Lissabon-Vertrag tritt am 1. Dezember in Kraft: Was ändert sich für Tschechien?

Lange Zeit war nicht sicher, ob er überhaupt in Kraft treten kann. Nicht zuletzt der tschechische Präsident Klaus hatte erbittert gegen ihn gekämpft. Ab dem 1.Dezember 2009 gilt er in der Europäischen Union: Der Reformvertrag von Lissabon. Iris Riedel hat mit dem Vizepräsident des Europäischen Parlaments Libor Rouček gesprochen und gefragt, was sich nun eigentlich für die Tschechen ändert.

Libor Rouček  (Foto: Gerald Schubert)
Herr Rouček, heute tritt der Lissabonvertrag in Kraft und dadurch sollen Entscheidungsprozesse effektiviert werden und das europäische Parlament bekommt mehr Gewicht. Was bedeutet das denn für Tschechien, wird Tschechien jetzt ein Teil der parlamentarischen Arbeit abgenommen?

„Nein, nein, Tschechien wird kein Teil der parlamentarischen Arbeit abgenommen. Der Lissabonvertrag ist gut für das ganze Europa, das heißt er ist auch gut für die einzelnen Länder, also auch für Tschechien. Und auch das tschechische Parlament bekommt mehr Rechte. Zum Beispiel kann das Tschechische Parlament über die Richtlinien der Europäischen Kommission verhandeln und sich dazu äußern.“

Auch neu ist, dass internationale Verträge durch das Europäische Parlament bestätigt werden müssen. Heißt das dann, dass bei Projekten wie dem Raketenabwehrschild die EU ein Abkommen zwischen Tschechien und den USA erst erlauben müsste?

„Nein, was die Verteidigung bzw. das Raketenschild anbelangt, haben die nationalen Parlamente die vollen Rechte. Da mischt sich die EU nicht ein. Internationale Verträge werden im Europäischen Parlament behandelt, wenn es sich um einen Vertrag handelt, den die EU abgeschlossen hat.“

Tschechien ist ja das letzte Land, das unterschrieben hat. Deswegen tritt der Vertrag ja auch erst jetzt in Kraft. Grund waren die Verhandlungen über die EU-Grundrechtecharta, die nun in Tschechien eben nicht gilt. Was hat das denn für Auswirkungen für Tschechien?

„Das ist ein bisschen komplizierter. Heute am 1. Dezember tritt der Lissabonvertrag in Kraft - und auch die so genannte Grundrechtecharta, die auch erst einmal für Tschechien gilt. Der tschechische Präsident und die tschechische Regierung wollten eine Ausnahme, aber über diese Ausnahmen müssen die Parlamente aller 27 Staaten abstimmen. Und dazu kommt es wahrscheinlich erst bei der Ratifizierung des Vertrags mit Kroatien. Also in den nächsten zwei oder drei Jahren gilt die Grundrechtecharta auch für Tschechien. Die Frage ist, was danach passiert.“

Was wären denn das für Rechte, die die Tschechen dann zum Beispiel nicht hätten, wenn sie die Grundrechtecharta nicht ratifizieren würden?

„Wenn zum Beispiel ein Tscheche, der im Ausland lebt, beispielsweise in Deutschland oder in der Slowakei, und sich in seinen Grundrechte verletzt fühlt, dann kann er zum europäischen Gerichtshof gehen. Aber im Falle einer Ausnahme von der Charta, hat der Tscheche diese Rechte nicht.“

Dann hat der tschechische Staat ja noch ein bisschen Zeit, sich das zu überlegen. Ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.

„Ich danke auch und alles Gute nach Prag.“