Machen wir es wie Goethe: Zu Ostern raus in die Natur!
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche Durch des Frühlings holden, belebenden Blick, Im Tale grünet Hoffnungsglück; Der alte Winter, in seiner Schwäche, Zog sich in rauhe Berge zurück.
Ja, wer kennt ihn nicht, den Osterspaziergang, den Johann Wolfgang Goethe schon vor gut 200 Jahren vollführte. Oder sagen wir es besser: Goethes literarischem Genie war es vorbehalten, das damalige Leben und die Stimmungen der Menschen gerade zum Frühlingsbeginn einzufangen, zu vertexten und dies seinem tragischen Helden Faust "Vor dem Tore" genießen zu lassen. Ja, zu Ostern, so möchte man dem bedeutendsten deutschen Dichter Glauben schenken, herrschte seinerzeit noch die pure Freude darüber, der harten Hand des Winters entfliehen und Herd wie Ofen endlich verlassen zu können, einfach raus in die aufblühende Natur, um das neue Leben entdecken und die erwärmenden Strahlen der Sonne aufsaugen zu können. Nun bin ich nicht derjenige, der den Menschen der heutigen Zeit ein ähnliches Verhalten in Abrede stellt. Wenn die Sonne scheint und einem wieder Temperaturen um die 20 Grad erfühlen lässt, dann steigt auch heute noch das Glücksgefühl und die Leute sind wieder vermehrt unter freiem Himmel anzutreffen: bei Wanderungen oder Spaziergängen, den ersten Fahrrad- oder Motorradtouren, in Gärten oder Freiluftlokalen. Aber irgendwie fehlt dem Ganzen das Urwüchsige, die einfache Freude darüber, dass die Natur uns jetzt wieder reich beschenkt, und dass wir ihr diese Gaben auch mit Demut und Weitsicht zurückgeben sollten.
Aber was machen wir? Ein nicht geringer Teil unserer Zivilisation zwängt sich wieder in eine vierrädrige Blechschlüssel, auch Auto genannt, um koste es, was es wolle, einige hundert Kilometer weiter südlich ein wenig mehr Sonne und Pigmente zu erhaschen. Andere wiederum treibt es in eine fliegende Kiste, um weit weg vom heimatlichen Frühlingserwachen weiterhin viel Action zu haben, oder aber anderen Launen nachgehen zu können. Das sei Jedem gegönnt, und es ist auch nachvollziehbar in unserer Welt der Moderne mit all dem technischen und elektronischen Schnickschnack, der uns umgibt. Aber schaffen wir es überhaupt noch, auch einmal anzuhalten, abzuschalten und einfach nur zu genießen, was uns in Wald und Flur so Neues umgibt? Eine Frage, die Jeder für sich selbst beantworten darf. Erst recht nach diesem Winter, der - schneereich wie lange nicht - eben noch einmal dafür gesorgt hat, uns mit seinen getauten Wassermengen die österliche Vorfreude zu verderben. Aber gerade das Osterfest ist dazu da, wieder Einklang zwischen Mensch und Natur herzustellen. Darum schließen auch Sie sich Goethe und seinem Spaziergang an: Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluss in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen,
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.