Madonna nix – dafür aber: ČEZ, die schrumpfende Armee, Russophobie und schmutzige Witze

Madonna, foto: ČTK

Madonna, die am Donnerstag ihren Mega-Auftritt mit 40.000 Fans am Prager Stadtrand hingelegt hat, lassen wir beiseite. Obwohl die Zeitungen natürlich voll davon sind. Die Schlagwörter dieser Woche sind ČEZ, der Energie-Riese – und zwar gleich in doppelter Hinsicht. Weitere Themen sind die Einsparungsmaßnahmen bei der Armee, ein bisschen Russophobie, und am Ende geht es auch noch um ein paar schmutzige Witze.

Moderator: Fangen wir mit dem tschechischen Energie-Riesen ČEZ an, der ja mehrheitlich dem Staat gehört: Präsident Klaus hat diese Woche das Gesetz über die Emissions-Genehmigungen unterzeichnet. Diese Genehmigungen gibt der Staat jetzt kostenlos unter anderem an ČEZ aus. Im Gegenzug sollen sich die Firmen modernisieren.

C.R.: Genau. Daniel Kaiser erinnert am Mittwoch in der Lidové Noviny daran, dass dem Staat durch dieses Geschenk mal eben an die 68 Milliarden Kronen (über 2,6 Milliarden Euro) verlorengehen, die er im Staatshaushalt gut gebrauchen könnte. Daniel Kaiser schreibt:

„Wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Situation. Die Einkünfte des Staates sinken rapide; der Staat muss also die Steuern erhöhen. Und wenn er finanziell nicht an ČEZ gesundet, dann muss er das woanders tun – also bei uns. Vom Präsidenten (genauso wie zuvor von den Abgeordneten und den Senatoren) erwartet man, dass sie die Interessen aller Bürger der Republik vertreten. Ganz sicher sollte der Präsident die Interessen der Bürger stärker gewichten als die Interessen dieses Unternehmens, dem der Staat so oder so dabei hilft, ein faktisches Monopol aufzubauen“, so der Kommentator in der Lidovky. Er sieht also Steuererhöhungen auf die Bürger zukommen.

Moderator: Kaiser wird sicher nicht der einzige sein, dem der Energie-Konzern ČEZ schwer im Magen liegt.

C.R.: Nein, das trifft auf eine ganze Reihe von Kommentatoren in dieser Woche zu. Denn die jüngste Meldung über ČEZ war am Donnerstag eine erneute Gewinnsteigerung und zwar um elf Prozent.

Moderator: Auf 32 Milliarden Kronen (rund 1,23 Milliarden Euro).

C.R.: Richtig. Wohlgemerkt in Zeiten der Krise! Kommentator Petr Fischer führt in der Wirtschaftszeitung Hospodářské Noviny an, dass die permanent wachsenden Gewinne vom Quasi-Monopolisten ČEZ und die dennoch gleichbleibenden Strompreise langsam zu einem moralischen Problem werden. Fischer spielt einen Verkauf des Konzerns in Einzelteilen durch, verwirft ihn aber sogleich wieder. Er schreibt:

„Wenn sich die Bürgerdemokraten und die Sozialdemokraten auf eines einigen, dann ist es, die Position von ČEZ auf dem tschechischen und dem europäischen Markt zu schützen. Denn das wird als vorverlegte Verteidigungslinie der nationalen Energieinteressen angesehen“.

Moderator: Ist das die einzige Möglichkeit, die Petr Fischer sieht?

C.R.: Nein. In Frage käme auch eine staatliche Preisregulierung – die natürlich mit Brüssel kollidiert – oder mehr unabhängige Kontrolle. Dazu Fischer:

„In einem Land, wo sich die Politiker ein Bein ausreißen, um jede freie Minute mit dem Herrn über die Wirtschaft zu verbringen, da kann man die Chance einer natürlichen politischen Regulierung anzweifeln.“

Moderator: Petr Fischer spielt hier ja auf die so genannte Toskana-Affäre an. Vor wenigen Wochen wurden Politiker vor allem der Bürgerdemokraten mit Topolánek an der Spitze aber auch der Sozialdemokraten im Italienurlaub fotografiert. Der Aufreger: Sie befanden sich in bester Gesellschaft des Chefs vom Energie-Konzern ČEZ.

C.R.: Jawoll, die Affäre pfeift ja immer noch durch den Blätterwald. Und so bestätigt Jiří Hanák am Mittwoch in der Právo auch das, was schon sein Kollege Petr Fischer angedeutet hat. Hanák spielt auf eine alte Bauernweisheit an: Füttere die Kühe und du bekommst Milch. Er schreibt:

„Der gerissenste Sponsor ist der, der die Kühe rechts und links füttert, denn seine Wünsche erfüllt man immer. Beinahe möchte ich behaupten, dass es ganz egal ist, wen wir wählen, immer gewinnt der halbstaatliche Energiekoloss ČEZ.“


Foto: ČTK
Moderator: Christian, lassen wir den Energie-Koloss ČEZ hinter uns und kommen zu einem anderen Thema.

C.R.: Nichts lieber als das. Die tschechische Berufsarmee musste bereits Entlassungen hinnehmen. Und in dieser Woche verkündeten die Militärs auch noch einen unbefristeten Einstellungsstopp für Rekruten. Jan Gazdík rümpft die Nase und kommentiert in der Mladá Fronta Dnes:

“Unter der Last der Wirtschaftskrise werden gut ausgebildete Soldaten von Eliteeinheiten entlassen und eine Kündigung erhalten auch jüngst eingestellte Rekruten, denen man eine glänzende Zukunft versprochen hatte. So ein Hasadieren mit dem eigenen Ruf, aber auch mit Menschen, das erlaubt sich keine solide Firma. Und wenn doch, dann geht sie über kurz oder lang bankrott.”

Dmitri Medwedew  (foto: ČTK)
Moderator: Apropos Militär - jetzt jährt sich zum ersten Mal der Georgienkonflikt, der ja hier in Tschechien gerade mit Blick auf das Verhalten Russlands so etwas wie Alarmbereitschaft ausgelöst hat. Viele fühlten sich an 1968 erinnert. Ist dieser Jahrestag ein Thema gewesen?

C.R.: Ist er. Zbyněk Petráček fragt in der Lidove Noviny vom Donnerstag: Gibt es zu recht eine Russophobie, wie sie ja auch die vorherige Topolánek-Regierung immer wieder gefördert hat? Petráček schreibt:

„Der Jurist Medwedew legt ein Gesetz vor, das der Armee präventive Einsätze zur Rettung russischer Bürger im Ausland ermöglicht. Ein Gesetz, denn bisher genügte die Genehmigung des Kremls. Ja, Sie lesen richtig. Während die Bundeswehr für Auslandseinsätze die Zustimmung des Parlaments und des Verfassungsgerichts braucht, genügt der russischen Armee die Erlaubnis des Kremls. Denken Sie jetzt immer noch, dass die Ängste vor Russland künstlich hochgehalten werden?“ - fragt Zbyněk Petráček. Hübsch finde ich die Tatsache, dass Deutschland hier als positives Beispiel für eine Demokratie hervorgehoben wird. An solchen Nebensätzen wird doch immer wieder deutlich, dass sich hier die Wahrnehmung von Deutschland doch mittlerweile gewandelt hat.

Moderator: Christian, Du hast uns noch schmutzige Witze versprochen.

C.R.: Da habe ich vielleicht ein bisschen zu viel versprochen. Ich bin kein sehr guter Witze-Erzähler. Aber die 60-jährige Bildungspolitikerin Ladislava Zelenková, Abgeordnete der Sozialdemokraten, die hält sich dafür: Auf ihren Webseiten gibt es eine Ecke mit Witzen aus der Schule. Darunter natürlich auch Vulgäres über – sagen wir mal - die Fortpflanzungsmechanismen der Menschen. Das fand ein Reporter der Mladá Fronta Dnes heraus und meinte, es handle sich um einen Skandal. Kommentator Karel Steigerwald ironisiert in der Mladá Fronta Dnes:

„Es sieht so aus, als wäre die Abgeordnete abnorm, ist sie aber nicht. Sie weiß, dass sich die Wähler von ihr abwenden werden, aber sie macht es trotzdem. Solche Politiker brauchen wir. Eigenständig, unabhängig, direkt und klar. (...) Zelenková hat die Latte höher gelegt. Der Durchbruch grober Witze über die Fortpflanzung der Menschen in die Politik hat begonnen. Die Wahlen werden lebendig und fröhlich,“ schreibt Karel Steigerwald.

Moderator: Christian Rühmkorf mit dem Medienspiegel – vielen Dank!