Generalleutnant Schmatschenko."
Die Opferbilanz der Kämpfe bei Strani, wo die Frontlinie für einige Tage stehen blieb, war tragisch: In den Reihen der Roten Armee und der rumänischen Truppen wurden etwa 300 Tote verzeichnet, auf Seiten der Deutschen waren es vermutlich noch mehr. Beide verbündeten Armeen rückten dann gemeinsam weiter nach Mähren und Böhmen vor, wo sie unweit von Havlickuv Brod Halt machten. Hier ereilte sie die Nachricht über das Kriegsende, doch damit waren für die Soldaten die Qualen der damaligen Zeit bei weitem nicht zu Ende. Zumindest für die Rotarmisten. Sie wurden entwaffnet und mussten einen Fußmarsch antreten - über ganz Mähren und die Slowakei bis an den Plattensee in Ungarn, von wo aus sie erst mit Zügen in die Sowjetunion befördert wurden.
Den Menschen heute die realen Kämpfe um Strani nahe zu bringen, das haben sich, wie bereits anfangs gesagt, mehrere Hobbyklubs für Militärgeschichte vorgenommen. Am Szenario der nachgestellten Schlacht arbeitete ein kleines Enthusiastenteam fast ein Jahr lang, um ein möglichst hohes Maß an Authentizität zu erreichen. Was sind das für Menschen, die die Belebung der Militärgeschichte zu ihrem Hobby gemacht haben? Eine Antwort suchte ich bei Josef Pellar. Sein Hobbyklub namens Maxim aus dem südmährischen Otrokovice war Anfang April auch mit von der Partie beim Kampf in Strani:
"Unseren Klub Maxim haben wir zu fünft gegründet. Uns alle verband das Interesse für Militärgeschichte. Für den Höhepunkt unserer Tätigkeit halten wir die Vorführungen verschiedener historischer Schlachten ungefähr so, wie sie einst über die Bühne gingen. Realistischer wäre nur noch, an einem echten Krieg teilzunehmen, aber das will selbstverständlich keiner von uns."
Der Klub Maxim, der als registrierte Bürgerinitiative entstand und mittlerweile ca. 20 Mitglieder zählt, nimmt landesweit an verschiedenen Veranstaltungen teil, bei denen Kämpfe des Zweiten Weltkrieges nachgestellt werden. Pellar selbst mag es aber auch, sich in weiter zurückliegende Zeitepochen, z.B. in eine Schlacht der napoleonischen oder der preußisch-österreichischen Kriege oder gar ins Mittelalter zurückzuversetzen.
In seinem Besitz befinden sich mehrere Uniformen verschiedener Armeen des Zweiten Weltkrieges. Wie schafft man sich so etwas an, wollte ich wissen:
"Buchstäblich in der ganzen Welt. Ich kann ein schönes Beispiel nennen: In meiner Sammlung habe ich eine deutsche Uniform, die aus einem umgenähten Rock aus der Schweiz, einem Überzieher aus Deutschland, einer Hose aus Polen und Schuhen der tschechoslowakischen Armee entstand. Sie stellt jetzt die Uniform der 5. Panzerdivision SS Wiking dar."
Ein recht kostspieliges Hobby, und das ohne Sponsoren, wohl gemerkt! Die Preise für die Uniformstücke bewegen sich in einer Höhe von mehreren zehntausend Kronen, die die Fans der Militärgeschichte freiwillig aus dem eigenem Portemonnaie bezahlen. Der Enthusiast Josef Pellar nimmt das offensichtlich in Kauf:
"Die Militärgeschichte ist mein Leben. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ich mich diesem Hobby nicht widmen würde. Es macht mir unheimlich viel Spaß. Und für meine Kollegen im Klub gilt dasselbe."
Der 28-jährige Josef Pellar ist aber auch davon überzeugt, dass die junge Generation viele Wissenslücken im Fach Geschichte hat, und deshalb, so meint er, soll man sie auch an den Krieg erinnern. Auf die Frage "Warum?" hat er eine kurz gefasste Antwort parat:
"Das ist doch Geschichte, und die darf man nicht vergessen!"
Und wie sieht der Historiker Otokar Paule, Jahrgang 1928, die Tätigkeit der Hobbyklubs für Militärgeschichte?
"Meine Meinung ist wohl die der alten Generation. Einfach gesagt, wir haben so etwas im Blut. Ich habe zwar nicht im Krieg gekämpft, aber auch so habe ich vieles von ihm erlebt. Für diese Hobbytätigkeit habe ich nur Worte des Lobes übrig!"
Abschließend noch eine Stimme. Einer, der im April 1945 an den Kämpfen um Strani teilgenommen und diese überlebt hat, ist Boris Afanasjev, ein damals 20-jähriger Soldat der Roten Armee. Der Kriegsveteran besuchte Anfang April Strani, und dann noch zwei andere Gemeinden in der Nachbarschaft, wo man ihm schon vor mehreren Jahren die Ehrenbürgerschaft verliehen hatte. Auch er sah sich die Rekonstruktion der Schlacht um Strani an. Radio Prag hat ihn nach seinen Eindrücken gefragt:
"Das, was damals im Krieg war, ist mit der nachgestellten Schlacht schwer zu vergleichen. Die Rekonstruktion war gut vorbereitet, aber damals war natürlich alles viel gefährlicher, da wir ununterbrochen unter Beschuss standen, sei es von der Artillerie, der Luftwaffe oder von Maschinenpistolen. Es ist allerdings gut, so etwas auch heute noch zu zeigen, damit möglichst viele Leute wissen, wie schwer es damals war."