Mahnungen zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Stabilität in der Türkei

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Der vereitelte Putsch in der Türkei, aber vor allem auch seine Nachwehen, sind auch ein Thema in Tschechien. Es herrscht vor allem Sorge um die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei. Aber vor allem auch um die Stabilität Europas und der Nato. Die Türkei ist schließlich ein wichtiger Partner, das Land befindet sich jedoch in einer Schieflage

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Offiziell steht die europäische Politik nach dem gescheiterten Putsch hinter dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seiner Regierung. Der Umsturzversuch gegen die demokratisch legitimierte Regierung der Türkei sei in höchstem Maße illegal, so der Tenor in den europäischen Hauptstädten. Dennoch können die Politiker ihre Sorgenfalten nicht verbergen.

Der tschechische Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) gab sich in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks pragmatisch. Die Türkei sei nach wie vor ein wichtiger Partner, besonders bei der schwierigen Weltlage momentan, so Sobotka. Es sei im Interesse Europas und Tschechiens, dass die Türkei stabil bleibe. Dennoch richtet der tschechische Premier einen klaren Appell an Ankara:

Bohuslav Sobotka  (Foto: Khalil Baalbaki,  Archiv des Tschechsichen Rundfunks)
„Präsident Erdoğan und sein Premier berufen sich immer wieder auf die Demokratie. Das ist durchaus richtig, wenn sie die Demokratie unterstützten wollen. Die türkische Führung muss sich aber auch der Grenzen in einer Demokratie bewusst werden. Es ist nicht möglich, rückwirkend die Todesstrafe einzuführen und das Prinzip der Kollektivschuld anzuwenden. Der Putsch darf nicht rechtfertigen, pauschal die Opposition zu beschuldigen, um sich ihrer so zu entledigen. Die Schuld muss immer mit den Mitteln eines demokratischen Rechtsstaates bewiesen werden.“

Vor allem die Einführung der Todesstrafe würde eine weitere Annährung der Türkei an die EU unmöglich machen, so Sobotka weiter. Die inneren Spannungen in dem Land dürften nicht zulasten der gemeinsamen Partnerschaft gehen.

Lubomír Zaorálek  (Foto: Archiv des tschechischen Außenministeriums)
Auch der tschechische Außenminister Lubomír Zaorálek (Sozialdemokraten) warnt vor einer Wiedereinführung der Todesstrafe durch die türkische Regierung, wie er am Rande des EU-Außenministertreffens in Brüssel betonte. Nichtsdestotrotz sieht auch Zaorálek die Türkei weiterhin als Partner, vor allem auch in der der Migrationskrise:

„Johannes Hahn, der dafür zuständige EU-Kommissar, hat dazu eine Analyse vorgelegt. Daraus geht hervor, dass die Vereinbarungen betreffs der Migrationskrise gegenwärtig nicht bedroht sind. Es ist gelungen, hier eine Entspannung zu bewirken. Somit sind kurzfristige Änderungen der Lage auf der Balkanroute nicht abzusehen. Insgesamt werden aber die Verhandlungen mit der Türkei immer langatmiger. Von Seiten der EU gilt aber weiterhin, dass das Land alle Prinzipien einhalten muss, die ihm auferlegt wurden.“

Jiří Pospíšil  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Der Außenminister meint dabei vor allem die Prinzipien, von denen auch eine Visaliberalisierung für türkische Staatsbürger abhängt. Die konservative Opposition in Tschechien sieht das indes nicht so pragmatisch. Sie fordert eine weitaus härtere Gangart gegenüber Erdoğan und erachtet nun insbesondere die Visaerleichterungen für hinfällig. Jiří Pospíšil sitzt für die Top 09 im Europaparlament und zweifelt an der Zuverlässigkeit der Regierung Erdoğan:

„Meiner Meinung nach war es ein großer Fehler, die Visafreiheit für türkische Staatsbürger in das Abkommen aufzunehmen. Es hat doch mit den Migranten nichts zu tun, ob die Türken ohne Visum nach Europa reisen können oder nicht. Durch die aktuellen Ereignisse ist eine Liberalisierung aber Zukunftsmusik. Eine unserer Bedingungen war der Rechtsstaat, und den gibt es jetzt in der Türkei nicht mehr.“

Recep Tayyip Erdoğan  (Foto: ČTK)
Zudem befürchtet Pospíšil eine zusätzliche Flüchtlingswelle aus der Türkei, sollte Präsident Erdoğan den Druck auf die dortige Opposition erhöhen.