Loučeň: Das Schloss zum Anfassen

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Unweit des Städtchens Nymburk, etwa 60 Kilometer von Prag entfernt liegt die Gemeinde Loučeň. Bekannt geworden ist der Ort dank seines Barockschlosses. Ab Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg gehörte es der Adeligenfamilie Thurn und Taxis. Die Familie hat sich nicht nur um das Postwesen in ganz Europa und um die Zuckerproduktion in Böhmen verdient gemacht, sondern nicht zuletzt auch um den tschechischen Fußball. Denn im Schlosspark von Loučeň wurde das historisch erste Fußballspiel in den böhmischen Ländern ausgetragen – eben dank den Thurn und Taxis. Darüber haben wir Ihnen in unserer Sendung von vor vier Wochen erzählt. Dabei haben wir versprochen, die Führung durch den Adeligensitz fortzusetzen.

Es war Dienstagvormittag und schon am Schlosseingang waren Kinderstimmen zu hören. Sie kamen aus dem Musiksalon, plötzlich erklang auch Klavier. Der historische Raum war voll von Kindern, einige saßen auf dem Teppich, einige auf dem Sofa und die meisten drängten sich um den historischen Flügel herum. Einige hielten Stift und Papier in der Hand.

Der Historiker und Manager des Schlosses, Jiří Senohrábek, vergibt Punkte an die Schüler, es geht um einen geografischen Wettbewerb, der mit der Schlossgeschichte zusammenhängt. Die ungewöhnliche Schlossführung nähert sich dem Ende, die Schüler haben die Möglichkeit, abschließend eine Münze zum Andenken zu prägen.

„Wir haben viel über die Post erfahren und wie es aussah, als hier der Fürst gewohnt hat, wie die Post damals zugestellt wurde und über die ganze Geschichte des Schlosses“, erzählt ein Junge. Er geht in die sechste Klasse im nahe gelegenen Lysá nad Labem. Er sei hier zum ersten Mal zu Besuch, sagt er und schließt sich den Mitschülern an. Sie gehen in den Schlosspark, um die dortigen Irrgärten und Labyrinthe auszuprobieren.

Foto: Martina Schneibergová
Im Unterschied zu vielen anderen historischen Gebäuden sieht man in Loučeň fast nirgendwo die übliche Aufschrift „Nicht berühren“. Es scheint, dass sogar erwünscht ist, die historische Einrichtung anzufassen. Dies bestätigt auch der Manager. Schulklassen, die Loučeň besuchen, können unter vier verschiedenen thematischen Führungen wählen, erzählt Jiří Senohrábek:

„Die Kinder verbringen im Schloss drei Stunden. Die ´Schlossschule´ dauert also lange. Ich bin froh, dass sich die Kinder aber nicht langweilen und dass sie das Spiel mit den Bewertungen, Punkten und einem Wettbewerb der einzelnen Klassenteams gut genießen. Diese Schülergruppe hat über das Postwesen diskutiert. Die anderen thematischen Führungen heißen: ´Gastmahl´ im Schloss – da lernt man mehr über die Etikette, ´Die Bäume erzählen` - das ist ein Spaziergang durch den Schlosspark, bei dem die Schüler die einzelnen Bäume kennen lernen, und die vierte Führung heißt ´Minotaurus und die anderen´ - die Kinder werden in die Welt der antiken Sagen geführt.“

Schlosspark Loučeň  (Foto: Martina Schneibergová)
Im Schlosspark gibt es insgesamt zehn Labyrinthe: beispielsweise ein Steinlabyrinth, ein Rasenlabyrinth oder ein Lichtlabyrinth. Das zuletzt genannte sei am Tag aber kaum zu sehen, sagt Jiří Senohrábek:

„Das Element der Labyrinthe taucht während der ganzen Menschheitsgeschichte auf. Labyrinthe haben viele Bedeutungen und können auch Spaß und Entspannung bringen. Nirgendwo in Europa gibt es mehrere Labyrinthe an einem Ort. Wir sind die ersten in Europa, die insgesamt zehn Labyrinthe an einem Ort – im Schlosspark - errichtet haben. Im Tschechischen gibt es seit 2007, als wir die Labyrinthe eröffnet haben, das neue Wort ´labyrintárium´. Wir haben das sogar patentieren lassen, sodass niemand anderer den Begriff für eine ähnliche Einrichtung benutzen kann. Das einzige Labyrintharium in Europa gibt es in Loučeň.“

Foto: Štěpánka Budková
Smetanas Komposition „Aus der Heimat“ hängt auch mit Schloss Loučeň zusammen. Diese zwei Duette für Violine und Klavier schrieb der Komponist auf Anlass von Fürst Alexander von Thurn und Taxis, der selbst ein sehr guter Violinist war. Smetana verbrachte die letzten neun Jahre seines Lebens bei seiner Tochter im Forsthaus in Jabkenice, das in der Nähe von Loučeň liegt. Smetanas Schwiegersohn arbeitete als Förster in den Wäldern von Thurn und Taxis. Der Komponist gab mehrmals Konzerte im Schloss zum Besten. Bedřich Smetana war aber nicht der einzige berühmte Gast bei den Thurn und Taxis. Einige Mal war auch Dichter Rainer Maria Rilke in Loučeň zu Besuch. Zum ersten Mal sei der Dichter mit 15 dort gewesen, sagt Jiří Senohrábek:

Foto: Štěpánka Budková
„Rilke erzählte diese Geschichte der Fürstin, und sie beschrieb sie in ihren Memoiren. Rilke war 15 Jahre alt, als er die Gemeinde Loučeň zum ersten Mal besuchte. Loučeň diente damals als ein Waldkurort, vor allem für die Leute aus der Großstadt Prag. Er war da mit einer kranken Tante. Er war noch ein Junge und hatte ein Kuscheltier - ein Kaninchen - mit. Als sie ankamen, war sowohl die Tante, als auch das Kaninchen krank. Der Arzt sagte zum jungen Rilke: ´Du musst auf die beiden Patienten aufpassen, dem einen gibst du einen heißen, und dem anderen einen kalten Umschlag. Der junge Rilke hat es verwechselt, aber die beiden Kranken haben überlebt. Das Kaninchen ist später gestorben, aber die Tante hatte die Pflege ihres jungen, später berühmten Neffen überlebt.“

Jiří Senohrábek hat mit seinen Mitarbeitern von der Schlossverwaltung ein Programm mit verschiedensten Veranstaltungen zusammengestellt, die im Schloss stattfinden. Der 1. Mai stehe in Loučeň im Zeichen der Familie Waldstein, sagt der Historiker:

„Am 5. Juni gibt es einen Schlossjahrmarkt. Am 3. Juli wird das Jubiläum der Labyrinthe gefeiert. Am 3. August ist der Tag der Barockfechter. Ein Zuckerfest und das Fest der Süßigkeiten werden am 4. September begangen. Den Doppelname trägt eine ganz neue Veranstaltung, die wir in der Zusammenarbeit mit dem neu eröffneten Museum der Zuckerproduktion in Dobrovice organisieren. Im Oktober wird es für die ganze Familie interessant sein. Meine Generation ist mit der Fernsehserie ´Arabela, die Märchenbraut´ aufgewachsen. Die TV-Serie ist auch in Deutschland bekannt, weil die Kinderserie in tschechoslowakisch-deutscher Koproduktion entstanden ist. Im Oktober und im November stellen wir hier die Kostüme aus der TV-Serie aus. Am 13. November gibt es hier das St.-Martin-Fest. Und die Saison wird in der Adventzeit beendet. Eine lebendige Weihnachtskrippe mit dem Jesuskind, Jungfrau Maria und anderen Gestalten kann man hier auch erleben.“

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