Litomysl - Stadt mit Smetana-Tradition
Litomysl (Leitomischl) ist ein kleines Städtchen in Ostböhmen, das besonders wegen zweier Dinge die Aufmerksamkeit vieler Interessenten auf sich zieht: Mit seinem prächtigen Renaissanceschloss und dank der Tatsache, dass der Komponist Bedrich Smetana in dieser Stadt geboren wurde. Wie aber pflegt die Stadt, aus der Smetana stammt, ihre musikalische Tradition? Welche Erinnerungen an Bedrich Smetana findet man dort heute? Hören Sie dazu die heutige Sendereihe Reiseland Tschechien.
Ende Juni hat in Leitomischl bereits das 46. Opernfestival "Smetanova Litomysl" ("Smetanas Leitomischl") stattgefunden. Ich habe diesen Anlass zu einem Gespräch mit dem Festivaldirektor, Vojtech Stríteský, genutzt. Tausende Menschen kommen zur Zeit der Festspiele nach Leitomischl. Wo kann man dort auf Smetanas Spuren stoßen?
"Ganz Leitomischl ist sozusagen eine große Spur Smetanas. Die Menschen ehren und schätzen die Tatsache sehr, dass sie in einer Stadt leben, in der der Begründer der tschechischen Nationalmusik geboren worden ist. 1905 wurde hier ein Smetana-Haus errichtet. Auf dem Smetana-Platz steht ein Denkmal Bedrich Smetanas. Es wurde vor 80 Jahren enthüllt, aus Anlass des 100. Geburtstags Bedrich Smetanas. Bereits damals kam das komplette Ensemble der Oper des Nationaltheaters hierher, um sich vor der großen Tradition, vor dem Vermächtnis Smetanas zu verbeugen. Und 25 Jahre später, im Jahre 1949, begann man die Geschichte des Opernfestivals 'Smetanas Leitomischl' zu schreiben, das gottlob bis heute überlebt hat."
"Ich muss sagen, dass es im Laufe der Zeit, mit der Veränderung der Atmosphäre, der Zeit und der Politik, zu einer großen Umwandlung des Festivals gekommen ist - sowohl in Bezug auf dessen Quantität als auch seinem Anliegen nach. Im Jahre 1949 war es ein Festival, auf dem ausschließlich Smetanas Musik gespielt wurde. Und das einzige an ihm beteiligte Ensemble war die Oper des Prager Nationaltheaters. Dies galt bereits im Jahre 1955 nicht mehr, als das Slowakische Nationaltheater hinzu kam. Heute ist es so, dass wir für die Dauer von elf Tagen ein Festival organisieren, das über 20 Veranstaltungen hat."
Doch das wichtigste, Bedrich Smetana und sein Werk, sind im Programm geblieben.
"Was sich am Festival nicht geändert hat, ist sein Bekenntnis zu Bedrich Smetana und zu seinem Werk. In diesem Jahr bringen wir in Koproduktion mit dem Nationaltheater in Brno/Brünn eine neue Inszenierung der Oper ´Die Brandenburger in Böhmen´. Smetanas Musik erklingt auf dem Festivalpodium, aber natürlich auch bei anderen Konzerten und Vorstellungen. Smetanas tschechische Musik ist also für uns der ausschlaggebende Ausgangspunkt, wir wehren uns jedoch in keinem Fall gegen weitere gute Musik."
Was für einen Charakter hatte das Musikfest, das nur wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg in dem kleinen ostböhmischen Städtchen ins Leben gerufen wurde? War es ein regionales Festival oder reichten seine Ambitionen weiter?
"Es war nie ein regionales Festival, obwohl die historischen Umstände dazu hätten führen können. Denn Ostböhmen - heute die Landkreise Hradec Kralove (Königgrätz) und Pardubice (Pardubitz) - hat als einziger Kreis Tschechiens keine ständige Opernbühne. Das Festival konnte in gewissem Maße dieses Defizit ersetzen. Es treffen sich dort also immer noch zahlreiche Opernliebhaber aus der Region. Doch heute besuchen auch Leute aus Brünn und aus Prag das Festival. Also aus Orten, wo es sogar zwei Opernhäuser gibt. Und natürlich kommen auch Ausländer hierher."
Die diesjährigen Festspiele fanden im Jahr des 180. Geburtstags und des 120. Todestags von Bedrich Smetana statt. Dieses doppelte Jubiläum sowie das Jahr der Tschechischen Musik 2004 wurden unter anderem mit einer Uraufführung der ersten Oper Smetanas begangen. "Die Brandenburger in Böhmen" waren seit Jahrzehnten nicht in Leitomischl gespielt worden:
"Das ist schon 43 Jahre her, was wirklich eine sehr lange Zeit ist. Zwei Generationen hatten so keine Möglichkeit, in Smetanas Geburtstort dessen Erstlingswerk zu sehen und zu hören. Das ist eine Schande, aber nicht unsere Schande. Ich glaube, dass Smetanas Opern künftig immer öfter gespielt werden. Ich denke, dass sie einen riesigen Zauber, eine Stärke und Anziehungskraft in sich haben, und dass sie immer ihre Zuschauer und Hörer finden werden."
Wie ich von Vojtech Stríteský erfahren habe, gibt es unter den Opern Bedrich Smetanas kein Werk, das beim Festival noch nie aufgeführt worden wäre:
"Wir haben in der Geschichte jener 55 Jahre alle Bühnenwerke Smetanas gespielt, einschließlich das Fragment 'Die Bratsche'. Als wir das Festival nach der Wende von 1989 übernommen haben, stellten wir es uns als Ziel, jedes Jahr eine Oper Smetanas zu präsentieren. Heute tilgen wir dabei die letzte Schuld, und zwar 'Die Brandenburger in Böhmen'. Demnach ist in den Jahren von 1992 bis 2004 hier das komplette Opernwerk Smetanas erklungen."
Das Zentrum des Festivalgeschehens ist das Renaissanceschloss, das sich auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes befindet. Dort wird in einem Amphitheater im zweiten Schlosshof, im Schlosstheater und im anliegenden Antike-Museum gespielt. Außerdem ist auch in Leitomischls Kirchen, im Smetana-Haus sowie an weiteren Orten in der Region einiges los. Jene Interessenten, die Leitomischl nicht nur zur Zeit des Smetana-Festivals, sondern während des ganzen Jahres besuchen, können hier auch ein Smetana-Museum besichtigen:
"Es ist ein sehr kleines Museum, sozusagen eine Dreizimmerwohnung, in der Smetana im März 1824 geboren wurde. Dort befindet sich eine Ausstellung, natürlich mit einem Klavier, auf dem der kleine Bedrich gespielt hatte. Man trifft hier ebenso auf die Porträts seiner Eltern. In dem Zimmer, in dem Smetana angeblich geboren wurde, findet man ein Bett, ein Kinderbett und Spielzeug. In einem der Räume findet regelmäßig zur Zeit des Festivals eine kleine Smetana-Ausstellung statt."
Soweit der Direktor der Opernfestpiele "Smetanas Leitomischl", Vojtech Stríteský. Für diejenigen, die an unserem kleinen Quiz-Wettbewerb teilnehmen möchten, haben wir noch eine Frage:
In welchem Land wirkte Smetana in den Jahren 1856 - 1861? |
Eine der richtigen Antworten wird mit der CD "Slawische Tänze" von Antonin Dvorak belohnt. Diese CD bekommt auch unser Hörer Walter Rippel aus Ingolstadt. Er hat uns richtig geschrieben, dass Johannes Brahms der deutsche Komponist und Freund von Antonín Dvorák war. Herzlichen Glückwunsch!
Informationen zum 46. Opernfestival "Smetanas Leitomischl" finden sich unter www.smetanovalitomysl.cz