Literaturfrühling im Tschechischen Zentrum Wien

Jiří (Georg) Langer: „Die neun Tore“

Im Februar haben wir in Aviso das erste Mal über das Programm des Tschechischen Zentrums Wien in diesem Jahr berichtet. Damals sind wir eher etwas in die Breite gegangen bei den Themen. Diesmal steht ein Schwerpunkt an: Literatur. Die Leiterin des Tschechischen Zentrums, Dr. Taťjana Langášková, erläutert im Interview, was dazu in Wien alles geplant ist.

Frau Dr. Langášková, beim Thema Literatur haben Sie in den nächsten Wochen einiges zu bieten. Zum Beispiel schon Mitte April einen Autor, der in Österreich kein Unbekannter ist. Jiří Gruša, lange Jahre ja tschechischer Botschafter in Wien. Aber vielleicht können Sie ein bisschen mehr zu ihm sagen…

„Jiří Gruša war schon bei uns zu Gast. Wir haben vor zwei Jahren seinen runden Geburtstag gefeiert. Er ist nicht nur als Autor bekannt, sondern auch als Diplomat. Er war Botschafter in Berlin und in Wien und er war fünf Jahre Leiter der diplomatischen Akademie in Wien – das ist noch keinem anderen Tschechen gelungen. Er ist einer der populärsten tschechischen Persönlichkeiten in Österreich. Ich glaube, mit ihm könnte nur Magda Vášáryová Schritt halten, die aber eigentlich Slowakin ist und auch einen sehr großen Eindruck auf Österreich gemacht hat. Gruša wird bei uns ein Essay präsentieren, das er vor einigen Jahren schon auf Deutsch verfasst hat. Jetzt hat er es auf Tschechisch verarbeitet. Es sollte demnächst in einem Brünner Verlag verlegt werden – oder vielleicht ist es sogar schon geschehen. Bei uns wird er es sicher einem sehr zahlreichen Publikum vorstellen. Die Veranstaltung wird von Miguel Herz-Kestranek, dem bekannten Autor und Schauspieler moderiert. Es geht um die Vorstellung des Buches und wir erwarten eine anschließende Diskussion zu dem Thema, denn dieses Essay heißt `Beneš als Österreicher`.“

Jiří Gruša | Foto: Kulturdiplomatmagazin
Gruša stellt in Wien erstmals seinen neuen Roman vor. Es soll die Österreich-Premiere sein. Der Roman heißt Beneš als Österreicher. Gemeint ist der ehemalige Staatspräsident Edvard Beneš…

Glauben Sie denn, dass es beim Thema Beneš, der ja für die Vertriebenen in Österreich eine Reizfigur ist, eine hitzige Diskussion auf Sie zukommt?

„Ich weiß nicht. Seit ich hier bin, habe ich einige Projekte zu dem Thema gemacht. Man hat sich sogar mehrmals bei mir persönlich bedankt, und es war immer eine sehr ruhige und fachliche Diskussion, zuletzt mit Ondřej Matějka vom Verein ´Antikomplex´ anlässlich der Ausstellung `Verlorene Sudeten`. ´Antikomplex´ ist ein Verein junger Menschen, die sich bemühen, die Zeitgeschichte auf eine erfrischende, sehr positive Art darzustellen. Das hat ein großes Echo hervorgerufen. Ich war selbst überrascht, wie angenehm die Diskussion war. Bis auf ein paar Bemerkungen ist das sehr gut gelaufen. Die Leute waren sehr dankbar und sehr interessiert.“

Ondřej Matějka war auch einige Male bei uns in den Sendungen in den Sendungen zu hören, manche Hörer werden vielleicht im Bilde sein. Um wieder zur Literatur zurückzukommen: Die gibt es ja im Tschechischen Zentrum in Wien auch im Mai, und das reichlich…

„Ganz aktuell: Wir haben derzeit Iva Procházková als Gast, die im Bereich Kinderliteratur hier sehr populär ist. Dann gibt es ein Projekt, auf das ich sehr stolz bin. Es ist ein Eunic-Projekt. Eunic ist die Vereinigung der europäischen Kulturinstitute. In Wien machen wir gemeinsam mit dem ungarischen und dem polnischen Kulturinstitut einen Literaturabend in der Hauptbücherei. Es geht um jüdische Literatur. Das ist eine Zusammenarbeit der drei Länder und des Jüdischen Museums in Wien. Die Kuratorin des Museums, Gabriele Kohlbauer-Fritz, wird moderieren.“

Jiří  (Georg) Langer: „Die neun Tore“
Auf tschechischer Seite geht es dabei um den Prager Autor Jiří Langer mit seinem Buch „Devět bran“, also „Die neun Tore“. Langers Werk ist äußerst interessant, da er eben nicht über das jüdische Leben in Prag berichtet hat, sondern die Welt der osteuropäischen Chassidim beschrieben hat…

„Ja, und wir werden es in der Übersetzung von Kristina Kallert vorstellen, die im Arco-Verlag gerade erscheint. Es wird auch eine Buchvorstellung in deutscher Sprache geben. Dabei wird aber nicht nur Langer vorgestellt, sondern auch der sehr berühmte Oskar-Preisträger Imre Kertész und sein Buch `Kaddisch für ein nicht geborenes Kind`. Aus Polen kommt das Buch `Fliegenfängerfabrik` von Andrzej Bart. Das hat eigentlich ein anderes Thema. Aber wir haben die Auswahl unter dem Begriff jüdische Literatur zusammengestellt, wobei sich jeder Autor mit einem anderen Aspekt beschäftigt. Das zweite Projekt meiner Initiative ist die Premiere des tschechischen Autors Martin Ryšavý, den ich persönlich sehr schätze, in Wien – als Literat sowie als Filmemacher. Bei uns im Tschechischen Zentrum wird sein neuestes Buch vorgestellt: ´Vrač´. Kristina Kallert, die auch Langer übersetzt hat, hat angeboten, Ausschnitte aus diesem Buch zu übersetzen. Am folgenden Tag wird sein Film ´Medvědí ostrovy´ (Bäreninseln) im Rahmen des Schwerpunktes Tschechien beim `This human world`-Filmfestival vorgestellt. Das ist die österreichische Alternative zum One-World-Festival, bei dem es um Menschenrechte geht. Anschließend wird es dort eine Diskussion mit dem Autor geben.“


Alle angesprochenen Veranstaltungen und viele weitere aus anderen Bereichen wie Film, Musik oder Bildung sind natürlich auch im Programm auf den Webseiten des Tschechischen Zentrums Wien zu finden:www.tschechischeszentrum.at

Autor: Till Janzer
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