Krizek: Immer mehr Firmen erkennen, dass sie vom gesellschaftlichen Engagement profitieren
Im nun folgenden Wirtschaftsmagazin ist Lothar Martin einmal der Frage nachgegangen: Nehmen Wirtschaftsunternehmen im Zeitalter der Globalisierung eigentlich noch ihre gesellschaftliche und soziale Verantwortung wahr? Dank einer in Tschechien durchgeführten Studie ist er dabei auf ein für Viele sicher überraschendes Ergebnis gestoßen.
Wir leben mittlerweile schon das fünfte Jahr im dritten Jahrtausend. Doch diese noch junge Zeitepoche hat bereits eine fundamentale Zuordnung bekommen, die allgemein eher verteufelt denn bejubelt wird, weil sie nicht selten und zum großen Teil aus Unwissenheit existenzielle Ängste schürt - die Epoche der Globalisierung. Ängste deshalb, weil die Globalisierung fast ausnahmslos als ein Prozess der wirtschaftlichen Expansion und Machterweiterung angesehen wird, bei dem immer mehr Menschen sozial auf der Strecke bleiben. Immer häufiger wird in diesem Prozess gut florierenden Unternehmen vorgeworfen, nur noch auf die Maximierung ihrer Gewinne ausgerichtet zu sein, während das soziale Umfeld, das in und um örtliche wie regionale Firmen geschaffen wird, immer mehr abgebaut werde. Beklagt wird vor allem in großen, aber relativ teuer produzierenden Industrienationen wie Deutschland oder Frankreich die zunehmende Auslagerung von wirtschaftlichen Teilkomponenten bis hin zur Abwanderung von kompletten Unternehmen in die so genannten Billiglohnländer Mittel- und Osteuropas. Doch der damit oft verbundene Vorwurf, dass diese Firmen nur des Profits wegen gen Osten ziehen, kann so nicht bestätigt werden. Die meisten von ihnen engagieren sich nämlich auch gesellschaftlich im jeweiligen Gast- bzw. neuem Produktionsland. Das belegt auch eine von der Tschechischen Christlichen Akademie durchgeführte Studie, die "das gesellschaftliche Engagement deutscher Unternehmen in Tschechien" untersucht hat und die Anfang Juni im Theatersaal des Prager Emmausklosters vorgestellt wurde. Und zwar vom Direktor des deutschen Center for Corporate Citizenship, Prof. André Habisch, und vom Projektreferenten der Akademie, Dipl. Theol. Petr Krizek. Mit Letzterem habe ich nach der Präsentation das folgende Gespräch geführt:
Wie ist es zu diesem Projekt gekommen und welche Erkenntnisse haben Sie dabei gewonnen?
"Also gekommen ist es dadurch, dass wir hier öfters auf die Meinung gestoßen sind, dass die ausländischen Investoren in das Land kommen, um nur die Vorteile des Gastlandes - wie zum Beispiel niedrige Löhne und gut ausgebildetes Personal - zu nutzen, ohne jedoch für das Land, die Region bzw. die Ortschaft, in der sie tätig sind, etwas zu unternehmen. Aus eigener Erfahrung haben wir aber gewusst, dass dies nicht der Realität entspricht, dass es gerade viele deutsche Unternehmen sind, die sich sehr stark in unserem Land engagieren. Daher haben wir mit diesem Projekt begonnen, um auch der Öffentlichkeit zu zeigen: Erstens, was in diesem Bereich bereits geschieht, und zum Zweiten wollen wir diejenigen inspirieren, die in diesem Bereich noch nicht tätig sind, aber trotzdem offene Ohren für so etwas haben. Gerade die Unternehmen, die in der sozial sehr komplizierten Grenzregion tätig sind, erkennen die Notwendigkeit eines solchen Engagements. Sei es der Wegzug der gut ausgebildeten Kräfte aus diesen Gegenden, sei es die Zerstörung der Infrastruktur, das alles bringt die Firmen dazu, sich zu engagieren. Und ich möchte betonen, dass dieses Projekt mit der abschließenden Studie noch nicht zu Ende ist. Wir werden in den Herbstmonaten in den jeweiligen Regionen ähnliche Kolloquien durchführen mit den örtlichen Vertretern der Kommunalpolitik, des NGO-Sektors und der Unternehmen, um weiterhin zu motivieren, zu stimulieren, zu inspirieren."
Wie viele deutsche und österreichische Firmen sind es denn, die sich hier in Tschechien schon aktiv engagieren?
"Also wir haben 233 Firmen angeschrieben, wir haben die Antworten von etwa 30 Prozent zurückbekommen, und von diesen 30 Prozent, die zurückkamen, waren deutlich mehr als die Hälfte gesellschaftlich engagiert."
Was sind die markantesten Projekte, die derzeit laufen? Wo wird am meisten unterstützt?
"Am meisten wird im Bereich des Sports unterstützt, wobei das eigentlich nicht derjenige Bereich war, der uns am meisten interessiert hat. In diesem Bereich werden einfach Finanzmittel zur Verfügung gestellt, die zwar sehr gefragt werden, aber nicht der Sinn solch eines gesellschaftlichen Engagements sind. Viel interessanter und auch für die Firmen effektiver sind diejenigen Projekte, in die auch die eigenen Mitarbeiter einbezogen werden. Als Beispiel kann ich eine Firma nennen, die in der gesamten Republik tätig ist. Es handelt sich um ein Lebensmittelunternehmen, das sehr viele Filialen hat. Es betreibt ganz bewusst eine Kooperation mit einem Kinderzentrum in der ostböhmischen Stadt Jilemnice, wo die eigenen Mitarbeiter regelmäßig mehrere Male im Jahr dieses Zentrum besuchen, um sich den Kindern zu widmen, mit ihnen zu spielen und sie umfassend zu betreuen. Dabei nutzen sie die Möglichkeit, ihre eigenen Kommunikationskompetenzen, die ihnen dann wieder in ihrem Beruf zugute kommen, zu üben und zu verbessern."
Die deutschen Firmen haben aber sicher auch tschechische Mitarbeiter, die hier vor Ort arbeiten. Sonst würde es ein Kommunikationsproblem geben, oder?
"Ja, auf jeden Fall. Aber wir haben auch Projekte gefunden, wo deutsche und tschechische Mitarbeiter gemeinsam tätig sind. Zu erwähnen ist beispielsweise die Initiative, die in Südböhmen bei der Firma Robert Bosch läuft. Sie hat ein ganz tolles Projekt, bei dem ihre Auszubildenden aus Ceske Budejovice / Budweis und aus Deutschland einmal im Jahr eine Woche lang zusammengebracht werden, um gemeinsam für ein Sportzentrum der Behinderten in Budweis Werkzeuge und dgl. zu reparieren, kurz: um für diese Menschen einfach da zu sein. Hier wird deutlich, welche Effekte es bringt, wenn drei unterschiedliche Partner - in diesem Fall aus dem Bereich des Schulwesens, aus dem Bereich der Wirtschaft und aus dem zivilgesellschaftlichen Sektor - gemeinsam ein Projekt aufbauen."
Glauben Sie, dass sich in Zukunft noch mehr Firmen engagieren werden, dass es sozusagen ein System geben wird, bei dem man merkt, dass es in Zukunft nur in diese Richtung gehen wird?
"Ich bin davon überzeugt, da es wirklich sehr ansteckend ist. Vor allem aber, weil die Firmen immer mehr sehen, wenn sie sich auf diese Weise engagieren, dann profitieren sie auch davon. Sie haben Profit davon, und das ist auch ihre Aufgabe."
Aber nicht nur Profit in Zahlen, sondern auch Profit im menschlichen Miteinander?
"Ja, selbstverständlich."
Professor Habisch lobte die veröffentlichte Studie als eine der ersten ihrer Art, die auch international vorliegt, ergänzte jedoch auch, dass die Erfassung, Anleitung und Koordinierung des gesellschaftlichen Engagements deutscher Firmen in Tschechien quasi noch am Anfang stehe:
"Es wird aber schon deutlich, dass viele Unternehmen noch am Anfang stehen bei der Aufgabe, ihr gesellschaftliches Engagement auch wirklich konkret zu gestalten und nicht nur auf Zuruf Spendenaktivitäten oder dgl. zu entfalten. Doch das ist gerade die Herausforderung, in die sich jetzt auch Herr Krizek und die Tschechische Christliche Akademie ein Stück weit einbringen wollen."
Mir bleibt an dieser Stelle nur zu wünschen, dass es schon recht bald eine Selbstverständlichkeit ist, dass sich europäische Unternehmen in ganz Europa gesellschaftlich engagieren und sie in jeder Hinsicht auch als die wichtigen Eckpfeiler der EU wahrgenommen werden.