Kuba: Träume und Schäume zwischen Karibikstrand und Rostmuseum
Wenn einer eine Reise macht, dann hat er viel zu erzählen. Besonders dann, wenn sie ihn nicht nur weit weg vom gewohnten Zuhause, sondern auch noch in ein anderes Klima, eine andere Kultur, ja in ein völlig anderes Umfeld führt. Genauer gesagt auf die viel besungene Zucker- und Urlaubsinsel Kuba in der Karibik.
Schon beim Verlassen des Flughafens in Havanna merken Sie, dass Sie nicht mehr in Europa sind: die hohe Luftfeuchtigkeit lässt ihre Schweißperlen wie Butter in der Sonne schmelzen. Was Sie dann jedoch am südlichen Ufer der Meerenge von Florida in der kubanischen Hauptstadt erwartet, ist der Unterschied von Tag und Nacht. Denn genauso wie Sie hier auf die gut durchgemischte Bevölkerung aus Weißen, Schwarzen und Mischlingen treffen, so begegnen Sie den grellen Kontrasten des Landes auf Schritt und Tritt. Im glasklaren Wasser des Meeres bricht sich die geschundene Silhouette der Zwei-Millionen-Metropole. Den Tophotels am Strand von Varadero stehen die ausgewohnten und zum Teil verelendeten Häuserzeilen mitten in der City von Havanna gegenüber. Eine alte Industrieanlage bei Santa Cruz del Norte würde sich auch trefflich als Museum für Rost und Metallabnutzung eignen. Die geschmackvoll zubereiteten Speisen in einem Nobelrestaurant am Plaza Vieja ergeben kein Menü mit dem sehr knappen und biederen Nahrungsmittelangebot in einem citynahen Stadtteil von Havanna. Auf unseren Fahrten durch die herrlich grüne Tropenlandschaft der Palmen und Bambusse sind meine Frau und ich mit einem tschechischen Skoda Fabia unterwegs. Mit diesem Gefährt dürfen Sie sich getrost als priviligiert ansehen unter den oft minuten- bis stundenlang auf eine Mitfahrgelegenheit wartenden Insulanern. Denn aus Mangel an Bussen und anderen Fahrzeugen wird der Transport auf Kuba auf ganz eigene Weise geregelt: nahezu jeder Lkw-Fahrer befördert auf der Ladefläche seines Dieselfressers die Landsleute und Haustiere von A nach B. Es scheint, als wenn auf Kuba die Zeit im vergangenen Jahrhundert stehen geblieben ist. Aber wollen die Menschen auf Kuba eigentlich nicht gerade so oder doch anders leben? Ältere Kubaner behaupteten uns gegenüber, dass drei Fünftel der Bevölkerung den Revolutionären um Fidel Castro dankbar seien, da er "ihnen mehr gegeben hat als andere zuvor genommen haben." Zum Beispiel eine gute medizinische Grundversorgung. Ein junger Kubaner entgegnete wiederum: "Toll hier, was? Havanna hat über zwei Millionen Einwohner, davon sind eine Million Polizisten, die eine zerstörte Stadt kontrollieren." Viele Kubaner wollen diese ständige Überwachung nicht mehr, sondern wie mündige Bürger behandelt werden. Deshalb unterstützen auch Tschechiens Ex-Präsident Vaclav Havel und die Mehrheit der tschechischen Politiker die sich auf Kuba regende Opposition. Aber auch in Mittel- und Osteuropa sind die Prozesse, die um das Jahr 1989 zur politischen Wende in gleich mehreren Staaten führten, nicht über Nacht ausgebrochen. Lassen wir also auch den flexiblen Kubanern die Zeit, die sie brauchen, um für sich zu entscheiden, ob sie ihren Werdegang in Zukunft wie bisher oder in einem pluralistischen Staat fortsetzen wollen. Diese Chance haben sie sich auf jeden Fall verdient.