Martin Fučík: Lehr- und Wanderjahre eines tschechischen Kochs (2. Teil)

Martin Fučík

Nach zwei Wochen ist hier der 2. Teil der Sommererzählung eines jungen Tschechen, der vor ein paar Jahren wiederholt in die Welt zog, um dort neue Menschen kennenzulernen, Erfahrungen zu sammeln und nicht zuletzt auch, um als Koch in der kulinarischen Kunst etwas Neues dazuzulernen. Nun, das haben Sie bereits in der letzten Ausgabe unserer Sendereihe „Heute am Mikrophon“ von Martin Fucik erfahren können. Unter anderem danach, ob und wie er seinen längsten Auslandsaufenthalt, nämlich den insgesamt zweijährigen in Spanien, nach der Rückkehr nach Hause verwerten kann, hat ihn auch diesmal Jitka Mládková für die heutige Sendung gefragt.

Martin Fučík, ihre Wandergeschichte haben wir, zu dem Zeitpunkt unterbrochen, als Sie zum zweiten Mal nach Spanien aufgebrochen sind, und zwar auf die Kanareninseln. Ganz konkret nach Teneriffa. Dort haben Sie bereits als richtiger Koch in einem Restaurant gearbeitet. Nach etwa einem Jahr haben Sie die Entscheidung getroffen, die Koffer zu packen. Was war der Hauptimpuls?

„Eines schönen Tages kam mir plötzlich die Idee, dass ich zurück nach Hause will. Ich habe mich einfach von einem Tag auf den anderen entschieden. Impuls war ein persönliches Erlebnis, über das ich lieber nicht sprechen will. Außerdem gab es aber auch einige andere. Ich möchte gar nicht den Eindruck erwecken, dass ich negativ über die Menschen dort denke. Sie sind nett, entgegenkommend, freundlich, aber sie haben auch typische Eigenschaften, an die ich von Zuhause nicht gewöhnt bin. Ein Beispiel: Unpünktlichkeit. Man verabredet sich mit jemandem für eine feste Zeit, kommt möglicherweise höchstens zwei, drei Minuten später und macht sich deswegen selbst Vorwürfe. Dann wartet man aber noch eine Stunde, bis derjenige, mit dem man sich verabredet hat, auftaucht. Hallo, wie geht’s, hallt es schon von weitem her, jedoch ohne ein einziges Wort der Erklärung, warum man spät gekommen ist.“

Mentalitätsunterschiede also. Sie haben aber ganz bestimmt auch etwas Nettes auf Teneriffa erlebt, oder?

„Am schönsten war das Weihnachtsfest. Ich war ja an eine geruhsame Weihnachtszeit bei mir zu Hause gewöhnt. Nun war ich aber plötzlich allein in der Adventszeit. Einer meiner Arbeitskollegen, ein Argentinier, dessen Familie auf Teneriffa lebt, erzählte mir einmal, welche Geschenke er bereits gekauft hatte und wie sehr er sich bereits freute - es war kurz vor Weihnachten. Als er hörte, dass ich Weihnachten allein vor der Mattscheibe verbringen soll, sagte er sofort: Komm doch zu uns! Und so habe ich zwei Weihnachtstage auf ´argentinisch´ erlebt. Im Gedächtnis sind mir viele Erinnerungen daran geblieben.“

Nun gut, machen wir jetzt einen Zeitsprung. Vor etwa einem Jahr sind Sie nach Tschechien zurückgekehrt. Vorgesehen war allerdings, wie Sie mir erzählt haben, nur ein kurzer Aufenthalt. Trotzdem sind Sie geblieben. Was ist passiert?

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„Mich hat Südamerika gereizt. So habe ich mir eines Tages eine Flugkarte nach Mexiko gekauft. Dort kam es aber gerade zu einer Naturkatastrophe. Außerdem gab es noch Probleme mit dem Visum für die USA, wo ich eigentlich nur von einem Flugzeug in ein anderes umsteigen sollte. Und in der Zwischenzeit ist in meinem Leben auch eine neue Freundin aufetaucht. Alles in allem also: ich bin in Prag geblieben. Ich machte mich auf Suche nach einem Job. Ich stellte meinen Lebenslauf ins Internet und bald darauf meldeten sich verschiedene Leute aus der Branche, einschließlich Vertreter von Betriebsküchen oder auch anrüchigen Lokalen. Es meldete sich auch mein heutiger Chef telefonisch bei mir. Das war im Oktober vergangenen Jahres, und im Dezember wollte er in der Prager Altstadt ein peruanisches Restaurant öffnen, das erste in Mitteleuropa. Er erzählte mir von seinen Vorstellungen, und ich habe mich sofort mit ihm verabredet, sogar ohne nach dem Gehalt zu fragen.“

Was hat dazu beigetragen, dass man Sie engagiert hat? Schließlich waren Sie noch nie in Peru oder in Lateinamerika überhaupt.

„Eines der wichtigsten Kriterien waren die Spanischkenntnisse. Der Chef ging davon aus, dass die lateinamerikanische Küche auch lateinamerikanische Besucher anlocken wird, mit denen man sich vor allem auf Spanisch verständigen soll. Wichtig für ihn waren auch meine Erfahrungen mit der Fischzubereitung. Er gab mir auch eine Menge Fachliteratur und Hinweise auf viele Informationsquellen im Internet und nicht zuletzt auch Tipps zur künftigen Speisekarte. Der Rest lag schon an mir selbst.“

Die Zeit war knapp, Sie mussten sich aber mit der Vorbereitung auf den neuen Auftrag recht sputen. Was haben Sie gemacht in der kurzen Zeit?

„Mein Chef stellte mir einen Kontakt zu einer Peruanerin in Prag her und zusammen haben wir jeden Tag geübt, entweder bei ihr oder bei mir zu Hause. Jeden Tag haben wir ein Menu aus Vorspeise, Hauptspeise und Dessert zusammengestellt. Das haben wir zubereitet und sind anschließend auch mit dem Chef zusammengekommen, um das Essen zu kosten und über Mängel zu sprechen. Das war interessant: Jeden Tag Einkäufe zu machen, neue Zutaten zu erkunden. Für mich war alles absolut neu. Alles ging sehr schnell, das Restaurant wurde wie geplant am 8. Dezember eröffnet. Gleich in den ersten Wochen hatte ich mit meinem Kollegen in der Küche von früh bis abends die Hände voll zu tun. Nach und nach hat sich ein festes System in der Arbeit eingependelt.“

Macht es Spaß, in diesem Restaurant zu arbeiten?

„Es macht mir Spaß, wenn Gäste kommen. Wenn ich aber alles vorbereitet habe aber wenige Gäste kommen und ich nicht kochen muss, macht es mir wenig Spaß. Das kommt auch vor. Zum Beispiel, wenn die Sommerferien beginnen, sind viele Leute im Urlaub oder überhaupt auf ihren Datschen außerhalb von Prag. Am besten ist es, wenn es stressig wird: Jeder will etwas von mir und ich warte nur noch darauf, dass mir eine dritte Hand aus dem Körper wächst. Manche fühlen sich total genervt in solchen Situationen. Ich zwar auch, aber da sage ich zu mir selbst: Atme tief durch, beruhige dich und denke nach, was du als erstes und zweites brauchst, und schon funktioniert es.“

Sie sind eigentlich Chefkoch. Gehen Sie auch gerne persönlich Gäste befragen, wie die in Ihrer Küche zubereiteten Speisen schmecken?

„Es passiert zum Beispiel, dass der Kellner alle Hände voll zu tun hat und ich sehe, dass an einem Tisch Gäste auf ein Dessert warten. Wenn es mir gelingt, dieses schön zu garnieren, so bringe ich es selbst direkt an den Gästetisch. Ich zeige gerne ab und zu, dass ich etwas kann. Mit den Gästen plaudere ich auch gerne.“

Eines Tages sind Sie in die Arbeit gekommen und haben erfahren, dass man Ihnen das Zertifikat „Koch des Monats“ zuerkannt hat. Nach so kurzer Zeit im neuen Job ist das ein Erfolg. Möchten Sie mal auch ein Michelin-Sternchen bekommen. Vor kurzem wurde das erste in Tschechien erteilt, jedoch einem italienischen Sternekoch.

„Ja, das klingt gut und interessant. Michelin ist ja die höchste Auszeichnung in unserer Branche. Also, ich sage nicht nein, das will ich nicht. Das wäre gelogen. Aber ich sehe es so: Wenn jemand sein Leben lang, zum Beispiel als Bertriebsküchenkoch arbeiten will, der soll es tun, warum nicht? Wenn man aber etwas mehr erreichen will und etwas dafür tut, dann trägt das irgendwann Früchte und bringt nicht zuletzt auch mehr Geld, sowie bessere Arbeit, ein besseres Arbeitsteam und Ähnliches. Oder man hat auch mehr Eigenverantwortung.“

Abschließend eine, denke ich, logische Frage. Sie stehen immer noch am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn. Was ist für Sie das höchste Ziel?

„Mein höchstes Ziel ist es, keinen Chef zu haben. Ich möchte derjenige sein, der entscheidet, was gemacht wird und wie es gemacht wird. Jetzt bin ich zwar ein Chefkoch, muss aber die Wünsche meines Arbeitgebers respektieren. Natürlich weiß ich, dass sich die Chhefs auch an ökonomischen Kriterien orientieren müssen und dass es nicht leicht ist, ein Restaurant zu betreiben, trotzdem ist es mein Traum. Ich möchte es wenigstens versuchen. Vielleicht klappt es. Es ist immer ein Risiko dabei. Wenn man aber kein Risiko eingehen will, kann man kaum etwas gewinnen.“

Also dann, alles Gute!