Maisel-Synagoge im neuen Gewand

Maisel-Synagoge (Foto: Archiv des Jüdischen Museums)
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Sie zählt zu den Herzstücken im jüdischen Viertel von Prag: die Maisel-Synagoge in Josefov. Nach mehr als einem Jahr der Restaurierung wurde sie vor kurzem wieder eröffnet. Die neue Dauerausstellung dokumentiert das Leben der Juden in den Böhmischen Ländern vom 10. bis zum 18. Jahrhundert.

Mordechai Maisel
Das Jüdische Museum gehört gemeinsam mit der Prager Burg zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten in der tschechischen Hauptstadt. Knapp 580.000 Besucher lösten im vergangenen Jahr das Ticket für die verschiedenen Ausstellungen und Synagogen. Die Maisel-Synagoge jedoch war bis zum Sommer dieses Jahres wegen Restaurierungsarbeiten nicht zugänglich. Errichtet wurde sie im Auftrag von Mordechai Maisel, dem Hofbankier und Vorsteher der jüdischen Gemeinde. 1591 erhielt er dafür von Kaiser Rudolf II. das Sonderrecht. Die Synagoge wurde im Renaissancestil von den Baumeistern Juda Coref Herz und Josef Wahl erbaut. Bei einem Brand im Jahr 1689 wurde das Gebäude stark beschädigt, später wurde die Synagoge einige Mal umgebaut. Zuletzt wurde sie in den Jahren 1893 bis 1905 nach dem Entwurf von Architekt Alfred Grotte im neogotischen Stil umgestaltet. Die neue Dauerausstellung knüpft an die frühere Exposition aus den 1990er Jahren an, beinhaltet aber auch die neuesten Forschungsergebnisse. Iveta Cermanová arbeitet im Prager Jüdischen Museum und gehörte zum Kuratorenteam:

Maisel-Synagoge  (Foto: Archiv des Jüdischen Museums)
„Wir wurden beauftragt, die vormoderne Geschichte der Juden in den Böhmischen Ländern in einer Dauerausstellung zu dokumentieren. Das war auch das Thema der ursprünglichen Schau, die nach mehr als 20 Jahren bereits überholt war. Wir sollten die Exposition aber viel moderner gestalten.“

Goldenes Zeitalter unter Kaiser Rudolf II.

Die Ausstellung ist in acht Themenfelder gegliedert – die Chronologie stand bei der Anordnung nicht im Vordergrund. Die Führung durch die Ausstellung, die rund 150 Exponate zeigt, erfolgt traditionsgemäß von rechts nach links, sagt Iveta Cermanová:

Maisel-Synagoge  (Foto: Archiv des Jüdischen Museums)
„Das erste Thema, das im Eingangsraum unter der Galerie dargestellt wird, ist die jüdische Besiedlung der Böhmischen Länder. Die Führung wird im südlichen Seitenschiff fortgesetzt. Dort werden gleich drei Themen präsentiert: die Stellung der Juden in der Gesellschaft im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, die jüdische Gemeinde und die traditionelle jüdische Bildung. Im zentralen Raum der Synagoge wird das sogenannte ‚goldene Zeitalter‘ der Prager Juden unter Kaiser Rudolf II. dokumentiert. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei dem Begründer und Mäzen der Synagoge, Mordechai Maisel, geschenkt.“

Maisel-Synagoge  (Foto: Archiv des Jüdischen Museums)
Außerdem geht es darum, wie diese Zeitepoche später reflektiert wurde. Erwähnung findet auch die Legende vom Golem und Rabbi Löw. Die Führung wird im nördlichen Seitenschiff der Synagoge fortgesetzt.

„Hier konzentriert sich die Ausstellung auf die Beschäftigung der Juden und das gesellschaftliche Leben. Abschließend werden die Diskriminierung und Unterdrückung der jüdischen Bevölkerung dokumentiert. Um den etwas düsteren Abschluss auszugleichen, haben wir noch ein letztes Thema hinzugefügt, das wir als Epilog bezeichnen. Am Beispiel der jüdischen Aufklärung und der Annäherung an die Christen während dieser Epoche werden die Veränderungen gezeigt, zu denen es Ende des 18. und im 19. Jahrhundert im Leben der Juden in den Böhmischen Ländern kam.“

Maisel-Synagoge  (Foto: Archiv des Jüdischen Museums)
Unter den Exponaten sind alte Handschriften, wertvolle Drucke, Gegenstände aus Silber oder Zunftwappen. Iveta Cermanová:

„Zu sehen sind zwei- wie auch dreidimensionale Exponate. Wir stellen hier Faksimiles der historischen Dokumente, aber auch Originalstücke aus. Es handelt sich um Gegenstände aus Metall, Textil oder Silber. Darunter sind Ritualgegenstände wie Zeigestäbe oder Toramäntel. Zu sehen ist auch eine Plastik. Es ist eine Kopie des Modells für die Rabbi Löw-Statue von Bildhauer Ladislav Šaloun.“

Nach dem Modell wurde die Statue von Rabbi Löw für den Prager Marienplatz / Mariánské náměstí gestaltet.

Modell der Judenstadt vor der Assanierung

Alexandr Putík  (Foto: Archiv des Verlags Academia)
Die Ausstellung wird durch zahlreiche audiovisuelle und interaktive Elemente belebt, sagt Alexandr Putík vom Jüdischen Museum:

„So viel Bildmaterial und so viele Daten könnte man in einer klassischen Exposition ohne Videos nicht präsentieren. Es gibt hier einen Pool mit etwa 60 Persönlichkeiten, über deren Leben man mehr erfahren kann. Zudem stehen den Interessierten Dokumente und Bildmaterial aus rund 40 Gemeinden zur Verfügung. Besonders interessant ist für die Besucher vielleicht die Möglichkeit, sich anhand eines digitalisierten Modells eine Vorstellung davon zu machen, wie die Prager Judenstadt vor der sogenannten Assanierung des Viertels im 19. Jahrhundert ausgesehen hat. Zu sehen sind alle wichtige Baudenkmäler, egal ob sie abgerissen wurden oder ob sie immer noch stehen.“

Die Maisel-Synagoge soll künftig zu besonderen Gelegenheiten auch am Abend seine Pforten öffnen. Weil die Synagoge eine sehr gute Akustik hat, werden dort Konzerte und weitere Veranstaltungen stattfinden. Zuzana Pavlovská leitet im Jüdischen Museum die Abteilung für Bildung und Kultur.

Irena Dousková  (Foto: Martin Kozák,  Wikimedia Public Domain)
„Es werden dort Konzerte klassischer Musik veranstalten, wir wollen sie künftig jeden ersten Donnerstag im Monat organisieren. Zudem planen wir Lesungen, Diskussionen und auch Theatervorstellungen. Der Konzertzyklus beginnt am 3. Oktober. Das Ensemble Collegium Musicum aus Brno / Brünn wird jüdische Barockmusik spielen. Auf dem Programm steht weiterhin eine Lesung der Schriftstellerin Irena Dousková. Am 15. September findet in der Synagoge im Rahmen des Forums 2000 eine Diskussion über die Rechte und Pflichten von Minderheiten im gegenwärtigen Europa statt.“

Ziel sei es, die Synagoge der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sie in ein spannendes Kulturzentrum zu verwandeln, fügt Zuzana Pavlovská hinzu.

Die Maisel-Synagoge befindet sich in der Maisel-Straße Nr. 10. Sie ist bis zum 23. Oktober täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet, im Winter nur bis 16.30 Uhr. An Samstagen und an jüdischen Feiertagen bleibt die Synagoge geschlossen.

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