Literatur-Serie und Podcasts – Radio Prag International 2020

Foto: Ondřej Tomšů

Radio Prag hat im vergangenen Jahr seinen Namen in Radio Prag International geändert. Damit wurde die Ausrichtung unseres Programms auf ein internationales Publikum unterstrichen. Was wartet auf unsere Hörerinnen und Hörer aber im anbrechenden Jahr 2020? Mehr dazu im Interview mit Radio-Prag-International-Chefredakteurin Klára Stejskalová.

Klára Stejskalová  (Foto: Khalil Baalbaki,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Frau Stejskalová, 2019 wurde nicht nur hierzulande an die der Wende vom Kommunismus zur Demokratie in Mittel- und Osteuropa vor 30 Jahren erinnert. In Tschechien wird diese Wende als Samtene Revolution bezeichnet, und wir haben diese bei Radio Prag International auch demensprechend reflektiert. Sind bereits jetzt vergleichbare Schwerpunkte für die Sendungen von Radio Prag International im kommenden Jahr festgelegt?

„2020 ist ein Jahr ohne große Jubiläen, wie es 2018 der 100. Jahrestag der Republik und der 50. Jahrestag der sowjetischen Besatzung der Tschechoslowakei beziehungsweise 30 Jahre nach der Samtenen Revolution in diesem Jahr waren. So können wir uns im nächsten Jahr auf aktuelle Themen konzentrieren, um das Leben in Tschechien näher zu bringen. Zum Beispiel planen wir eine Serie über das ‚Leben in der Tschechischen Republik aus dem Blickwinkel von Ausländern‘. Darin möchten wir Geschichten von Menschen erzählen, die sich dauerhaft in der Tschechischen Republik niedergelassen haben. Sie werden unter anderem ihre persönlichen Erfahrungen mit den Behörden hierzulande, mit der Ausbildung oder mit der Einstellung von Tschechen mit uns teilen. Im Jahr 2020 vergehen auch 100 Jahre, seitdem die Frauen in der Tschechoslowakei erstmals an Parlamentswahlen teilnehmen durften. Dieses historische Jubiläum wollen wir als Sprungbrett für eine Reihe zur Stellung der Frau in Tschechien nutzen. Wir wollen Antworten auf die Fragen finden, warum wir hierzulande niemals eine Präsidentin hatten oder eine Premierministerin, im Gegensatz zu den eigentlich viel konservativeren Nachbarländern Polen oder Slowakei. Der Mutterschaftsurlaub oder die Bewegung #Meetoo im Vergleich zu Europa könnten dabei weitere interessante Themen sein. Und das Jahr 2020 ist auch das Jahr der Olympischen Sommerspiele in Tokio – einem Ort, an dem unsere erfolgreichste Sportlerin, die Turnerin Věra Čáslavská, 1968 große Erfolge erzielt hat. Es wird sicherlich interessant sein, an ihre Geschichte zu erinnern, aber auch heutige tschechische Sportler vorzustellen, die in Japan um Medaillen kämpfen wollen.“

Gibt es 2020 einige inhaltlichen Neuigkeiten im Programm? Welche interessanten Projekte sind für das kommende Jahr geplant?

„Wir möchten das Projekt auch auf einigen Literaturfestivals vorstellen.“

„Ein Großprojekt ist der Zyklus ‚Tschechische Bücher, die Sie lesen müssen‘. Wir möchten bekannte und weniger bekannte Klassiker sowie zeitgenössische Autoren vorstellen. Namen wie Hašek, Kundera, Čapek oder Havel sind wahrscheinlich allen bekannt, heute gibt es aber zahlreiche sehr erfolgreiche junge Roman- sowie Comic-Autoren. Zu jedem Buch gibt es ein kurzes Video, in dem wir den Autor und das Buch kurz vorstellen. Dieses Video wird auf unserer Website und auf Facebook veröffentlicht, und wir werden Interviews mit Autoren, Übersetzern und Literaturwissenschaftlern führen. Nicht zuletzt möchten wir dieses großartige Projekt auf einigen Literaturfestivals vorstellen. Traditionell erhält die tschechische Literatur beispielsweise auf der Leipziger Messe viel Raum.“

Foto: BedexpStock,  Pixabay / CC0
Eine Neuigkeit, die Radio Prag International in diesem Jahr anbieten will, sind Podcasts. Was darf man sich unter dem Begriff vorstellen?

„Eigentlich lässt sich sagen, dass Podcasts bei Radio Prag International nicht ganz neu sind. Die Hörerinnen und Hörer können unsere Sendungen seit vielen Jahren herunterladen. Aber mit der Entwicklung von Smartphones suchen wir nach neuen Plattformen wie iTunes, Spotify und so weiter. Natürlich ist ein spezialisierter Podcast ein bisschen anders als eine klassische Radiosendung komponiert, etwa auch in der Form der Sprache.“

Wie soll das Podcast-Angebot konkret aussehen?

„Wir haben dieses Jahr bereits einige Podcasts in anderen Sprachversionen gestartet. In englischer Sprache ist es ein Podcast von David Vaughn ‚In their Own Words‘. Darin wird die tschechoslowakische und tschechische Geschichte mit dem einzigartigen Archivmaterial dargestellt, das im Tschechischen Rundfunk zur Verfügung steht. Weiter ist es ist es der Podcast ‚My Prague‘, darin erzählen bekannte Bewohner Prags über ihre bevorzugten Ecken und Viertel in der tschechischen Hauptstadt. Wir haben Ende des Jahres einen ähnlichen Podcast in russischer Sprache unter dem Titel ‚Prague Surfing‘ gestartet. Und die französische Redaktion gibt unter ‚Prague Hebdo‘ alle sieben Tage eine halbstündige Zusammenfassung der interessantesten Ereignisse der Woche. In Bezug auf die deutsche Redaktion würden wir uns sehr freuen, wenn uns die Hörerinnen und Hörer schreiben könnten, was Sie gerne wissen möchten, was für Sie interessant wäre. Wir freuen uns auf Ihre Tipps!“

„Generell muss ich sagen, dass das Interesse an historischen Themen groß ist.“

Im Herbst sind die deutschsprachigen Sendungen von Radio Prag International auf die Kurzwelle zurückgekehrt. Der Empfang ist nun dank dem Shortwave-Service über den Sender Kall-Krekel in der Eifel wieder möglich. Die Begeisterung unserer Hörer war groß, und die Reaktionen sind sehr positiv. Abgesehen von diesen Sendungen verbreiten wir unser Angebot hauptsächlich über das Internet. Wie sah in diesem Jahr die Entwicklung im Internet aus: Sind die Zahlen bei uns nach oben gegangen? Welches waren die erfolgreichsten Themen?

Karel Gott  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prague International)
„Ja, ich freue mich sehr, dass wir dieses Jahr erfolgreich waren und der Traffic auf unserer Seite wieder etwas besser war. Man kann unsere beliebtesten Themen auf unserer Website nun sehen, da wir die fünf erfolgreichsten Artikel des Jahres noch einmal veröffentlicht haben. Ansonsten gilt für 2019, dass der Tod der Musiklegende Karel Gott große Anteilnahme gefunden hat. Sein Tod hat nicht nur in der Tschechischen Republik oder in Deutschland große Emotionen ausgelöst. Generell muss ich sagen, dass das Interesse an historischen Themen groß ist. Im Jahr 2020 steht auch ein großes Jubiläum bevor, nämlich 400 Jahre nach der Schlacht am Weißen Berg, einer Schlacht mit epochalen Folgen nicht nur für die böhmischen Länder, sondern für ganz Mitteleuropa. Wir werden auch diesem Thema unsere Aufmerksamkeit schenken.“

Und was ist abseits von den Inhalten angedacht? Soweit mir bekannt ist, soll sich das Web-Design mehr an das Design der anderen Stationen im Tschechischen Rundfunk annähern...

Foto: Ondřej Tomšů
„Ja, wir stehen vor einer großen Veränderung. Radio Prag war einst der erste tschechische Radiosender, der eine Website hatte. Im Laufe der Jahre hat uns aber die Entwicklung überholt. Obwohl unsere Seiten vor drei Jahren einen Facelift bekommen haben, hat sich die Technologie weiterentwickelt, und deshalb werden wir auf ein System umsteigen, das der gesamte Tschechische Rundfunk nutzt. Es wird sicherlich eine große Veränderung sein.“

Radio Prag hat sich im vergangenen Jahr zu Radio Prag International umbenannt. Hat sich der neue Name inzwischen eingelebt? Die Umbenennung war Ihre Idee. Was möchten Sie damit unterstreichen?

„Der Name Radio Prag blickt auf eine lange Geschichte zurück. Auf der anderen Seite haben viele Menschen in Tschechien unseren Sender mit dem zweiten Programm des Tschechischen Rundfunks verwechselt, der früher Praha hieß. Ich denke, die Umbenennung bedeutet keine grundlegende Änderung. Wir haben unseren Namen beibehalten und nur das Wort ‚international‘ hinzugefügt. Damit soll den Menschen klargemacht werden, dass wir für das Ausland senden. Schließlich verwenden auch die meisten weiteren Sender mit vergleichbarem Fokus das Wort ‚international‘ in ihrem Namen, wie zum Beispiel Radio Canada International, Radio Taiwan International oder Radio Slowakei International. Ich glaube, dass wir auch unter diesem geänderten Namen 2020 unsere Hörer und Leser finden werden.“