Literatur mal anders – dritter Rezitationswettbewerb in Prag
Kinder und Jugendliche, die begeistert Gedichte und Geschichten vortragen, sieht man normalerweise eher selten. Bei einem Rezitationswettbewerb des Prager Literaturhauses haben die jungen Finalisten jedoch gezeigt, wie man Literatur lebendig werden lässt. An dem Wettbewerb nahmen Schüler aus ganz Tschechien teil, vier davon schafften den Einzug ins Finale.
„Ist dort der Herr Bürgermeister? Ja? Das freut mich. Guten Tag! Hier ist Störungsstelle Westen. Ihre Leitung scheint gestört. Und da wäre es am besten, wenn man Sie mal sprechen hört.“
Um bei dem deutschsprachigen Wettbewerb mitmachen zu können, haben die Teilnehmer selbstgedrehte Videos mit ihren Interpretationen eingeschickt. 13 Finalisten durften sich bei einem Galaabend noch einmal persönlich der Jury vorstellen. Dabei wurde nicht nur auf die Aussprache geachtet, sondern auch auf die grafische Gestaltung. Der Wettbewerb fand in diesem Jahr bereits zum dritten Mal statt, ins Leben gerufen wurde er gemeinsam vom Prager Literaturhaus und den Rotary Club Bohemia.
Anna trug das Gedicht nicht nur frei vor, sondern beeindruckte die Zuschauer mit einer kreativen und visuellen Umsetzung des Textes. Sie hatte ein altes Telefon mit Drehscheibe auf die Bühne gebracht und ein Original-Telefonbuch des Deutschen Reiches aus dem Jahr 1940:„Wir haben zu Hause eine Bibliothek, und dort finden wir oft solche Bücher. Sie sind älter und auch sehr schön. Darin kann man vielleicht seine Vorfahren finden. Wir haben schon verschiedene Mendelssohns darin gefunden und auch einen Hitler - aber nicht Adolf Hitler, sondern Alois Hitler.“
Zum ersten Mal gab es in diesem Jahr auch eine musikalische Kategorie. Dabei sollten Vertonungen literarischer Texte interpretiert werden. Der elfjährige Rafael Spurný trug den „Erlkönig“ vor, Goethes Klassiker mit der Musik von Franz Schubert. Am Klavier begleitet wurde er von seiner Musiklehrerin Pavla Vejmělková. Rafael hat schon vor dem Wettbewerb Bühnenerfahrung gesammelt:
„Eigentlich bin ich ein Schauspieler. Dies war mein erster Auftritt, bei dem ich gesungen habe. Ich fühle mich zwar auf der Bühne zu Hause, aber gesungen habe ich vorher noch nicht.“Von Aufregung war jedoch nichts zu spüren. Rafael ist der Meinung, man müsse sich nur sicher sein, dass man es schaffe und das Publikum begeistern könne. Und das ist ihm gelungen: Schon vor dem Finale wurde er zum Sieger erklärt. Die Jury war überzeugt, dass kein anderer Bewerber eine so gelungene Vorstellung bieten könne. Daher durfte Rafael als einziger in seiner Kategorie antreten.
Auch für Anna hat es zum ersten Platz gereicht. Der Jury gefiel besonders ihr Ideenreichtum bei der Präsentation. Für die Gewinner gab es unter anderem ein Preisgeld in Höhe von 1000 Kronen (40 Euro).