Landwirte drehen Spieß um: Milchautomaten und neues Gesetz die Waffen im Preiskampf

Die tschechischen Landwirte haben das vergangene Jahr mit einem Gewinn abgeschlossen. Mit umgerechnet 125 Millionen Euro ist dieser Gewinn allerdings so niedrig wie noch nie seit dem EU-Beitritt des Landes im Jahr 2004. Ein Grund für den beträchtlichen Einnahmenschwund der Landwirte, der im Jahresvergleich 25 Prozent betrug, waren die sehr niedrigen Einkaufspreise für Milch. Mit einer zusätzlichen Subvention von Seiten der EU soll den Milchbauern jetzt geholfen werden.

Im vergangenen Jahr haben Tschechiens Milchbauern mehrfach gegen die niedrigen Abnahmepreise für ihre Milch demonstriert. Auf Druck der großen Handelsketten, die die Milch preiswert an die Verbraucher weitergeben, haben ihnen die Molkereien in der Regel keinen fairen Marktpreis gezahlt. Als Reaktion auf die Dumpingpreise haben die Landwirte Ende Oktober ihrer Wut Luft gemacht, indem sie frische Milch gleich zu Tausenden Litern auf den Feldern ausschütteten.

Der Einkaufspreis für ihre Milch liege schon 16 Monate deutlich unter den Produktionskosten, schimpfte ein Landwirt; und eine Milchbäuerin ergänzte, dass man schon fast ein Jahr lang um 2,50 Kronen weniger für einen Liter Milch erhalte, als es vordem der Fall war.

In der Tat, der Einkaufspreis für einen Liter Milch ist im vergangenen Jahr von ursprünglich acht Kronen je Liter auf bis unter sechs Kronen je Liter gefallen. Nach Abzug des Futters für die Tiere, der Transportkosten und diverser Steuern haben die Milchbauern daher ein Minusgeschäft betrieben, dass sie so nicht fortsetzen wollten. Mittlerweile aber habe sich die Situation schon ein wenig entspannt, meint der Agraranalytiker Petr Havel:

„Der Markt hat sich schon etwas bereinigt, und er wird es natürlich auch weiter tun. Zum Ende des vorigen Jahres haben die Milchpreise schon wieder leicht angezogen, und auch jetzt steigen sie, wenn auch kaum spürbar, weiter an. Auf alle Fälle liegen sie nun im Schnitt bei über sieben Kronen je Liter.“

Für Miroslav Jirovský, den Vorsitzende des Tschechischen Landwirtschaftsverbandes, ist dieser Preiszuwachs aber längst noch nicht genug:

Miroslav Jirovský
„Dieser Preis ist nicht ausreichend. Wir müssen uns die Landwirtschaft im benachbarten Deutschland zum Maßstab nehmen, und dort ist der Einkaufspreis für Milch um 50 Heller je Liter höher. Es ist daher unser Ziel, auch einen solchen Preis zu erzielen.“

Zur weiteren Verbesserung der Situation unter den Milchbauern soll jetzt eine außerordentliche Zuwendung der EU in Höhe von 300 Millionen Euro dienen. Diese Zuwendung wird anteilig an die EU-Mitgliedsstaaten weitergereicht, was der tschechische Premier Jan Fischer jüngst bestätigte:

„Auf die Tschechische Republik entfallen davon rund 5,8 Millionen Euro. Die Regierung wird diesen Betrag an die konkreten Antragsteller weiterleiten. Das Landwirtschaftministerium schätzt, dass die Zahl der Antragssteller bei 2500 liegen wird.“

Landwirtschaftsverbandschef Jirovský stellt jedoch sofort klar, dass dieser Zuschuss lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein sei:

„Ich möchte festhalten: Das ist die erste Hilfe aus Brüssel, die den Rinderzüchtern während der gesamten Milchkrise gewährt wird. Der Zuschuss stellt aber lediglich einen Zugewinn von sechs Hellern pro Liter Milch dar. Das bedeutet, das sind nur zweieinhalb Prozent des Preisverfalles, den wir im letzten Jahr bei der Milch gehabt haben.“

Roman Šustáček  (Foto: www.cestr.cz
Noch deutlicher wird der Vorsitzende des Verbandes der tschechischen Rinderzüchter, Roman Šustáček:

„Die finanzielle Unterstützung wird auf keinen Fall die Entwicklung aufhalten, nach der die Rinderbestände in Tschechien immer kleiner werden. Der Zuschuss ist zu gering, ja ich muss sagen: Sechs Heller mehr für einen Liter ist einfach lächerlich. Nichtsdestotrotz sind die Landwirte für jede Unterstützung dankbar, denn die Situation ist sehr ernst und bedrückend.“

Das kann der Agraranalytiker Havel nicht ganz nachvollziehen, und er zählt auf, wovon die tschechischen Milchbauern eigentlich noch profitieren:

„Sie können ständig Gelder aus dem Projekt ´Milch in die Schulen´ schöpfen, und zwar zwischen 60 und 80 Millionen Kronen. Weitere Projekte sind vorbereitet innerhalb des Programms zur ländlichen Entwicklung, aus dem weitere Hunderte Millionen Kronen requiriert werden. Es ist sicher gut, dass die Milchbauern auf diese Weise unterstützt werden, auf der anderen Seite halte ich diese Unterstützung für übertrieben hoch zu einem Zeitpunkt, bei dem sich die Marktsituation ja wieder verbessert.“

Die Kritik von Havel zielt darauf ab, dass aufgrund der Subventionen, die die Milchbauern jetzt erhalten, andere Bereiche der Landwirtschaft finanziell vernachlässigt würden. Diese Auffassung teilt Verbandschef Jirovský jedoch ganz und gar nicht:

„Wir bemühen uns, alle davon zu überzeugen, dass dies nicht zuungunsten der anderen Landwirte abläuft. Im Gegenteil: dank der Subventionen erhalten die Milchbauern nur einen Teil des Betrages zurück, den sie für die Milchproduktion aufgewendet haben.“

Im Übrigen würden die Landwirte nicht so viel Wert auf die jetzt von der EU und der tschechischen Regierung bewilligten Subventionen legen, wenn die Einkaufspreise für Milch und andere Lebensmittel mehr der Realität entsprechen würden, sagte Jirovský. Eine wirksame Hilfe für deren Festlegung sei dabei ein neues Gesetz (zákon o významné tržní síle), das die Beziehungen zwischen den Lieferanten und den Handelsketten regeln soll. In diesem Gesetz ist unter anderem festgehalten, dass die Handelsketten Waren nicht zu niedrigeren Preisen verkaufen dürfen, als sie sie eingekauft haben. Das neue Gesetz ist am 1. Februar in Kraft getreten, was die Landwirte dazu bewogen hat, sofort aktiv zu werden:

„Im Februar haben wir bei sechs landwirtschaftlichen Produkten alle Preisnachlässe überprüfen lassen, die von Handelsketten in ganz Tschechien durchgeführt wurden. Das Ergebnis werden wir in das Verhältnis zu den Produktionskosten setzen und dann beurteilen, ob die Handelsketten damit nicht von der Mehrwertsteuer profitieren und so ein Steuervergehen vorliegt“, erklärte der Chef des Landwirtschaftsverbandes, Miroslav Jirovský.

Sollte sich herausstellen, dass die Handelsketten gegen das neue Gesetz verstoßen haben, dann können die Landwirte jetzt auch rechtlich gegen sie vorgehen. Ansonsten bleibt ihnen noch das Mittel von Protestaktionen, das sie im Falle ihrer weiteren Benachteiligung schon mehrfach angekündigt haben. Oder aber die Landwirte machen aus der Not eine Tugend und werden erfinderisch. So gibt es in Tschechien bereits 90 Milchautomaten, an denen die Verbraucher selbst frische Milch selbst zapfen können. Und das zum Preis von 15 oder mehr Kronen für einen Liter Milch, also mehr als dem Doppeltem dessen, was die Molkereien zahlen. Die Milchautomaten wurden vorwiegend in ländlichen Gegenden angebracht und erfreuen sich einer regen Nachfrage. Kein Wunder, dass die landwirtschaftlichen Unternehmen schon bald weitere 40 dieser Automaten installieren wollen. Vielleicht ist das der Auftakt zu einer neuen Entwicklung.